Es ist bei weitem nicht der erste Bericht über Missbrauch in Kinderheimen – und doch erschüttert auch der in "Thema spezial" auf ORF 2 am Montagabend gezeigte Fall aufs Neue: Drei Brüder in ihren Dreißigern werfen dem "Orden der Schwestern vom armen Kinde Jesus" körperliche und psychische Gewalt vor. Als Buben waren sie in einem Kinderheim untergebracht, das die Schwestern bis Anfang der 2000er-Jahre in Rohrbach an der Gölsen betrieben haben. 

Christoph Feurstein im Gespräch mit zwei Männern in einem großen Raum
Christoph Feurstein (rechts) gibt den Schilderungen der Brüder viel Raum.
ORF

Die Männer berichten von Schlägen, zwangsweisen Übernachtungen im Schweinestall und Demütigungen: So hätten sie als Kinder, wenn sie ins Bett gemacht hatten, am Morgen darauf mit dem eingenässten Laken über dem Kopf im Gemeinschaftsraum stehen müssen. Die anderen Kinder seien von den Schwestern ermutigt worden, sie auszulachen.  

Nun klagen die Geschwister auf Schadenersatz: Jeder der drei will zwischen 100.000 und 200.000 Euro von dem Orden, der Diözese St. Pölten und der Stadt Wien. Doch alle beklagten Institutionen weisen die Verantwortung von sich: Die Gewalt sei nicht nachzuweisen. Und als Kinder hätten sie bei Kontrollen auch nie etwas reklamiert. Glauben will den Brüdern niemand. 

Bedrückende Stille

Nur zwei der Brüder wollen sich im Fernsehen zeigen. Dass sie nach wie vor mit den Erlebnissen ihrer Kindheit kämpfen, sieht man auf den ersten Blick. Dass misshandelte Kinder auch ihrem späteren Umfeld nicht guttun, wird ebenfalls evident, wenn sie über Gewalt gegen Frauen sprechen. Redakteur Christoph Feurstein arbeitet in der Gestaltung seines Beitrags vor allem mit Stille, die den bedrückenden Schilderungen der einstigen Heimkinder noch einmal mehr Wirkung verleiht. 

Es ist kaum auszuhalten, wenn teils detailliert von Gewalt gegen Kindern erzählt wird – aber wegzuschauen ist eben auch keine Option. Zur Tragik der einzelnen Fälle kommt die institutionelle Komponente: Die Gewalt passierte systematisch. Und bis heute können sich nicht alle dazu durchringen, Opfern einfach zu glauben. (Sebastian Fellner, 11.7.2023)