Amouranth hat durch den Wechsel nicht die Inhalte ihrer Streams geändert. Noch immer zeigt sie sich meist freizügig beim Plaudern oder Computerspielen.
Amouranth, Kick

Sechs Millionen Follower hatte die bekannte Streamerin Kaitlyn Siragusa, besser bekannt als Amouranth, auf der Videoplattform Twitch. Dank pfiffiger Ideen, beispielsweise Streamen aus der Hottub, ASMR-Videos oder auch Verkauf von Badewasser, verdiente sie Millionen. Sie wurde zu einem der Aushängeschilder der US-Plattform und baute parallel Karrieren auf Onlyfans und Instagram auf.

Am 17. Juni 2023 feiert sie ihr siebenjähriges Jubiläum in einem Livestream. Hunderttausende schauten zu, als das Bild plötzlich schwarz wurde und der Stream ohne triftigen Grund endete. Kurz darauf ging auf dem Twitter-Kanal von Siragusa ein kurzer Clip online. Mit dem Titel "Es ist so weit" kündigte die 30-Jährige ihren Wechsel zu Kick an, der neuen Konkurrenzplattform von Twitch.

Follower sind bares Geld

Follower, Abonnenten, oder wie sie auf den diversen Plattformen auch heißen, bedeuten für Streamer Geld. Siragusa hat auf Kick aktuell knapp über 105.000 Follower, also deutlich weniger als auf der ehemaligen Heimatplattform. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die junge Frau durch den Wechsel massive Geldeinbußen hinnehmen muss. Laut zahlreichen Berichten kompensiert Kick das mit lukrativen Beträgen, die den Wechsel trotzdem attraktiv machen sollen.

In dem kurzen Clip von Siragusa auf Twitter erwähnt sie ein 100-Millionen-Dollar-Angebot, das der Streamer xQc offenbar von Kick für den Wechsel bekommen hat, was kurz darauf sogar offiziell von dessen Agenten bestätigt wird. Siragusa ruft im Clip daraufhin ihren Agenten an und fragt, ob sie denn auch "so einen Deal" haben kann. Konnte sie offenbar, sonst hätte sie vielleicht nicht gewechselt.

Aber wie und warum nimmt die neue Streamingplattform so viel Geld in die Hand?

Das Design von Kick erinnert stark an jenes von Twitch, um den Umstieg für die Community möglichst einfach zu gestalten.
Kick

Wer ist Kick?

Das Geld für das Abwerben großer Streamingstars kommt tatsächlich aus dem Glücksspielsektor. Hinter Kick, das im Dezember 2022 gegründet wurde, steht das australische Unternehmen Easygo Entertainment. Besucht man die Website, sieht man nicht gleich, was eigentlich angeboten wird. Erst wenn man ein wenig durch die Website blättert, findet man den Zweck des 2016 gegründeten Unternehmens: "Unser Fokus ist die Schaffung von immersiven Online-Erfahrungen, bestehend aus gut gemachten Casinospielen, Kryptoplattformen und transparenten 'sportsbooks' (ein Onlineplatz, um Sportwetten abzuschließen, Anm.)." Aufgrund dieses Hintergrunds sind – im Gegensatz zu Twitch – auch Casino-Streams in vollem Umfang erlaubt.

Zusätzlich lockt der Anbieter mit besseren Konditionen für Streamerinnen. 95 Prozent der Einnahmen sollen direkt an die Content-Creator fließen. Bei Twitch sieht dieses Verhältnis deutlich anders aus. Dort bekommen Streamer nur 50 Prozent des Abo-Geldes. Außerdem verspricht das Unternehmen hinter Kick einen Stundenlohn von 16 Dollar, zumindest für jene, die 30 Tage lang mindestens vier Stunden streamen. Twitch-Größen wie Asmongold empfehlen deshalb jungen Streamern, bei Kick anzufangen, weil man dort schneller vom Streamen leben kann.

Der Zeitpunkt ist in jedem Fall günstig, sich gegen den großen Konkurrenten, hinter dem immerhin Amazon steht, aufzulehnen. Schon seit Monaten beschweren sich Streamer über immer mehr Regeln, etwa das Verbot auf anderen, Twitch-ähnlichen Plattformen zu streamen, und schlechtere Konditionen. Bereits 2021 senkte Twitch die Abo-Preise. Mit einem solchen Abo können Kundinnen direkt Streamer unterstützen. Durch die Senkung von rund 20 Prozent verringerte sich auch der Anteil für die Content-Schaffenden. Aber Twitch bleibt keine andere Möglichkeit, als endlich mehr Geld einzunehmen. Mehrere Berichte sprechen davon, dass die Plattform aufgrund von hohen Serverkosten, Personal und vielem mehr noch immer nicht profitabel ist. Ein Zustand, den sich Eigentümer Amazon offenbar leisten kann und will – die Frage ist nur, wie lange noch?

Was die Konkurrenz von Kick jetzt braucht, um an Relevanz zu gewinnen, ist schnelles Wachstum. Der Wechsel des bekannten Streamers xQc hat laut Angaben der Kick-Geschäftsführung rund eine Million neuer Nutzerinnen gebracht. Auch in Deutschland, einer der größten Gaming-Märkte der Welt, versucht der Streaminganbieter offenbar regelmäßig sein Glück. MontanaBlack erzählte kürzlich in seinem Stream, er hätte einen zweistelligen Millionenbetrag für den Wechsel angeboten bekommen, und auch andere Content-Creator erwähnen "sehr reizvolle" Deals. Einer der größten und erfahrensten Streamer Deutschlands, Gronkh, kommentierte diese Entwicklung in einem seiner Videos zuletzt mit einem Augenzwinkern.

Natürlich würde jeder von einem Angebot erzählen, sonst wäre man ja "irrelevant", meint der langjährige Streamer, der mit bürgerlichem Namen Erik Range heißt. Danach äfft er seine Kollegen nach und sagt, auch er habe ein Angebot erhalten, das "lebensverändernd" sei, und dass er auch deshalb darüber nachdenken musste. Aber wegen "euch, der Community", würde er bei Twitch bleiben.

Felix "xQc" Lengyel wechselte für 100 Millionen zu Kick.
xQc, Kick

Konkurrenz belebt das Geschäft

Twitch hat schon viele Konkurrenten kommen und gehen gesehen. Mixer etwa, die dank der Barreserven von Microsoft den damals sehr populären Streamer Ninja um satte 50 Millionen Dollar abwarben, um kurz darauf wieder von der Bildfläche zu verschwinden. Mit Amazon im Hintergrund wird man bei Twitch deshalb entspannt auch auf den neuesten Mitbewerber blicken. Dennoch: Konkurrenz belebt das Geschäft, und bei einem längeren Bestehen von Kick muss Twitch vielleicht doch noch einmal die eigenen Verträge mit den Content-Schaffenden überdenken.

Eltern sollten in jedem Fall wachsam sein, was die eigenen Kinder auf Smartphone und Monitor künftig so schauen. Dank Kick könnten es bald mehr Glücksspiel-Streams sein als in der Vergangenheit. (Alexander Amon, 4.7.2023)