Gamescom
Neue Hardware auszuprobieren gehörte auf der Gamescom immer zu den Highlights. Ein VR-Headset oder einen neuen Controller kann man sich eben nicht als Demo downloaden.
STANDARD, aam

Am 5. Juli lässt Microsoft offiziell wissen, dass der US-Konzern samt seinem Herzeigestudio Bethesda auf der Gamescom vertreten sein wird. Weniger als sieben Wochen vor dem Event ein wichtiges Lebenszeichen für die in den letzten Jahren durch Corona und andere Faktoren schwächelnde Games-Messe. Dafür sagte wenige Tage zuvor THQ Nordic die Teilnahme ab, obwohl der Publisher mit Sitz in Wien im vergangenen Jahr noch 1.000 Quadratmeter mit seinen Neuheiten bespielt hatte. 

Man muss hoffen, dass die Messe-Verantwortlichen solche Informationen früher bekommen als die Öffentlichkeit, aber selbst dann erschweren solche kurzfristigen Entscheidungen mit Sicherheit die Planung – und was noch viel wichtiger ist, den Kartenvorverkauf, den man bei solchen Großereignissen nicht unterschätzen darf.

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Hand an neue Spiele anlegen war sicher eine Hauptmotivation, die Messe in der Vergangenheit zu besuchen.
IMAGO/Christoph Hardt

Soll ich, oder soll ich nicht?

Eine Messe zu besuchen ist nicht günstig. Auch die Gamescom hat in den letzten zwei Jahren die Preise noch einmal spürbar erhöht. Dafür will der geneigte Gamer aber auch etwas geboten bekommen. Mit langen Schlangen bei großen Titeln rechnen die meisten Besucherinnen mittlerweile, aber wenn nicht einmal die großen Titel vor Ort sind, kann man auch gleich zu hause bleiben, oder?

Auch im Vorjahr gab es große Absagen. Electronic Arts, Nintendo und Sony verweigerten die Reise nach Köln. Aber während der Playstation-Konzern wohl endgültig mit der ehemals größten Games-Messe der Welt abgeschlossen hat und auch EA eine Zusage für dieses Jahr schuldig bleibt, will Nintendo zurückkehren. Auch hier musste man auf eine offizielle Ansage des japanischen Traditionsunternehmens bis Anfang Juli warten. Frühbucherboni für Flug oder Hotel kann man sich als potenzieller Gast deshalb zu diesem Zeitpunkt eher abschminken. 

Lediglich sechs fixe Zusagen finden sich aktuell auf der Website der Messe. Neben den bereits erwähnten Konsolenherstellern Nintendo und Microsoft scheinen noch Ubisoft, Astragon / Team 17, Bandai Namco und die Tencent-Sparte Level Infinite auf dem Lageplan auf. Andere ehemalige Fixstarter wie Capcom, Konami, Wargaming oder Warner Bros. bleiben der Messe offenbar fern. Sogar Sega, im letzten Jahr noch einer der größten Stände, fällt ähnlich wie THQ Nordic überraschend aus.

Ursachenforschung

Auch für die Firmen sind Messestände teuer geworden. Abgesehen davon, dass viele lokale Niederlassungen schließen mussten, werden wohl auch die Kosten auf der Gamescom der Inflation angepasst worden sein. Tatsächlich gab es in diesem Jahr schon zahlreiche Erfolgsmeldungen, was offenbar Geld in die Kassen der Publisher gespült hat. 15 Millionen Mal verkaufte sich "Hogwarts Legacy", "The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom" schaffte in weniger Wochen bereits über zehn Millionen Stück, und zahlreiche Titel und Remakes konnten zumindest die Millionenmarke knacken.

Aber wie man an den Verkaufszahlen erkennt, viele Spiele wurden bereits veröffentlicht. Ohne Marken, die man unbedingt noch einmal herzeigen will, lohnt ein Auftritt ohnehin nicht. Microsoft will offenbar noch einmal die Werbetrommel für "Starfield" anstimmen, Ubisoft hat mehrere Titel, die sie in diesem Jahr noch verkaufen wollen, darunter ein neues "Assassin's Creed". Bei Nintendo wird man mit Sicherheit einen Blick auf das neue "Super Mario Bros Wonder" werfen dürfen, und Bandai Namco hat sicher unter anderem das neue "Naruto"-Game im Gepäck.

Früher hätte man wohl auch noch ein "Spider-Man 2", ein "Alan Wake 2" oder auch "Mortal Kombat" auf der Messe gesehen – diese Zeiten scheinen allerdings vorbei zu sein. Viele Publisher versorgen übers Jahr verstreut die Fans mit Trailer-Vorschauen und buchen lieber in den einzelnen Stores eine Verkaufskachel im Feld "Demnächst erhältlich". Außerdem feiern Demos ein Comeback, das heißt, ist man von seinem Produkt überzeugt und glaubt, eine Stunde mit dem Spiel lässt die Vorbestellerzahlen nach oben gehen, dann gibt es auch diese Möglichkeit unabhängig von einer Messe.

Abseits der Spiele hat die Messe zudem in den letzten Jahren verstärkt auf Influencer gesetzt, die über das Gelände hofiert wurden. Durch Streamer wie MontanaBlack kam es deshalb zu großen Menschentrauben auf viel zu wenig Raum und mehreren Beschwerden nach dem Event. Auf "Gameswirtschaft.de" wurden nach der Messe einige Stimmen zusammengetragen. "Laut Augenzeugen kam es zu massivem Gedränge inklusive Beleidigungen, Belästigungen und Verletzungen von zufällig anwesenden Messebesuchern, die sich an den umliegenden Ständen, auf Fluren, Durch- und Übergängen oder Rolltreppen aufhielten."

In einer Stellungnahme reagierte die Messe erst einige Tage nach den Geschehnissen und versprach, solche Ereignisse künftig zu vermeiden. Gemeint war, dass Besuche von "High Profile"-Personen angemeldet werden müssen. Tatsächlich hatte "Monte" auf Twitter sein Kommen angekündigt, was aber offenbar nicht reichte. Hinzu kamen 2022 noch körperliche Auseinandersetzungen zwischen Youtubern, die medial natürlich ausgeschlachtet wurden. 

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Mit Auftritten von bekannten Influencern hat man sich nicht immer einen Gefallen getan.
IMAGO/Dwi Anoraganingrum

Es menschelt

Vor 20 Jahren war das alles noch ganz anders. Es war ein Traum, als 2002 eine Games-Messe dieser Größe in Europa ihre Pforten öffnete. Damals noch in Leipzig als Games Convention und wenige Jahre später als Gamescom in Köln. Die Begeisterung in den Gesichtern, Gleichgesinnte in dieser großen Anzahl zu sehen, gemeinsam überteuertes Merchandise zu kaufen und die kommenden Weihnachtshits schon einmal anspielen zu können – das war schon etwas sehr Magisches.

Über die Jahre jammerten die Besucherinnen mehr über zu lange Schlangen bei den wichtigen Titeln, teures Essen vor Ort und eben Influencer-Eskapaden, die wohl vor allem für die 20+-Community als besonders störend empfunden wurden. Auch die uneingeschränkte Begeisterung der Aussteller ließ nach, als Personal an den DACH-Standorten massiv eingekürzt wurde. Bei anderen, wie etwa Sony, scheint es ein Strategiewechsel zu sein, solche Messen nicht mehr zu besuchen, bei anderen in diesem Jahr – wohl auch THQ Nordic – muss man ein wenig mehr auf die Geldbörse achten.

Sind die Zeiten von Videospielmessen vorbei? Vielleicht. Community-Events im kleinen Rahmen, etwa das Level Up in Salzburg oder auch Cosplay-Conventions mit angeschlossenem Gaming-Teil, lassen sich offenbar einfacher stemmen beziehungsweise ist man hier weniger abhängig von internationalen Firmen, die offenbar kurzfristig entscheiden, ob sie 1.000 Quadratmeter buchen wollen oder eben nicht.

Der STANDARD wird in diesem Jahr in Köln sein und die vorhandenen Publisher besuchen. Zu diesem Zeitpunkt werden wir dann berichten, wie die Stimmung vor Ort ist und ob Gaming-Messen 2023 wirklich noch Sinn machen. (Alexander Amon, 9.7.2023)