Max Viessmann gibt ein Interview
Ist im Vorjahr seinem Vater Martin als Chef des Familienunternehmens nachgefolgt: Max Viessmann. Der Verkauf des Wärmepumpengeschäfts sei schmerzlich, insgesamt aber die richtige Entscheidung.
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Er stapelt tief, sagt Dinge wie "Ich bin Wirtschaftsingenieur, das heißt, ich kann weder BWL (Betriebswirtschaft, Anm.) noch Maschinenbau. Aber ich versuche, dass die Menschen das nicht so schnell sehen." Max Viessmann kommt zum Interview in Wien mit lässig um die Schulter gehängtem Rucksack. Und ist rasch bei der Sache.

STANDARD: Sie haben Ende April mit der Ankündigung, das Heizungsgeschäft inklusive Wärmepumpen zu verkaufen, für viel Aufregung gesorgt. Können Sie das nachvollziehen?

Viessmann: So etwas kann an der ein oder anderen Stelle natürlich für eine politisierte Diskussion genutzt werden. Aber ich sage ausdrücklich "kann" und nicht, dass das allgemein der Fall ist. Eines vorweg: Wir sind ein Familienunternehmen und bleiben auch eins. Wir haben uns entschlossen, den Geschäftsbereich Climate Solutions, also unsere Klimalösungen inklusive des Geschäfts mit Wärmepumpen, dadurch zu stärken, dass wir einen Zugang schaffen zu etwas, was wir selber nicht hätten nachbauen können.

STANDARD: Als da wäre?

Viessmann: Industrielle Größe. Und zwar in einem Bereich, wo wir historisch betrachtet bisher keinerlei Relevanz haben – der Klimageräteindustrie. Dort sind im Laufe der Zeit große Skalenvorteile entstanden, die jetzt eins zu eins im Wärmesegment genutzt werden können. Technisch sind Klimageräte und Wärmepumpen sehr ähnlich bei den Komponenten.

STANDARD: Das können Sie nicht aus eigener Kraft stemmen, mit all den klugen Köpfen im Haus und dem Know-how aus Zukäufen, die Sie eifrig getätigt haben?

Viessmann: Wir haben alle Optionen geprüft, wie wir dieses Geschäft bestmöglich und nachhaltig in die Zukunft führen können. Aus eigener Kraft tun wir alles, was in unserer Macht steht. Der Geschäftsbereich steht ausgezeichnet da und wächst profitabel. Was uns fehlt, ist die globale industrielle Größe, sowohl bei Komponenten als auch einzelnen Produkten, wie etwa Luft-Luft-Wärmepumpen. In Zukunft wird der Klimagerätemarkt außerhalb Europas, der über Jahrzehnte gewachsen ist, entscheidend dafür sein, wie wettbewerbsfähig das Wärmepumpengeschäft in Europa ist. Deshalb stärken wir unser Klimalösungsgeschäft durch die Partnerschaft mit Carrier Global.

STANDARD: Verkaufen heißt aber, 85Prozent Ihres bisherigen Umsatzes aus der Hand zu geben.

Viessmann: Es ist eine transatlantische Partnerschaft, bei der wir auch in Zukunft engagiert bleiben. Schließlich bleiben wir mit einem Anteil von rund sieben Prozent an Carrier Global investiert und haben einen Sitz mit Stimmrecht im Verwaltungsrat.

STANDARD: Als Muttergesellschaft Viessmann Group sozusagen?

Logo der Viessmann Gruppe
Viessmann hat sich einen Namen gemacht als Hersteller von Heizungen, Klimaanlagen und Wärmepumpen. Gegründet wurde das Unternehmen vor 106 Jahren.
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Viessmann: Exakt. Die Viessmann Group wird weiter als unabhängiges Familienunternehmen aktiv sein. Im Übrigen wird es nicht allzu lange dauern, bis wir als Viessmann Gruppe wieder eine ähnliche Größenordnung erreicht haben werden.

STANDARD: Sie haben zuletzt eine Vielzahl an Akquisitionen getätigt, um sich zu stärken und fit für den anstehenden Transformationsprozess zu machen. Was war so falsch daran?

Viessmann: Das war alles goldrichtig, und wir werden genau so weitermachen. Viele der Akquisitionen, die wir in den vergangenen Monaten und Jahren getätigt haben, gehen über unser klassisches Klimalösungsgeschäft hinaus. Beispielsweise nehmen wir bei Nah- und Fernwärme, aber auch bei Rein- und Kühlräumen sowie bei der Automatisierung von Gewächshäusern eine führende Stellung ein. Auch mit dem dazugehörigen Servicegeschäft werden wir weltweit stark expandieren.

STANDARD: Was gab es noch für einen Beweggrund zu verkaufen?

Viessmann: Wir haben uns vor allem aus sozialer Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dafür entschieden, ihnen eine langfristige Perspektive zu geben.

Max Viessmann beim Nachdenken
Betont die soziale Verantwortung, die gerade auch ein Familienunternehmen wie Viessmann habe: Firmenchef Max Viessmann
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STANDARD: Sie sagen, Sie haben die langfristige soziale Sicherheit Ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fixiert, die sie sonst nicht gehabt hätten?

Viessmann: Drei Jahre Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen, eine fünfjährige Garantie für die Forschungs- und Produktionsstandorte sowie mindestens zehn Jahre Erhalt des Headquarters in Deutschland ...

STANDARD: ... was doch eher ungewöhnlich ist, oder?

Viessmann: Hochgradig ungewöhnlich, vor allem, wenn die Bedingungen schon vor der Unterschrift fixiert sind. Normalerweise wird das im Nachhinein eingefordert. Umso mehr lag es uns als Familienunternehmen am Herzen, diese Sicherheit von Anfang an zu gewährleisten.

STANDARD: Inwieweit haben die Diskussionen gerade um das Wärmegesetz in Deutschland Ihre Entscheidung beeinflusst?

Viessmann: Die Tatsache, dass sich in ganz Europa regulatorisch in sehr kurzer Zeit sehr viel verändert hat und noch verändern wird, hat sicherlich auch eine Rolle gespielt. Ich möchte aber nochmals darauf hinweisen: Wir haben nicht das Unternehmen verkauft, sondern einen Geschäftsbereich in eine transatlantische Partnerschaft eingebracht. Das erhöht unsere Unabhängigkeit gegenüber Wettbewerbern aus Asien.

STANDARD: Viessmann ist groß geworden mit Gasbrennern und hat gutes Geld damit verdient. Was wird aus diesem Geschäft in Zukunft?

Herstellung von Gasthermen in einem Werk von Viessmann
Auf denselben Produktionslinien, wo heute noch Gaswandgeräte produziert werden, kann Viessmann laut Eigenangaben rasch auf die Produktion von Wärmepumpen umswitchen.
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Viessmann: Wir sind der einzige Hersteller in Europa, der seine Produktion so ausgerichtet hat, dass auf denselben Montagelinien, auf denen heute Gaswandgeräte gefertigt werden, in Zukunft auch Inneneinheiten von Wärmepumpen montiert werden können. Damit geht das Geschäft fließend in den erneuerbaren Bereich über. Wir werden die Kapazitäten, die wir in Europa schon geschaffen haben, voll ausschöpfen.

STANDARD: Wie stehen Sie zum Aus für Gas- und Ölheizungen?

Viessmann: Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist alternativlos, Klimaschutz ist keine Klientelentscheidung. Die Frage ist, wie man die Transformation gestaltet, dass die Menschen mitgenommen und die sich bietenden Möglichkeiten sinnvoll ausgeschöpft werden.

STANDARD: Heißt konkret?

Viessmann: Die Wärmepumpe wird bei der Transformation die dominante Technologie sein, weil die Effizienz in der Ausbeute um den Faktor drei bis vier höher ist als bei einem verbrennungsbasierten Produkt. Gibt es Anwendungsfälle, wo beispielsweise auch Wasserstoff eine Relevanz haben wird? Auf jeden Fall! Ist die Hauptanwendung dafür der einzelne Gaskessel in den Häusern? Das muss man sehen. Unstrittig ist, dass Wasserstoff in der Prozesswärme eine tragende Rolle spielen wird. Sie ist für immerhin zehn Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich. Entscheidend ist letztlich, dass man nachhaltige Lösungen findet.

STANDARD: War die Verkaufsentscheidung ein schwieriger Akt?

Viessmann: Zweifelsohne. Das war und ist nach wie vor sehr schwierig für die Familie. Es war emotional eine sehr herausfordernde, aber rational betrachtet eine richtige Entscheidung.

STANDARD: Wie groß ist bisher der Anteil des Österreich-Geschäfts am Gesamtumsatz von Viessmann?

Viessmann: Bei den Lösungen, die zukünftig zu Carrier Global gehören, unter fünf Prozent. Als Viessmann Gruppe wollen und werden wir in Österreich stark wachsen. Beispielsweise mit unserer Beteiligung an Aqotec im Nah- und Fernwärmebereich.

(INTERVIEW: Günther Strobl, 8.7.2023)