Solange die Schafe aufrecht auf dem Deich stehen, ist alles in Ordnung. Ist eines umgefallen, sollte man eingreifen.
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Birgit Baumann aus Berlin

Sie sind, nebst Leuchttürmen und Nordseestränden, ein beliebtes Motiv: jene Schafe, die an der niedersächsischen Küste, etwa in Ostfriesland, auf den Hochwasserschutzdeichen still und friedlich vor sich hin grasen. Was Einheimischen klar ist, sollten auch Urlauberinnen und Urlauber wissen – es gilt die Devise: nur aus gebührendem Abstand schauen, nicht streicheln. Die Tiere brauchen nämlich ihre Ruhe.

Doch es gibt eine Ausnahme, und auf diese weisen die Schäfer und Schafzüchterinnen in Niedersachsen nun hin. Wenn ein Tier umgefallen ist, dann sollte auch Besucher und Besucherinnen nicht zögern, "einem auf der Rückseite liegenden Schaf beherzt ins Fell zu greifen und dem Tier einen Schubs zu geben, sodass es sich wieder aufrichten kann". So lautet die Bitte des Bauernverbandes "Landvolk Niedersachsen". Vom Umkippen betroffen seien meistens tragende Schafe oder Rassen mit kurzen Beinen. Sie kommen gelegentlich nicht von allein wieder auf selbige, weil sie zu schwer beziehungsweise die Beine zu schwach sind. 

Aber sie wälzen sich gerne am Boden, wenn es sie juckt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie schweres Fell am Körper haben, dieses feucht wird oder die Vierbeiner schwitzen.  

Im Zweifel anpacken

Beim Bauernverband räumt man zwar ein, dass es für Laien nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sei, ob ein Tier wirklich Hilfe brauche. Doch im Zweifel, sei "Schafe schubsen ausdrücklich erwünscht und dient dem Schutz der Spezies".

Theoretisch könnte es im ganzen Bundesland einiges zu tun geben. Denn in Niedersachsen gibt es laut Landes-Landwirtschaftsministerium in 10.450 Betrieben rund 210.000 Schafe. Man zählt 40 Rassen, etwa die Weiße Hornlose Heidschnucke, das Bentheimer Landschaf oder das Coburger Fuchsschaf. Besondere Bedeutung kommt dabei den Deichschafen zu, jenen also, die an der flachen Küste und deren Hochwasserschutzeinrichtungen leben.

Ohne diese wollgebenden Helfer wäre die Deichpflege "nicht denkbar", betont das Ministerium. Denn die Schafe fressen das Gras mit der richtigen Bisstiefe und trampeln mit ihren Hufen die Narben fest, genannt wird dies "goldener Tritt". Die Hauptdeichlinie an der Küste zwischen Ems und Elbe ist rund 610 Kilometer lang. Nimmt man Flussmündungen und die Inseln noch mit dazu, dann kommt man in Niedersachsen auf mehr als 1.000 Kilometer Deiche. Die höchsten sind neun Meter hoch. 

Auch Niedersachsen spürt den Klimawandel, Sturmfluten nehmen zu. Daher müssen die Deiche im Schnitt um ein bis zwei Meter erhöht werden. Zuletzt haben der Bund und das Land die Mittel für den Küstenschutz von 61,7 auf 78,9 Millionen Euro aufgestockt. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.7.2023)