Passanten gehen an einem Galeria-Warenhaus in Berlin-Tegel vorbei. 
Die besondere Aufmerksamkeit der EZB für Finanzierungen des Immobilienimperiums Signa verdanken Europas Banken dem Absturz der Kaufhauskette Galeria Karstadt-Kaufhof.
REREUTERS/Michele Tantussi

Wien - Seit der Pleite des deutschen Handelskomplexes Galeria Karstadt-Kaufhof steht das Immobilienimperium des Tiroler Investors René Benko, Signa, unter Beobachtung. Dies freilich nicht wegen des milliardenschweren Immobilienportfolios in exklusiven Lagen. Diese sind nicht im Fokus der Europäischen Zentralbank (EZB). Es sind die kreditgebenden Banken, deren Bücher die EZB prüft.

Dies im Zuge sogenannter Vorortprüfungen, im Bankenfachjargon "Osi" genannt, was für "on site" steht. Ein ungewöhnlicher Schritt ist eine derart spezifische, weil auf eine Kreditnehmerin fokussierte Prüfung allemal, wenngleich die nationalen Bankprüfer diese Vorgangsweise als "business as usual" herunterspielen. Man prüfe die Kreditinstitute laufend, heißt es etwa bei der für die Gebarung der Banken, Sparkassen und Versicherungen zuständigen österreichischen Finanzmarktaufsicht FMA.

Systemrelevante Geldhäuser

Die EZB ist gemäß Arbeitsteilung für die "significant institutions", also die systemrelevanten Geldhäuser der Mitgliedsstaaten zuständig. Das sind in Österreich Raiffeisen Bank International (RBI), Unicredit Bank Austria, Erste, Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich, Bawag, sowie die auch in Österreich tätige drittgrößte kroatische Bank Addiko. Demnächst dürfte eine der Hausbanken des von Signa im Juni via Notverkauf abgestoßenen Möbelkonzerns Kika/Leiner dazukommen, die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich Wien. Für diese war die vorzeitige Rückführung des Kika/Leiner-Kredits eine deutliche Risikoentlastung. RLB NÖ Wien hatte seinerzeit die Übernahme von Kika/Leiner durch Signa (von Steinhoff) begleitet. Das Kreditengagement an drei Gesellschaften wurde in der Bilanz der Bank übrigens ausführlicher analysiert als andere Kredite in ähnlicher Größenordnung und war hypothekarisch besichert.

Insgesamt hatte die RLB NÖ Wien an Unternehmenskunden 14,4 Milliarden Euro an Krediten vergeben. Im Segment Handel waren es 1,2 Milliarden, im Segment Grundstücks- und Wohnungswesen 5,8 Milliarden Euro. Je nach Segmentzurechnung stellte Kika/Leiner einen Risikoanteil von 14,2 Prozent oder von drei Prozent dar.

Wert der Besicherung

Die Fragen, die es eingehend zu prüfen gilt und die auch die EZB und FMA-Prüfer bei Immobilienfinanzierungen im Blick haben, sind angesichts der Wertminderung der zugrundeliegenden Sicherheiten für alle Kredithäuser stets dieselben:

Wie bei vielen Banken mit Geschäftsschwerpunkt Immobilienfinanzierung waren und sind die durch den Wertverfall der zugrundeliegenden Sicherheiten in den nächsten Jahren das große Thema. Es gilt zu beurteilen, ob die Ergebnisse des operativen Geschäfts ausreichen, um Kredite und Zinsen zu bedienen, und ob der Wert der Liegenschaften im Fall eines Ausfalls reicht, um die Rückführung es Kredits ohne Verlust zu gewährleisten. Last but not least gehört zu den Schlüsselfragen auch, ob der Eigentümer in der Lage oder willens ist, im Fall des Falles weiteres Eigenkapital einzuschießen.

Prüfung im Team

Genau diese Werthaltigkeit beurteilen auch die Vorortprüfer der EZB, die in Teams mit nationalen Aufsehern ("joint supervisory teams") vorgehen. "Für kleine Institute kann selbst ein Exposure in einstelliger Millionenhöhe bedrohlich sein, weil ihr Eigenkapital im Fall eines Ausfalls stark dezimiert oder ganz weg sein kann", bringt es ein mit Bankprüfungen vertrauter FMA-Mitarbeiter auf den Punkt. Vor diesem Hintergrund sei es unerlässlich, dass die von Banken und Versicherungen vorgenommenen Bewertungen von externen Fachleuten ebenso überprüft werden wie die Werthaltigkeit der im Zuge der Finanzierung angesetzten Buchwerte – dies erst recht im Lichte rückläufiger Preise auf dem Gewerbeimmobilienmarkt.

Laut Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist das EZB-Monitoring der Signa-Kredite und -finanzierungen übrigens eine Premiere bei den EZB-Prüfern. Sie prüfen Kreditsicherheiten, Zinszahlungen und ob die sogenannten Covenants, also die im Kreditvertrag fixierten Finanzkennzahlen, Kapital- und Zinszahlungen, ebenso eingehalten wurden wie die KreditvergabeStandards. Andere Auskenner sagen, das EZB-Monitoring hat bereits vor einem Jahr begonnen, jedenfalls seit der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Insolvenz im Oktober des Vorjahres. Wie viele Kreditgeber die EZB im Visier hat, ist nicht bekannt, es dürfte mindestens ein Dutzend sein.

Risiko heterogen

Das Risiko für die Banken und Versicherungen bei der Signa beschreiben Kreditexperten und Bankprüfer – auch aufgrund des weitverzweigten Imperiums – als "sehr heterogen". Zudem hätten sich die Finanzierungsmodelle und -strukturen in den vergangenen Jahren grundsätzlich verändert. Früher seien die Investoren mehr ins Risiko gegangen, weil über Eigenkapital-Vehikel finanziert worden sei. Das habe sich zu Kreditfinanzierungen verschoben.

Inwieweit die Berichtigungen in den Bilanzen zweier Signa-Gesellschaften mit den Prüfungen der Aufsicht zu tun haben, ist nicht zu eruieren. In den Konzernbilanzen 2020 der Gruppe wurde mehr als eine Milliarde Euro an Verbindlichkeiten "umgegliedert" - DER STANDARD berichtete am Wochenende. Ein nicht ganz alltäglicher Vorgang in einem Immobilienimperium. (Luise Ungerboeck, 11.7.2023)