Patriot
Die Schweiz will sich nun auch mit seinem Patriot-Luftverteidigungssystem am Sky Shield beteiligen.
REUTERS/KACPER PEMPEL

APA – Jetzt will sich auch die Schweiz am europäischen bodengestützten Luftverteidigungssystem Sky Shield beteiligen. Verteidigungsministerin Viola Amherd wird am Freitag in Bern eine entsprechende Absichtserklärung unterschreiben. Eine Beteiligung sei auch für neutrale Staaten in vielen Bereichen möglich, erklärte das Verteidigungsministerium in Bern am Dienstag. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht die geplante österreichische Beteiligung an Sky Shield dadurch bestätigt.

Nehammer sieht "veränderte Bedrohungslage"

Die Unterzeichnung soll beim regelmäßigen trilateralen Treffen der Verteidigungsminister Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in Bern erfolgen. Teilnehmen werden neben Amherd auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihr deutscher Amtskollege Boris Pistorius. Die neutralen Staaten Schweiz und Österreich schreiben ihre neutralitätsrechtlichen Vorbehalte demnach in einer Zusatzerklärung fest. Diese schließt beispielsweise die Teilnahme an internationalen Konflikten aus, wie das Berner Außenamt schrieb. Jedes Land kann demnach das Ausmaß seiner Beteiligung am Luftschild selbst definieren. Das Schweizer Außenministerium nennt als Beispiel sein Patriot-Luftverteidigungssystem.

"Dass sich nun auch die Schweiz entschlossen hat, am Europäischen Luftverteidigungssystem teilzunehmen, zeigt deutlich, dass es gerade für wehrhafte neutrale Staaten höchste Priorität hat, die Neutralität und die Bevölkerung erfolgreich zu schützen", freute sich Nehammer in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Sky Shield ist ein Schutzschild, an dem Österreich und die Schweiz nun teilhaben werden, um uns für die veränderten Bedrohungslagen zu rüsten. Es ist ein sicherheitspolitischer Meilenstein, dass wir unseren Luftraum im europäischen Verbund schützen – denn kein Staat in Europa wäre in der Lage, das auf sich allein gestellt in dieser Form zu bewältigen."

Frage, wer Abschussbefehl erteilt, zentral

Der Europarechtsexperte Walter Obwexer sieht eine Teilnahme Österreichs am Sky Shield nur dann als mit der Neutralität vereinbar, wenn das Kommando in Österreich bleibe. "Zunächst zielt die European Sky Shield Initiative (ESSI) auf die gemeinsame Beschaffung von Luft- und Raketenabwehrsystemen, gemeinsame Schulungen und Übungen, die gemeinsame Wartung, den Informationsaustausch ab. Das ist neutralitätsrechtlich kein Problem", erklärte der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck im Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe).

Entscheidend ist allerdings die Frage, wer den Abschussbefehl erteilt. "Wenn ein solches Abwehrsystem auf österreichischem Boden stationiert wird, müsste Österreich selbst den Befehl geben", betonte Obwexer und ergänzte: "Beim European Sky Shield wird allerdings daran gedacht, dass das System dem Nato-Oberbefehlshaber, der für Luftverteidigung der Allianz verantwortlich ist, unterstellt werden könnte. Da kann Österreich nicht mit, denn dann trifft die Entscheidung der Nato-Oberbefehlshaber in Brüssel, nicht Österreich." Sollte Österreich doch den Wunsch äußern, das Kommando an jemanden auszulagern, müsse es das Bundesverfassungsgesetz zur Neutralität ändern oder einen eigenen Artikel schaffen. Auch bei einer allfälligen Beistandsklausel müsste Österreich sein Verfassungsgesetz zur Neutralität ändern.

Israel als Vorbild

Die European Sky Shield Initiative ging im August 2022 vom EU- und Nato-Land Deutschland aus und umfasst derzeit 17 Länder. Sie bezweckt, Beschaffungsvorhaben zur bodengestützten Luftverteidigung besser zu koordinieren und allenfalls zu bündeln. Beteiligt sind die Nato-Mitglieder Großbritannien, die Slowakei, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien, Estland sowie Norwegen. Im Februar schlossen sich auch Dänemark und der Nato-Beitrittskandidat Schweden dem Projekt an.

Sky Shield soll vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen. Vorbild dabei ist der israelische Iron Dome. (APA, 4.7.2023)