Zumindest den Zahlen nach ist Meta der Start seines Twitter-Konkurrenten Threads gelungen. Obwohl die Plattform, die an das Social Network Instagram angehängt ist, zumindest vorläufig offiziell nicht in Europa startet, knackte sie am Samstag die Marke von 90 Millionen Mitgliedern und hat nach jüngsten Informationen nun auch die 100-Millionen-Schwelle geknackt.

Der Launch kam freilich nicht ohne Kontroversen aus. Twitter-CEO Elon Musk drohte, gegen Threads vor Gericht zu ziehen. Er warf dem Netzwerk vor, ehemalige Twitter-Angestellte angeheuert und Twitter abgekupfert zu haben. Eine Anschuldigung, die Meta prompt zurückwies. "Um eines klarzustellen: Niemand im Threads-Entwicklerteam ist ein ehemaliger Twitter-Mitarbeiter", so die Reaktion des Konzernsprechers Andy Stone. Man verstehe sich auch gar nicht als direkter Konkurrent zu Twitter, sondern wolle vorwiegend Instagram-User erreichen, die sich einen Ort für Debatten wünschen.

Vor dem Start wehte Threads auch erster Gegenwind aus dem rechten Lager der US-Politik entgegen. Während dort für Elon Musk zunehmend Sympathie herrscht, zumal dieser auch selbst immer wieder dessen Narrative und Verschwörungserzählungen aufgreift, steht man Meta-Chef Mark Zuckerberg kritisch gegenüber.

Meta streitet ab, dass Threads ein Twitter-Klon sei.
AP/Richard Drew

Diesen sieht man als regierungs- und zensurfreundlich, dazu gibt es Mutmaßungen, Threads sei auch nur gestartet worden, um ein Netzwerk zu etablieren, auf dem rechte Meinungen unterdrückt würden. Denn das, so die Erzählung, sei vor der Übernahme durch Musk ja auch auf Twitter der Fall gewesen. Randnotiz: Auch auf Facebook und Instagram wurden vor einiger Zeit die Richtlinien in Bezug auf die Verbreitung von Falschinformationen gelockert, und man hob auch die Sperre von Ex-Präsident Donald Trump wieder auf.

Rechtsextreme testen Moderationslimits

Ungeachtet der Vorwürfe zieht es dennoch bereits eine Reihe von Rechtsextremen zu Threads, wie die dem progressiven Spektrum zugeordnete NGO Mediamatters dokumentiert. Die prominentesten Neuzugänge dürften dabei Richard Spencer, Führungsfigur des weißen Nationalismus, und der Influencer Nick Fuentes sein. Letzterer brüstete sich damit, einen Fake Account angelegt zu haben, zumal er schon länger auf den von Meta betriebenen Plattformen gesperrt ist.

Seinen Anhängern riet Fuentes ebenfalls, sich auf Threads anzumelden. "Wenn ihr früh anfangt, kommen manche von euch vielleicht groß raus, und ein paar Leute dort redpillen", so eine Empfehlung. Unter "Redpilling", eine Referenz auf den ersten "Matrix"-Film, wird dabei eine Bekehrung anderer Nutzer hin zur eigenen, mit Verschwörungsnarrativen gespickten Weltanschauung verstanden.

Der Streamer Jon Miller stellte sich ein mit der Frage: "Kann ich in dieser App das N-Wort sagen, oder ist das ein großes No-Go?" Die Ausschreibung des rassistischen Schimpfworts für dunkelhäutige Menschen übernahmen für ihn andere Nutzer in den Antworten.

Jack Posobiec, der vor allem mit der Verbreitung des "Pizzagate"-Verschwörungsmythos bekannt wurde, schien zum Einstand bereits die Grenzen der Moderation austesten zu wollen. In einer Fülle an Nachrichten beschimpfte er Migranten und behauptete unter anderem, dass illegale Einwanderer mit der Hilfe von US-Präsident Joe Biden Kinder in die Prostitution verschleppt würden, Transfrauen nicht existierten und eigentlich Donald Trump die Präsidentschaftswahlen 2020 gewonnen habe.

Xaviaer DuRusseau, der sich für die rechtskonservative NGO Prageru verdingt, legte sich ebenfalls ein Konto an, warnt aber schon jetzt vor dem Bannhammer. "Wenn du denkst, es gibt nur zwei Geschlechter und dass ALLE Leben zählen (Anm. d. Red.: Eine Anspielung auf Black Lives Matter), dann richtet euch nicht zu bequem auf dieser App ein. Es ist nur eine Frage der Zeit, bevor wir alle zensiert und digital geköpft werden."

Neue Features im Anmarsch

Wie Threads, das laut Zuckerberg ein "offener und freundlicher Ort für Konversationen" sein soll, mit rechtsextremen Nutzern umgehen wird, bleibt abzuwarten. Auf technischer Ebene soll die derzeit noch auf Basisfunktionalitäten reduzierte App jedenfalls stark aufgerüstet werden.

Zum Start profitiert Threads auch von der großen Nutzerbasis von Instagram, das 2,4 Milliarden aktive Konten verzeichnet. Instagram-User können sich mit wenigen Klicks auch auf Threads einklinken, ihr Konto dort aber nicht separat löschen. Wer die neue Plattform wieder verlassen will, muss auch seinen Instagram-Account löschen. In Zukunft soll eine separate Entfernung möglich werden, verspricht Meta.

Ebenso angekündigt wurden eine algorithmisch gefüllte "Trends"-Seite, Hashtags und die Möglichkeit, eigene Postings zumindest kurzfristig zu bearbeiten. Instagram-Chef Adam Mosseri stellte zudem eine automatische Archivierungsfunktion für ältere Beiträge in Aussicht.

Langfristig soll Threads auch mit anderen Apps über das offene Activity-Pub-Protokoll kommunizieren können. Das würde eine Anbindung an das sogenannte Fediverse bedeuten, womit auch ein schneller Wechsel auf andere dort laufende App ermöglicht werden soll. Die bekannteste Fediverse-Plattform ist aktuell Mastodon, das nach der Twitter-Übernahme durch Musk für einige Wochen einen großen Zulauf an neuen Nutzern verzeichnete.

Ob Threads sich als Alternative zu Twitter etablieren kann, bleibt abzuwarten. Sollte sich das Wachstum auf aktuellem Niveau fortsetzen, könnte man Twitter bei den Nutzerzahlen binnen einiger Monate einholen. Musks Netzwerk kommt mit Stand von Ende 2022 auf rund 370 Millionen aktive Nutzer pro Monat. Daneben buhlen auch noch andere Plattformen um ähnliche User-Zielgruppen, darunter das vom Ex-Twitter-Chef Jack Dorsey betriebene Bluesky und das explizit als Antithese zu Musks Umgang mit Twitter ausgelegte Spoutible. (gpi, 10.7.2023)

Update, 11:40 Uhr: Threads hat nach jüngsten Angaben nun über 100 Millionen Mitglieder. Überschrift und Einleitung wurden entsprechend angepasst.