Frau drückt mit der linken Hand auf die Finger der anderen Hand.
Ein Kribbeln an Händen und Füßen ist häufig das erste Symptom des seltenen Syndroms. Später kann es zu Lähmungserscheinungen kommen.
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Betroffene berichten von einem Kribbeln, das in den Händen und Füßen beginnt. Im weiteren Verlauf können Muskelschwäche und Lähmungen auftreten. Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine sehr seltene Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die vor allem nach Viruserkrankungen auftritt. In Peru wurden seit Jänner 182 Fälle der Nervenkrankheit gemeldet. Vier Betroffene starben, 31 Personen müssen noch im Krankenhaus behandelt werden. Nun wurde der Gesundheitsnotstand ausgerufen. DER STANDARD berichtete hier

Das Guillain-Barré-Syndrom veranlasst das Immunsystem zu einer Fehlsteuerung. Es greift dabei die Ummantelung der Nervenenden oder die Nerven selbst an. Dadurch können verschiedene Reize nicht mehr an die Muskeln weitergeleitet werden. Muskelschwäche und oft auch Lähmungserscheinungen in den Beinen, die sich weiter ausbreiten können, sind die Folge. Bei einem schweren Verlauf versagt sogar die Atemmuskulatur, und die Betroffenen müssen beatmet werden. Aber auch lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen und Blutgerinnsel können entstehen. "In den meisten Fällen bilden sich die Lähmungserscheinungen aber von selbst wieder zurück", erklärt Dorothee von Laer, Virologin an der Med-Uni Innsbruck, die Fehlsteuerung des Immunsystems endet bei diesen Betroffenen wieder. Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen bleiben die Beschwerden jedoch bestehen. Und einige versterben sogar, die durchschnittliche Mortalitätsrate liegt bei zwei Prozent. 

Bakterium war 2019 Auslöser

Was die Ursache für den derzeitigen Ausbruch ist, darüber kann im Moment nur spekuliert werden. In den meisten Fällen werden überstandene Virusinfektionen mit dem Syndrom in Verbindung gebracht. Von Laer erklärt: "Nach Virusinfektionen wie etwa der Grippe, Zika, dem Pfeifferschen Drüsenfieber oder auch Corona kann es zum Guillain-Barré-Syndrom kommen, genauso wie nach Infektionen mit verschiedenen Darmbakterien." Ein Darmbakterium war es auch, das bereits 2019 in Peru zu einer Häufung des Syndroms geführt hatte. Damals kam es zwischen Ende Mai und Ende Juli zu 683 Fällen, wie das Fachblatt "Emerging Infectious Diseases" berichtete. Von Laer vermutet, dass auch bei dem derzeitigen Ausbruch der Auslöser eine überstandene Darminfektion sein könnte. "Es fällt nicht so schnell auf, wenn mehrere Menschen gleichzeitig Durchfallerkrankungen haben. Aber da das Guillain-Barré-Syndrom nur sehr selten auftritt, müssen wirklich sehr viele Menschen infiziert sein. Ich gehe davon aus, dass die genaue Ursache bald geklärt sein dürfte."

Auch ein Zusammenhang mit Corona-Impfstoffen wird von manchen vermutet, wie das "Deutsche Ärzteblatt" Anfang des Jahres geschrieben hat. "Der Verdacht eines Zusammenhangs besteht dabei jedoch nur bei Vektorimpfstoffen, wie etwa den Vakzinen von Johnsen und Johnsen und Astra Zeneca. Bei mRNA-Impfstoffen, wie jenen von Biontech oder Moderna, besteht dieser Verdacht nicht", weiß die Virologin. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass die Gefahr, nach einer Impfung das Syndrom zu entwickeln, sehr gering ist. Im "Deutschen Ärzteblatt" heißt es, dass sie wahrscheinlich in einer Größenordnung von einigen Fällen pro Million Impfdosen liege.

Immunglobuline zur Behandlung

Erste Symptome des Syndroms können Schmerzen und Kribbeln in den Händen und Füßen sein. Betroffene berichten, dass es sich anfühle, als würden Insekten unter der Haut entlangkrabbeln. Durch die Schädigung der Nervenzellen erhält das Gehirn falsche Signale, das löst die Symptome aus. Aber auch Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken, Koordinationsprobleme oder Atemprobleme können auftreten. Behandelt wird die Erkrankung mit Immunglobulinen. Diese sorgen dafür, dass der Angriff des eigenen Immunsystems wieder abgeschwächt wird. (jaa, 11.7.2023)