Adelheid Wölfl aus Lipa

Lipa Migration
Um das umstrittene Haftzentrum gelten strikte Regeln.
Der Standard/Adelheid Wölfl

"Gehen Sie weg hier!" Die Wachebeamten im Aufnahmezentrum für Migranten und Migrantinnen im bosnischen Lipa sind instruiert, Journalisten wegzuschicken, auch wenn die nur auf der Straße vor dem Lager mit ein paar Leuten reden. Journalisten haben in den vergangenen Wochen ganz offensichtlich zu viele Fragen gestellt. Etwa über die umzäunten Container in dem Aufnahmezentrum, eine Art Kurzzeit-Haftraum, in dem Migranten, die strafrechtlich auffällig wurden oder aus anderen Gründen festgehalten werden, bis zu 72 Stunden untergebracht werden könnten.

Die Hafteinheit, die noch nicht in Betrieb ging, befindet sich neben den riesigen Schachfiguren, den Fitnessgeräten und dem Zelt, das als Moschee dient, im unteren Teil des Aufnahmezentrums. Der Zaun ist hier höher und mit grünem Stoff umgeben. Das Camp Lipa ist in diesen Tagen fast leer, etwa 100 Migranten, vor allem aus Nordafrika, machen hier Zwischenstation. Sie waschen ihre Wäsche, telefonieren mit Angehörigen oder tratschen mit anderen Migranten. Sie werden mit Essen versorgt und können in den Containern schlafen. Auch eine Quarantänestation gibt es, in der zurzeit zwei Afghanen und ein Marokkaner darauf warten, dass sich ihre Haut von der Krätze erholt.

Zumeist Lob für Aufnahmezentrum

Die meisten der Bewohner und Bewohnerinnen loben das Aufnahmezentrum Lipa. Es steht unter der Leitung der Ausländerbehörde des Sicherheitsministeriums von Bosnien-Herzegowina. Die Betreuung wird auch von Leuten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) übernommen. Manche Migranten kehren freiwillig, auch mit Hilfe von IOM in ihre Heimatstaaten zurück – bislang waren das in diesem Jahr 350 Personen.

Laut der Ausländerbehörde sind insgesamt zurzeit 1.093 Migranten in Bosnien-Herzegowina untergebracht, davon 843 im Kanton Sarajevo und nur etwa 250 an der kroatischen Grenze im Kanton Una-Sana. Die meisten kommen laut Ausländerbehörde aus Afghanistan, Marokko, Kuba, Bangladesch und Pakistan.

Lipa Aufnahmezentrum Migration
Die Hafteinheit in Lipa sorgt für Unmut.
Der Standard/Adelheid Wölfl

Über die Hafteinheit sprechen die Migranten in Lipa nicht, vielleicht auch, weil sie so weit weg vom Hauptteil des Aufnahmezentrums liegt, dass sie gar nicht in die Nähe kommen. Doch vieles bleibt rund um das Haftzentrum unklar. Der STANDARD hat der EU-Delegation in Sarajevo am 8. Juni, also bereits vor einem Monat, wieder Fragen dazu gestellt, die bis heute, trotz häufiger Nachfragen nicht beantwortet werden, was höchst ungewöhnlich ist. So beantwortet die EU-Kommission etwa die Frage nicht, wann das Haftzentrum in Betrieb genommen werden soll und ob es richtig ist, dass die Baugenehmigung für die Hafteinheit im Aufnahmezentrum fehlt.

Viele offene Fragen zur Hafteinheit

Der Grund dafür dürfte sein, dass man zugeben müsste, dass die gesamte Entstehungsgeschichte dubios ist. Zurzeit ist noch nicht mal klar, wer eigentlich für die Hafteinheit zuständig ist. Auf Anfrage des STANDARD schreibt nämlich die Ausländerbehörde, dass die Hafteinheit "derzeit nicht der Zuständigkeit des Dienstes für Ausländerangelegenheiten" unterliege. "Der Status wird in nächster Zeit von den Institutionen Bosnien und Herzegowinas geklärt", heißt es.

Lipa Migration
Lipa liegt an der Grenze zu Kroatien.
APA

Offenbar existiert das Haftzentrum zurzeit also in einem rechtsfreien Raum. Das Zentrum wurde im Übrigen vom in Wien ansässigen Internationalen Zentrum für die Entwicklung der Migrationspolitik (ICMPD) erbaut, das wiederum von Michael Spindelegger (ÖVP) geleitet wird. Auch der Bau erfolgte laut der Stadt Bihać ohne vorherige Genehmigung. Edin Moranjkić vom Rathaus in Bihać teilt dem STANDARD mit: "Gemäß der gültigen städtebaulichen Genehmigung ist die Errichtung einer Hafteinheit auf dem Gebiet des gesamten Lagers nicht vorgesehen, an der Stelle, an der diese errichtet wurde, soll eigentlich eine Erholungszone (Sportanlage) errichtet werden.“

Die ausschließliche Zuständigkeit für die Erteilung von Baugenehmigungen liege in der Causa bei der Stadt Bihać, "die derzeit jedoch keinerlei Baugenehmigung erteilt hat“, so Moranjkić. Offen bleibt also, weshalb bei der Einreichung der Pläne für die Baugenehmigung des Aufnahmezentrums die Hafteinheit gar nicht erwähnt wurde. Unklar ist auch, weshalb angegeben worden war, dass dort eine Sportanlage stehen sollte. Es sieht danach aus, als habe man etwas verschleiern wollen – obwohl Hafteinheiten in Aufnahmezentren für Migranten eigentlich nichts Außergewöhnliches sind.

Das Verfahren zur Erteilung von Baugenehmigungen werde von der Stadt Bihać als Ganzes für das gesamte Lager und nicht für einzelne Teile durchgeführt, erklärt Moranjkić. "Bis zu diesem Zeitpunkt wurde auch noch kein Legalisierungsverfahren für die entstandene Hafteinheit ohne Baugenehmigung eingeleitet", fügt er hinzu.

ADA und Innenministerium am Bau beteiligt

Wer in diesen Tagen am Aufnahmezentrum Lipa, in dem schon tausende Menschen Unterschlupf und Verpflegung bekommen haben, vorbei geht, wird aber zumindest auf einer Tafel darüber aufgeklärt, wer zur Errichtung des Zentrums beigetragen hat. Neben dem deutschen Technischen Hilfswerk, ist das etwa das italienische Außenministerium, die österreichische Agentur zur Entwicklungszusammenarbeit ADA und das österreichische Innenministerium.

Das passt auch zum gemeinsamen Auftreten von Außenminister Alexander Schallenberg und seinem italienischen Kollegen Antonio Tajani in Bosnien-Herzegowina, wo die beiden fast ausschließlich über Migration sprachen, obschon das in dem südosteuropäischen Staat ein absolutes Randthema ist, angesichts der wirklich staatsbedrohenden Krisen, die permanent von Nationalisten geschaffen werden und dem Versagen westlicher Kräfte in dieser Frage. (Adelheid Wölfl, 7.7.2023)