ÖOC-Präsident Karl Stoss
ÖOC-Präsident Karl Stoss konnte nach der Hauptversammlung erfreut sein. Seine aktuelle Amtsperiode hat sich ein weiteres Mal verlängert. Sie sollte vier Jahre dauern, nun sind schon sechseinhalb Jahre fix, ohne dass gewählt worden wäre.
APA/HELMUT FOHRINGER

"Zurück zum Start." Keiner hat das Ergebnis der außerordentlichen ÖOC-Hauptversammlung am Montag in Wien so treffend zusammengefasst wie Markus Prock, der Präsident des Rodelverbands. Das Ergebnis war eigentlich keines, der Wahlvorschlag für einen neuen Vorstand im Österreichischen Olympischen Komitee wurde in einer geheimen Abstimmung mit 31:13 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Jetzt wird ein neuer Wahlausschuss die nun für September fixierte Wahl vorbereiten. Die Versammlung am Montag wurde durchaus unterschiedlich beschrieben, die Palette reichte von "hitzige Diskussionen" bis "amikale Atmosphäre", auch da fand Prock wohl die richtige Linie. "Es war nichts unter der Gürtellinie", sagte er. 

Der aktuelle Vorstand um Präsident Karl Stoss ist seit März 2017 im Amt, wegen der Verschiebung der Tokio-Spiele wurde die Periode schon einmal um zwei Jahre verlängert. Seit Montag steht fest, dass insgesamt noch ein weiteres halbes Jahr hinzukommt. Auch deshalb ist die Kritik an Stoss in den vergangenen Wochen und Monaten immer lauter geworden. Klar ist, dass Neuwahlen überfällig sind und dass sich der Termin weiter verzögert, weil Stoss der jüngste Vorschlag nicht gepasst hatte.

Die Stimmberechtigten

Die außerordentliche Hauptversammlung war ursprünglich von fünf Fachverbänden (Schwimmen, Golf, Turnen, Basketball, Ringen) beantragt worden. Am Freitag hatten diese den Antrag, sowie den Antrag auf Wahlen zurückgezogen, weil sie zuvor "rechtliche Fragen geklärt" wissen wollten. Das ÖOC hielt aber am Termin fest und auch an der Abstimmung über den von der aktuellen Führungsriege kritisierten Vorschlag.

Stimmberechtigt waren die Vertreter von 40 Fachverbänden sowie das IOC-Mitglied (Stoss) und zwei Vertreter und Vertreterinnen der Athletenkommission, je eine Stimme haben die Bundessportorganisation Sport Austria sowie die Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und Sportunion. Von demnach 47 Stimmberechtigten waren bis auf einen Fachverband (Fechten) alle in einem Wiener Hotel anwesend, die Sitzung war für 11 Uhr anberaumt. Jeweils ein Vertreter eines Fachverbands durfte an der Sitzung teilnehmen. Der Turnverband war mit zwei präsent, da Gabriela Jahn als Mitglied des Wahlvorschlages eine Stellungnahme abgab.

"Erinnert an Erbmonarchie"

Der Wahlvorschlag sah Stoss als Präsidenten vor. Als Vize im Präsidium waren Roswitha Stadlober (Ski Austria), Sonja Spendelhofer (Leichtathletik) und Thomas Reichenauer (Ringen) vorgesehen. Dem Vorstand sollten darüber hinaus auch Markus Prock (Rodeln), Gernot Leitner (Volleyball), Martin Poiger (Judo), Elke Romauch (Tennis), Gabriela Jahn (Turnen), Horst Nussbaumer (Rudern), Gerald Martens (Basketball) und Arno Pajek (Schwimmen) angehören.

In diesem zwölfköpfigen Vorschlag waren Pajek, Martens und Reichenauer der Stoss-kritischen Fraktion zuzurechnen. Drei von zwölf. "Hat die ÖOC-Führung vor uns wirklich solche Angst", fragt sich Martens. "Und falls ja, warum?"

Der nächste Vorschlag des nächsten Wahlausschusses wird nicht völlig anders aussehen, doch der eine oder andere Name wird sich schon ändern. "Stoss wird seine Liste im Herbst garantiert durchbringen", sagte ein Stoss-kritischer Verbandsfunktionär. "Der aktuelle Vorstand sucht sich seine Nachfolger aus. Das erinnert schon an eine Erbmonarchie." Und ein anderer fügte hinzu: "Die ÖOC-Führung hat die vergangenen Wochen genützt, um noch etliche Verbände auf ihre Seite zu bekommen. Speziell im Jahr vor olympischen Spielen sind viele Verbände darauf angewiesen, dass sie ordentlich gefördert werden und ihre Projekte weiterlaufen."

Zweierlei Maß?

Arno Pajek, der Präsident des Schwimmverbands, machte kein Hehl aus seiner Verärgerung. Er ist selbst Jurist und wollte eine auf Vereinsrecht spezialisierte Kollegin in die Hauptversammlung mitnehmen, das wurde ihm untersagt: "Aber die ÖOC-Spitze hatte selbst einen Hochschulprofessor und einen hochrangigen Juristen als Gäste eingeladen."

Christian Scherer, der als Generalsekretär den Skiverband vertrat, wünscht sich, "dass künftig wieder innerhalb der Sportfamilie diskutiert wird und nicht über die Medien". Und Martin Poiger, der Präsident des Judoverbands, wies noch darauf hin, dass die nächste Amtsperiode nur zwei Jahre, also bis 2025 dauern wird. Bis dahin gelte es, nicht nur einen gemeinsamen Weg zu finden, sondern auch eine Antwort auf "die Mutter aller Fragen", die da lautet: Wer wird Karl Stoss als ÖOC-Präsident folgen? (Fritz Neumann, 3.7.2023)