Eine Reihe an Fahrern bei der Tour de France.
Und jetzt geht es ins turbulente Frankreich.
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Bayonne - In Bayonne ging das Leben seinen gewohnten Gang. In den mittelalterlichen Gassen der pittoresken Altstadt öffneten am Montagmorgen die Cafes, Jogger trainierten am Ufer der Nive, die Sonne schien. Hier, tief im Südwesten Frankreichs, wo in Supermärkten die baskische Fahne statt der Tricolore hängt, war vom Grollen im Land nichts zu spüren. Die Vorfreude auf die Ankunft der Tour de France dominierte.

Nach dem Grand Depart in Spanien erreichte die Große Schleife ihr Stammland - und traf trotz aller Normalität in Bayonne auf eine Nation unter Spannung. "Wir stehen im Austausch mit dem Innenministerium und verfolgen die Situation sehr genau", sagte Tour-Boss Christian Prudhomme. Dem, sagte ein Sprecher des Veranstalters ASO dem SID am Montagmorgen, sei derzeit nichts hinzuzufügen.

Seit dem Tod des Jugendlichen Nahel M., der vergangene Woche Dienstag von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden war, wird Frankreich vielerorts von schweren Unruhen und Krawallen heimgesucht. Rund 5000 brennende Autos, 10.000 brennende Mülleimer und fast 1000 in Brand gesetzte oder beschädigte Gebäude wurden seither gezählt. Mehr als 700 Sicherheitskräfte wurden verletzt. Präsident Emmanuel Macron verschob seinen Staatsbesuch in Berlin.

Zusätzlicher Stresstest

Nun sorgt die Tour de France für einen zusätzlichen Stresstest für die Sicherheitsbehörden. Insgesamt 28.000 Polizisten und Feuerwehrleute stellt das Innenministerium während der dreiwöchigen Rundfahrt zur Verfügung. 300 Beamte machen die komplette Tour mit. Sie sollen die Sicherheit der Fahrer garantieren, für Ordnung sorgen und Proteste auf der Straße, wie es sie in der Vergangenheit beispielsweise durch Umweltaktivisten gegeben hat, verhindern.

Das Peloton blickt vergleichsweise unbesorgt auf die Gemengelage. Die Tour meidet in diesem Jahr mit Ausnahme von Bordeaux (7. Juli) und Paris (23. Juli) die Großstädte. Und ohnehin steht der Kampf um Siege und Trikots im Vordergrund. Unter den französischen Fahrern ist das Thema stärker präsent. Cofidis-Kapitän Guillaume Martin ist besorgt.

"Ich bin Radprofi, aber auch Bürger. Wir befinden uns in einer problematischen Situation", sagte der studierte Philosoph Martin. Es gebe "Gewalt auf beiden Seiten", sagte der 30-Jährige, der eine "echte Spaltung der Gesellschaft" und ein "Misstrauen" gegenüber den Behörden ausmachte. Die Zusammenstöße zeugten von einer Situation, "die schon lange schwelt."

In Frankreich zeichnete sich in der Nacht zu Montag immerhin eine Beruhigung der Lage ab. Mit 157 Personen wurden deutlich weniger Menschen festgenommen als in den Nächten zuvor. In Bayonne ging das Leben seinen gewohnten Gang. (sid, 3.7.2023)