Eine Frau wirft eine Regenbogenfahne in ein Feuer
Verwüstung am Areal der geplanten Pride-Veranstaltung.
REUTERS/IRAKLI GEDENIDZE

Tiflis – Hunderte ultrakonservative Nationalisten haben in der Südkaukasusrepublik Georgien ein Pride-Festival für Toleranz gestürmt und dort schwere Verwüstung angerichtet. Sie verbrannten Regenbogenfahnen, Plakate und andere Gegenstände in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi). Die Organisatoren machten am Sonntag das Innenministerium verantwortlich für den fehlenden Polizeischutz bei der angemeldeten Veranstaltung. Die Vertretungen der EU und der USA verurteilten die Gewalt.

Es gab demnach schwere Schäden an Ständen und einer Veranstaltungsbühne. Die Veranstaltung musste am Samstag abgebrochen werden, nachdem die Angreifer die Bühne zerstört und Regenbogenflaggen verbrannt hatten, wie eine der Organisatorinnen am Samstag vor Journalisten sagte.

Vorwurf der Mitwisserschaft

Georgische Medien berichteten, dass die Angreifer verschiedener rechter Organisationen schwulenfeindliche Parolen gerufen und die Umzäunung der Festes durchbrochen hätten. Auch Geistliche der georgisch-orthodoxen Kirche beteiligten sich demnach an einem Protestmarsch, der zunächst friedlich begonnen hatte. Das Fest hatte der Abschluss einer Woche mit verschiedenen politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen werden sollen. Verletzt wurde laut Polizei niemand.

In einer Erklärung beschuldigten die Organisatoren der Tifliser Pride-Woche die Regierung der Komplizenschaft mit gewalttätigen Anti-LGBTQ-Gruppen. Der Angriff sei "im Voraus koordiniert und mit dem Innenministerium abgesprochen" gewesen.

Das Innenministerium erklärte dagegen, den rechtsextremen Demonstranten sei es gelungen, Polizeiabsperrungen zu umgehen und den Veranstaltungsort zu erreichen. Mehrere Angreifer seien festgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Interpress.

Präsidentin kritisiert Regierung

Präsidentin Salome Surabischwili schrieb auf Twitter, die von der Verfassung garantierten Freiheiten auf Versammlung und freie Meinungsäußerung seien verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten versagt, das Pride-Festival zu schützen. Sie seien auch nicht gegen die Gewalt eingeschritten, kritisierte die prowestliche Staatschefin, die selbst kaum Machtbefugnisse hat. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass Veranstaltungen wir das Pride-Festival in Sicherheit stattfinden können. "Rede- und Versammlungsfreiheit sind Grundrechte, deren Verletzung nicht hinnehmbar ist."

Sie wirft der Regierung immer wieder prorussische Tendenzen vor. Offiziell strebt das Land in die EU. Kritiker beschuldigen die Regierung seit langem, homophobe und nationalistische Gruppen stillschweigend zu unterstützen. Im Jahr 2019 verbrannten Hunderte rechtsextreme Aktivisten in Tiflis Regenbogenflaggen, um gegen die Vorführung eines für den Oscar nominierten Films über Homosexuelle zu protestieren.

2013 hatten Tausende ultrakonservativer Anhänger der orthodoxen Kirche eine Kundgebung in Tiflis anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie gestört. Die Aktivisten mussten in von der Polizei bereitgestellte Busse steigen, um der wütenden Menge zu entkommen. Georgien gilt als sehr konservatives Land, die orthodoxe Kirche ist äußerst mächtig. Homosexualität wurde im Jahr 2000 entkriminalisiert.

Die EU-Botschaft in Tiflis zeigte sich "enttäuscht". "Diejenigen, die zu Gewalt aufrufen und Gewalt ausüben, müssen vor Gericht gestellt werden", teilte die Vertretung bei Twitter mit. Die US-Botschaft appellierte an die georgische Regierung, die grundlegenden Menschenrechte aller Georgier zu schützen. Es sei undemokratisch, Gewalt und Einschüchterung einzusetzen, um andere Ansichten zum Schweigen zu bringen. "Das läuft Georgiens Geschichte von Toleranz, Mitgefühl und Pluralismus zuwider." (APA, 9.7.2023)