AM SET: Doris Priesching

Graf Dracula isst veganen Porridge. Mit Chiasamen und glücklichen Birnen. Ein Witz? Es kommt noch besser: Vier junge Menschen sitzen am Tisch mit dem ernährungsbewussten Grafen. Sie kommen frisch aus dem Gefängnis, warum sie dort waren, wird hier nicht verraten. Jedenfalls hat Dracula sie gerade da rausgeholt, und jetzt frühstücken sie im – eh klar – schummrigen Lokal. Der Vampir trägt die Haare kurz, an der Stirn sind sie in kleinen Röllchen gelegt. Der Vampirpapa ist der deutsche Schauspieler Armin Rohde.

Constanze Schumann auf dem Set von "Followers".
Nikolett Kustos / Amazon Prime

Rauch steigt auf. Die Regieassistentin Nadja Berke wachelt mit ihrem Block den aufsteigenden Nebel in Richtung der am Tisch Sitzenden, wo er hin soll. "Der Effekt ist bescheiden", scherzt Berke. Aber es reicht offenbar. "Jetzt absolute Ruhe bitte, auch keine Nebengeräusche, keine Gespräche. Man hört das. Ton ab", sagt Berke: "Und bitte!"

Es ist der erste Take der 705. Szene, die an diesem Vormittag im Wiener Palais Fürstenberg für die Serie Followers gedreht wird. Die Horrorcomedy, die seit 40 Tagen in Wien entsteht, ist die erste österreichische Serie des Streamingriesen Amazon. Constanze Schumann produziert die Serie mit ihrer Firma Rundfilm. Sie ist happy: "Mein Traum wird wahr."

Unter Zombies

Worum geht es in Followers? Die Serie erzählt die schräge Geschichte von Natalie (Cosima Henman), Raffi (Jing Xiang), Simon (Jakob Schmidt) und Lukas (Benedikt Kalcher) in einer neuen Paranormalität. "Unsere Welt ist die neue Realität", sagt Schumann. "Sämtliche Kreaturen der Unterwelt – Zombies, Werwölfe, Vampire, Monster – sind eingegliedert in die Gesellschaft." Mitten in diesem strangen Tohuwabohu parieren die vier Mittzwanziger furchtlos jede Monsterattacke, bei Fragen zu Dating und Beziehungen stecken sie hingegen schnell fest.

Acht Folgen werden es am Ende sein. Anfang 2024 soll Followers auf Amazon Prime starten. Heute entstehen sieben Minuten davon. Regie führt Marc Schlegel, die Bücher schrieben Peter Bruck und Ernst Golda. Schumann hat mitent­wickelt.

Benedikt Kalcher als Monster in "Followers".
Nikolett Kustos / Amazon Prime

Der Stoff für die Monstercomedy wurde ihr von den Autoren angetragen, Schumann sah ihre Stunde schlagen: "Wir wollten damit am Anfang in den amerikanischen Raum." Aber dann kam Corona, und mit einem Schlag war das Thema erledigt. Niemand wollte etwas von einer Serie mit gruseligen Aussichten wissen, selbst wenn sie noch so komisch angelegt waren. Aber an Herzensprojekten hält man fest, weshalb Schumann die Serie schließlich bei Amazon pitchte: "Sie fanden es toll." Und gaben vergangenen Juli grünes Licht.

Es brodelt

Nicht zuletzt, weil in dem Setting nicht nur geblödelt wird. Der Kreaturenauflauf erlaubt Anspielungen auf real existierendes modernes Zusammenleben, wie Schumann erklärt: "Followers zeigt eine offene Gesellschaft, aber so offen und gleichberechtigt sind wir dann doch wieder nicht." Das ist auch der Grund, warum Graf Dracula schließlich seine eigene Vampirpartei gründet, weil in der Rentenversicherung Vampire als Unsterbliche nicht inkludiert sind. Es brodelt unter der Oberfläche.

Die letzte Woche war fordernd, erzählt Schumann. Im Wiener Lokal Reaktor wurden Ballszenen mit 150 Komparsinnen und Komparsen gedreht, die alle angezogen und geschminkt werden mussten. Für jede Monsterkategorie gibt es eigene Farbkonzepte.

"Das sind die Tage, an denen ich als Produzentin zittere. Wenn da etwas schiefgeht, ist es schwierig, das Budget zu halten." Jetzt wirken viele der Crewmitglieder schon entspannt.

"Grimms Märchen auf 'Vogue'"

Für visuelle Effekte sorgte das Wiener Büro Vast, es wurde aber viel Wert auf "echte" Darstellung mit Maske und Ausstattung gelegt. Ein Glücksfall für Maskenbildnerin Kiky von Rebental: "In anderen Serien geht es meistens darum, schön auszusehen. Der Hexe haben wir zum Beispiel einen Wolfcut verpasst. Sie sollte wie Grimms Märchen auf Vogue ausschauen." Die Zombies macht Roland Braunhofer aus Österreich, eine Koryphäe und Spezialist für Zombies und Werwölfe.

Am Set der Serie "Followers" im Wiener Palais Fürstenberg.
Amazon Prime

Drehen wollte Schumann ausschließlich in Wien. Zupass kam das neue Filmanreizmodell, bei dem bis zu 35 Prozent der in Österreich investierten Mittel refundiert werden und somit mehr finanziellen Spielraum erlauben: "Wir haben es vertraglich so hingekriegt, dass es auch richtlinienkonform war, und dadurch konnte das Budget um ein Drittel angehoben werden", sagt Schumann. Eine genaue Summe nennt sie nicht.

Dass sie keinen Aufwand scheut, belegt Schumanns Lebenslauf: "Mein allererstes Projekt war mein Abschlussfilm an der Filmakademie mit Barbara Eder, Inside America. Das war ein kleiner Film, aber für uns sehr groß. Wir waren im Kino, auf wichtigen Festivals – Toronto, Sarajevo. Es war ein Himmelfahrtskommando, weil wir fünf Leute waren, die einfach gesagt haben, lasst uns einen Spielfilm drehen. Wir haben es einfach durchgezogen, wahrscheinlich mit einer gesunden Portion Naivität. Wir fragen uns immer noch, wie wir das damals gemacht haben, und wir sind immer noch verdammt stolz auf dieses Projekt."

Der Take ist abgedreht, alle atmen einmal durch. Nur eine kurze Verschnaufpause, dann geht es weiter. Fokus ist alles.

Nach der intensiven Zeit des Drehs macht Schumann erst einmal ein paar Tage Urlaub. Die nächste Serie ist schon in Vorbereitung: "Wir sind schon in Gesprächen für ein neues Projekt." (Doris Priesching, 4.7.2023)