Ende Juni oder Anfang Juli beginnt in der US-Politik alljährlich eine Zeit der Spannung. Dann nämlich endet das Gerichtsjahr des US-Supreme-Court. Die meisten Entscheidungen werden also kurz vor Ferienbeginn bekanntgegeben – und auch diesmal blieben dabei Paukenschläge nicht aus. Großteils wurden Pfeiler der US-Politik nach rechts verschoben. In wenigen Fällen aber stellte sich das Gremium aus drei liberalen Richterinnen, fünf konservativen Richtern und der ebenfalls konservativen Amy Coney Barrett gegen die Vorhaben republikanischer Kläger.

Los ging es aber schon im April – mit einer damals durchaus überraschenden Entscheidung.

Abtreibungspille

Abtreibungspille Mifepriston
Die Abtreibungspille Mifepriston ist in den USA vorerst weiterhin erhältlich.
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Damals hatte ein konservativer Bunderichter in Texas die Abtreibungspille Mifepriston verbieten lassen und sich dabei der eigentlich zuständigen Behörde FDA entgegengestellt, die das Mittel 2000 erlaubt hatte. Der Supreme Court stellte sich in einer einstweiligen Verfügung dem Verbot kurz vor dessen Inkrafttreten entgegen – äußerte sich aber nicht inhaltlich zu dem Fall.

Wahlrecht

Protest.
In Sachen Wahlrecht entschied der Supreme Court zweimal gegen republikanische Wünsche, deren Umsetzung die Stimmen viele Wählerinnen und Wähler da facto entwertet hätte,
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Was den Zugang zu Wahlen und deren konkrete Abhaltung betrifft, hat das Gericht gleich zwei Entscheidungen gefällt. Schon Anfang Juni befand das Gericht, dass Republikaner im Bundesstaat Alabama durch die Festlegung neuer Wahlkreisgrenzen gegen den Voting Rights Act verstoßen hatten. Die Pläne hatten vorgesehen, einen Großteil der Afroamerikaner in Alabama, die 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen, in einem einzigen von sieben Wahlkreisen zusammenzufassen. Damit hätten die Republikaner gute Chancen gehabt, alle sechs weiteren zu gewinnen. Laut Supreme Court, der mit den Stimmen zweier konservativer Richter fünf zu vier entschied, wäre damit das gleiche Wahlrecht beschnitten worden. Ende Juni befand das Gericht (mit sechs zu drei Stimmen) zudem, eine von republikanischen Hardlinern propagierte Rechtstheorie, wonach Bundesstaatsparlamente auch entgegen der Verfassungen Wahlgesetze ändern können, sei falsch.

"Affirmative Action"

Die Universtität von North Carolina.
Die öffentliche University of North Carolina war eine von zwei beklagten Unis. Sie muss ihre Aufnahmeverfahren nun ändern.
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Dürfen private und öffentliche Unis in ihren Punktesystemen zur Vergabe von Studienplätzen auch die Hautfarbe der Studierenden in spe miteinkalkulieren? Die konservative Mehrheit am Höchstgericht befand: Nein. Sie warf damit lange bestehende Bemühungen um, historische Erbteile der Sklaverei und aktuelle Ungerechtigkeiten und Diskriminierung auszugleichen.

Diskriminierung

Lorie Smith will auf keinen Fall etwas mit Hochzeiten zu tun habe,
Webdesignerin Lorie Smith darf Aufträge zur Feier von Hochzeiten ablehnen, wenn es sich um eine Vermählung gleichgeschlechtlicher Partner*innen handelt. Sie hatte bereits vor Jahren vorsorglich Klage eingereicht, als sie noch weder ein Webdesign-Unternehmen betrieb, noch entsprechende Aufträge erhalten hatte.
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Ebenfalls mit der Sechs-zu-drei-Mehrheit des konservativen Blocks erlaubte das Gericht am Freitag einer religiös geführten Webdesignfirma Aufträge für Websites zur Feier gleichgeschlechtlicher Hochzeiten abzulehnen. Das Recht auf freie Rede überwiege ein Gesetz des Staates Colorado, das Diskriminierung homosexueller Menschen verbietet.

Studienkredite

US-Präsident Joe Biden
US-Präsident Joe Biden will nun einen anderen Weg finden, um ehemaligen Studierenden ihre Schulden zu erlassen.
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Auch in der Frage, ob Präsident Joe Biden US-Bürgern mehr als 400 Milliarden US-Dollar an staatlichen Studienkrediten erlassen darf, urteilte das Gericht am Freitag entlang seiner ideologischen Trennlinien mit Nein.

(Manuel Escher, 3.7.2023)