Hildesheim/Wien – Mit dem Aus der "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung hat nun die deutsche "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" den Titel als älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt inne. Für das Medienhaus ist das aber kein Grund zum Feiern. "Der Verlag hat sich entschieden, zurückhaltend mit dem Thema umzugehen", sagte der stellvertretende Chefredakteur des niedersächsischen Regionalblatts, Christian Wolters, auf APA-Anfrage. Man wolle sich nicht auf der Tradition des Hauses ausruhen.

"Ja, wir sind stolz auf unsere lange Geschichte, weil sie dokumentiert, dass sich der Verlag mit klugen Entscheidungen und guter Arbeit über eine derart lange Zeit erfolgreich am Markt behauptet hat. Aber wir wissen eben auch, dass es für ein modernes Medienhaus nicht ausreicht, sich auf seiner Tradition auszuruhen. Wir wollen für mehr stehen als für den Claim, die Ältesten zu sein", so Wolters. Gewichtiger Grund für die Zurückhaltung sei zudem, dass es noch eine Reihe anderer Zeitungen zum Beispiel im italienischen Mantua oder im niederländischen Haarlem gebe, die von sich sagen, sie seien die ältesten der Welt.

Erste Ausgabe 24. Juni 1705

Die erste Ausgabe der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung", die im Lauf der Jahrhunderte mehrere Namens- und Eigentümerwechsel durchlief, erschien am 24. Juni 1705 und damit mehr als ein Jahr später als die erste Ausgabe der "Wiener Zeitung". Auch so manche Erscheinungspause wurde von dem privat geführten Regionalblatt, für das derzeit 30 Personen in der Redaktion arbeiten, überdauert.

Die "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" darf sich nach dem Ende der "Wiener Zeitung" in gedruckter Form "älteste Tageszeitung der Welt" nennen.
Screenshot hildesheimer-allgemeine.de

Wie blieb sie über all die Jahre relevant? "Dadurch, dass sie sich verändert hat", meinte Wolters. Formate und Themen richten sich an den Interessen der Leserschaft aus. Überregionale Nachrichten werden vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zugeliefert. "Zudem sind wir längst mehr als die gedruckte 'Hildesheimer Allgemeine Zeitung', dem trägt auch der Workflow in der Redaktion Rechnung, der konsequent aufs digitale Publizieren und unsere digitalen Angebote ausgerichtet ist." Damit sei man nach wie vor wirtschaftlich erfolgreich, auch wenn die Auflage wie bei so vielen Medienhäusern zurückgehe.

Über das von der türkis-grünen Regierung per Gesetz beschlossene Aus der "Wiener Zeitung" als tägliches Printprodukt und die damit einhergehenden Proteste weiß man auch bei der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung" Bescheid. "Aber wir maßen uns kein Urteil dazu an, weil sich das Geschäftsmodell natürlich stark von unserem unterscheidet und wir nicht alle Details, die zur Entscheidung der Politik geführt haben, kennen und bewerten können." Ob in Hildesheim mehr Wert auf Tradition gelegt wird? Indikator könnte die 300-Jahr-Feier 2005 sein, sagte Wolters. Damals kam etwa der damalige deutsche Kanzler und auch der spätere Bundespräsident in die Stadt. Auch wurde das Thema von anderen Medien vielfältig aufgegriffen. (APA, 4.7.2023)