Die Kunststofftochter der OMV steht im Zentrum von Überlegungen, die von der staatlichen Ölgesellschaft Adnoc aus den Emiraten zur Schaffung eines neuen Chemiegiganten gewälzt werden.
Die Kunststofftochter der OMV steht im Zentrum von Überlegungen, die von der staatlichen Ölgesellschaft Adnoc aus den Emiraten zur Schaffung eines neuen Chemiegiganten gewälzt werden.
APA/ROBERT JAEGER

Die Nachricht, dass der staatliche Ölkonzern Abu Dhabis, Adnoc, mit dem langjährigen Partner OMV Pläne zur Schaffung eines neuen Kunststoffgiganten verfolgt, hat zunächst für positive Stimmung an den Märkten gesorgt. Aus der Fusion von Borouge, dem Joint Venture von Adnoc und Borealis in den Emiraten, mit der OMV-Kunststofftochter Borealis könnte ein Unternehmen mit einem Marktwert von gut 30 Milliarden Euro entstehen. Die Aktienkurse sowohl von Borouge als auch von OMV haben kräftig zugelegt.

Frage: Wer ist Adnoc?

Antwort: Adnoc steht für Abu Dhabi National Oil Company, die staatliche Ölfirma der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sitz des Unternehmens ist Abu Dhabi. Das Emirat ist seit 1967 Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), die VAE als Staatenbund sind 1974 der Opec beigetreten.

Frage: Welche Verbindungen gibt es zwischen Abu Dhabi und der OMV?

Antwort: Ende 1994 erwarb die Investmentgesellschaft des Emirats, die International Petroleum Investment Company (Ipic), 19,6 Prozent der OMV-Anteile. Der Anteil an Österreichs größtem Industriekonzern ist zwischenzeitlich auf 24,9 Prozent gestiegen, die Anteile wurden zunächst von Ipic an den Staatsfonds Mubadala übertragen und gingen von diesem in den Besitz von Adnoc über. Die Anteile sind mit den 31,5 Prozent der staatlichen Beteiligungsholding Öbag syndiziert, die dem Finanzminister untersteht.

Frage: Gibt es noch andere Anknüpfungspunkte?

Blick auf das Headquarter von Adnoc in Abu Dhabi, der staatlichen Ölgesellschaft der Emirate.
Die Abu Dhabi National Oil Company, kurz Adnoc, ist Kernaktionär der OMV und zu 25 Prozent auch an Borealis beteiligt.
APA/AFP/GIUSEPPE CACACE

Antwort: Einmal Borouge, das Gemeinschaftsunternehmen, das mit Borealis fusioniert werden soll, und Borealis selbst. Borouge wurde 1998 von Adnoc und Borealis als strategisches Joint Venture gegründet mit dem Ziel, ein weltweit führender Anbieter innovativer Polyolefinlösungen für Landwirtschaft, Infrastruktur, Energie, Verpackungen, Mobilität und für das Gesundheitswesen zu werden. Vor gut einem Jahr wurde das Unternehmen an der Abu Dhabi Securities Exchange gelistet, der Börsengang spielte zwei Milliarden Dollar ein.

Frage: Und Borealis?

Antwort: Die Unternehmensgründung geht auf Neste Oil aus Finnland und Statoil aus Norwegen zurück, die 1994 ihr Petrochemieaktivitäten in das neu geschaffene Unternehmen Borealis ausgegliedert haben. 1998 hat die OMV ihr Petrochemiegeschäft, das unter PCD (Petrochemie Danubia) firmierte, in Borealis eingebracht. OMV und Ipic übernahmen dabei von Neste Oil den Hälfteanteil an Borealis. Als sich auch Statoil zurückzog, wurde der Firmensitz von Kopenhagen nach Wien verlegt.

Frage: Wie ist das Beteiligungsverhältnis bei Borealis?

Antwort: OMV hält seit der letzten Aufstockung im Jahr 2020 nunmehr 75 Prozent an Borealis, Adnoc ist mit 25 Prozent beteiligt. Damals legte OMV 3,8 Milliarden Euro für zusätzliche 36 Prozent an Borealis aus – und wurde teils heftig kritisiert. Der Kaufpreis sei überzogen gewesen, hieß es, was nachträgliche Gutachten aber relativierten. Zu einer Aufstockung der Anteile auf 100 Prozent, wie dies mündlich besprochen war, ist es nicht gekommen.

Frage: Warum ist Adnoc gerade jetzt so massiv an einer Fusion interessiert?

Luftaufnahme vom Industriekomplex Borouge in Ruwais, VAE.
Borouge ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Adnoc und Borealis (im Bild die Produktionsstätte in Ruwais am Arabischen Golf.
REUTERS

Antwort: Adnoc bereitet sich auf die Zeit vor, wenn Öl und Gas nicht mehr die Rolle spielen wie jetzt. Naheliegend ist eine Expansion im Bereich Veredelung von Öl und Gas, also eine Vertiefung der Wertschöpfungskette. Chemische und petrochemische Produkte können in Zukunft viel Geld bringen, CO2-mäßig ist jede Strategie weg vom Verbrennen fossiler Rohstoffe sowieso ein Gewinn.

Frage: Verfolgt diese Strategie nicht die OMV auch?

Antwort: So ist es. Die OMV hat im Frühjahr 2022 eine neue Strategie präsentiert, derzufolge man sich künftig stark auf Chemie, Recycling und Kreislaufwirtschaft konzentrieren wolle.

Frage: Wem würde die Zusammenlegung etwas bringen?

Antwort: Die Zusammenlegung von Borouge und Borealis würde einerseits die Eigentümerstruktur vereinfachen, andererseits zusätzliche Skaleneffekte und einen verbesserten Marktauftritt bringen.

Frage: Wie weit sind die Gespräche gediehen?

Antwort: Noch werde sondiert, schreibt die Agentur Bloomberg, formelle Verhandlungen könnten in den kommenden Wochen aufgenommen werden – oder auch nicht.

Frage: Kann das Projekt scheitern?

Antwort: Selbstverständlich, zumal gerade im vorliegenden Fall staatliche Interessen eine besonders große Rolle spielen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wo das Headquarter des prospektiven neuen Unternehmens sein wird – Österreich oder Abu Dhabi –, sondern auch und nicht zuletzt um Mitspracherechte.

(FRAGE & ANTWORT: Günther Strobl, 6.7.2023)