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Rückendeckung bekommt die Bank aus der Politik.
REUTERS/LEONHARD FOEGER

Wien – Die wegen ihres Russland-Geschäfts unter internationalem Druck stehende Raiffeisen Bank International (RBI) kommt drei Insidern zufolge mit ihren Ausstiegsplänen nur schleppend voran. Der von Bankchef Johann Strobl genannte Zeitplan für eine mögliche Abspaltung des Russland-Geschäfts dürfte kaum noch zu schaffen sein: Im Mai hatte der Manager einen möglichen Spin-off bis Ende September in Aussicht gestellt, für den eine außerordentliche Hauptversammlung im August nötig wäre. Doch eine Entscheidung steht weiterhin aus. Kritiker werfen der Bank vor, dass sie einen Ausstieg nicht ernsthaft verfolge, sondern darauf hoffe, dass der Krieg bald endet.

Die Bank steht wegen ihres Russland-Geschäfts, das milliardenschwere Gewinne einfährt und der größte Ertragsbringer ist, unter starkem Druck von Investoren, Bankenaufsicht und US-Sanktionswächtern. Seit Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 prüft das Institut die möglichen Optionen, die im Frühjahr auf einen Verkauf oder eine Abspaltung eingegrenzt wurden. Die RBI erklärte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, sie treibe weiterhin potenzielle Transaktionen voran, die zum Verkauf oder zur Abspaltung des Russland-Geschäfts führen würden. Die Frage, ob der Zeitplan noch zu halten ist, ließ die Bank unbeantwortet.

Rückendeckung aus der Politik

Aus der Politik bekommt die RBI, die als Hausbank der konservativen Regierungspartei ÖVP gilt, Rückendeckung. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) habe Mitte Juni mit dem obersten US-Sanktionsbeauftragten Brian Nelson gesprochen und eine Zusammenarbeit zugesagt, sagte eine mit der Situation vertraute Person. Auf Anfrage von Reuters teilte Brunner mit: "Natürlich ist das keine unkomplizierte Situation, und eine Bank kann ein solches Land nicht von heute auf morgen verlassen." Zudem wünsche er sich generell eine differenziertere Betrachtung in der Debatte. "Es wird immer so getan, als ob nur eine Bank oder ein österreichisches Unternehmen dort geblieben wäre." Zuvor hatte auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gesagt, dass die RBI nicht herausgegriffen werden sollte, da sich nur wenige Firmen aus dem Land zurückgezogen hätten.

Auch Notenbank-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann habe das Thema bei EZB-Präsidentin Christine Lagarde zur Sprache gebracht, sagte einer der Insider. Die Notenbank und die Europäische Zentralbank (EZB) wollten sich nicht dazu äußern.

Der RBI gehe vor allem darum, wie sie das in Russland gebundene Kapital von etwa vier Milliarden Euro aus dem Land herausbekomme, sagte eine der Personen. "Es könnte sein, dass das Thema schadensminimierender Verkauf in absehbarer Zeit nicht realistisch erscheint", so die Person. Derzeit gebe es zwar insbesondere einen Kaufinteressenten, aber die Gespräche würden nur schleppend laufen. Denkbar sei, dass die Bank mit einem Minderheitsanteil in Russland bleibt oder bleiben muss, sagte der erste Insider. Grund dafür seien enge Vorgaben des russischen Präsidialamts.

Druck der Europäischen Zentralbank

Fest steht: Eine Abspaltung ist – so wie ein Verkauf – kein leichtes Unterfangen. Erschwert würden die Verhandlungen auch wegen den jüngsten Turbulenzen in Russland nach dem Marsch der russischen Söldnergruppe Wagner auf Moskau, durch Streitereien unter den Eigentümern über die Zukunft des Russland-Geschäfts und durch den Druck der EZB, die darauf drängt, dass sich die Banken aus Russland zurückziehen, sagten die drei Insider. Die EZB mache bei den Banken dafür Druck, weil ein großes Reputationsrisiko damit verbunden sei, weiterhin in Russland zu operieren, sagte Bankenaufseher Andrea Enria.

"Seit es häufiger Aussagen von Enria gibt, hört die Bank das auch von den Kaufinteressenten", sagte einer der Insider. "Die denken, die RBI wird ohnedies aus dem Markt gedrängt, wir brauchen nur abzuwarten, eine Übernahme wird dann billiger." Ein anderer Insider sagte, die EZB habe die RBI gedrängt, in diesem Jahr keine Dividenden auszuschütten, weil sie Bedenken wegen Russland hat. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab. Die RBI selbst hatte die Entscheidung über eine Dividendenzahlung für 2022 verschoben, nachdem ursprünglich eine Ausschüttung von 80 Cent je Aktie angekündigt worden war. Begründet wurde dies mit den Unsicherheiten rund um den Ukraine-Krieg.

Abspaltung als "sehr realistische" Option

Eine Abspaltung sei eine "sehr realistische" Option, obwohl dafür eine Vielzahl an Genehmigungen eingeholt werden müssten, sagte einer der Insider. Sobald der Aufsichtsrat zugestimmt habe, wolle das Management noch die Genehmigung der EZB abwarten, bevor die Aktionäre bei einer außerordentlichen Hauptversammlung darüber abstimmen sollen. Zwei mit der Situation vertraute Personen sagten, der Plan müsse den EZB-Aufsehern noch vorgestellt werden. Bis alle Genehmigungen vorlägen, werde es mehrere Monate dauern, sagte einer der Insider.

Einige der acht Raiffeisen-Landesbanken, die zusammen knapp 59 Prozent an der RBI halten, lehnen einem Insider zufolge eine Abspaltung ab, da sie dann direkte Miteigentümer der russischen Einheit wären. Die RBI hat angedacht, dass jeder RBI-Aktionär im Falle einer Abspaltung zwei Aktien besitzt: eine für die RBI ohne Russland und Belarus und eine zweite für das Russland-Geschäft. Die Aktien der Russland-Gesellschaft sollen dann an einer europäischen Börse notieren. Dem zweiten Insider zufolge soll es möglich sein, im Zuge der Abspaltung Anteile zu verkaufen. "Dass es dann eine gewisse Veränderung in der Eigentümerstruktur geben würde, davon kann man ausgehen."

Unterdessen strebt die RBI nach eigenen Angaben eine weitere Verkleinerung des Russland-Geschäfts an. Mit der Vorlage der Halbjahreszahlen Anfang August werde man sehen, dass der Anteil Russlands am Gesamtertrag deutlich gedrückt worden sei, sagte die erste Person. Zum Jahresauftakt hatte die RBI den Gewinn in dem Land, das Krieg gegen die Ukraine führt, auf 301 von 96 Millionen Euro verdreifacht. Russland trug damit fast die Hälfte zum Konzerngewinn der Mutter bei.

Seit drei Jahrzehnten in Russland aktiv

Die RBI ist seit 30 Jahren in Russland aktiv, ihre Tochter dort zählt rund 2.600 Firmenkunden, vier Millionen Privatkunden und über 10.000 Mitarbeiter. Sie ist die wichtigste westliche Bank und gilt als Brücke in den Westen. Sie ist laut RBI auch die Hausbank von 70 diplomatischen Vertretungen, darunter 24 aus europäischen Ländern.

Nach wie vor in Russland aktiv ist auch die italienische UniCredit, die im Gegensatz zur RBI keinen Rückzug angekündigt hat. Die italienische Großbank steht bei der EZB ebenfalls auf dem Prüfstand. Eine aktuelle Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters zum Russland-Geschäft ließ die UniCredit unbeantwortet. Sie verwies lediglich auf eine frühere Präsentation, aus der hervorgeht, dass sie ihr Geschäft in Russland verkleinert hat. Aber auch einige amerikanische Institute wie etwa die Bank of America bleiben in Russland.

Offen ist, wie die Untersuchung der US-Sanktionsbehörde Office of Foreign Assets Control ausgeht. Die Amerikaner hatten der RBI im Januar einen Brief mit Fragen rund um das Zahlungsverkehrsgeschäft in Bezug auf Russland und die Ukraine geschickt. Die RBI erklärte, dabei sei es nicht um bestimmte Transaktionen gegangen. Insidern zufolge hat die Bank bereits große Mengen an Daten an die Behörde geschickt. Einer der Insider sagte, die Herausgabe von Daten könnte eine Bedrohung darstellen, wenn Zahlungen entdeckt würden, die gegen Sanktionen verstoßen. Die RBI erklärte laut früheren Angaben, dass die Bank über Richtlinien und Verfahren verfüge, die die Einhaltung aller Sanktionen sicherstellen. Die USA können bei Sanktionsverstößen Geldstrafen verhängen und der Bank als härteste Konsequenz den Zugang zum Dollar-Clearing verwehren. (APA, 6.7.2023)