Im Gastblog stellt der Schüler Simon Gierlinger die Frage, warum die Schule so starr auf technische Veränderungen reagiert.

In Hamburg notiert man bereits die ersten Betrugsversuche beim Abitur per ChatGPT, in den USA und in Großbritannien wurde mit Google Bard bereits das nächste große KI-Tool auf den Markt gebracht, und während in diesen Ländern schon längst nach einer Lösung zur Integration in den Unterricht gesucht wird, gehen österreichische Entscheidungsträgerinnen undEntscheidungsträger dem vermeintlichen Problem immer noch aus dem Weg.

Tafel, AI mit Kriede geschrieben
Neben Kreidetafeln sollte sich auch künstliche Intelligenz als Bestandteil des Unterrichts etablieren dürfen, um die faktisch stattfindenden Entwicklungen abseits der Schule besser verstehen und nutzen zu können.
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Es scheint, als würde das österreichische Lehrpersonal mittlerweile eine Paranoia gegenüber ChatGPT und sonstigen KI-Tools entwickeln. Selbst verfasste Texte und Hausübungen werden mittlerweile nicht mehr gelobt, wenn sie gelingen, nein, sie werden von vielen Lehrenden als Werk der künstlichen Intelligenz abgetan. Aber selbst, wenn dies stimmen würde, könnte man uns Schülerinnen und Schüler dann wirklich einen Vorwurf machen? Für mich ist es verständlich, dass an Volks- und Unterstufenschulen die Akzeptanz gegenüber ChatGPT geringer ist, nur spätestens in der Oberstufe sollte man die Verwendung doch nicht verbieten. Warum differenzieren wir noch immer so stark zwischen einem Taschenrechner und KI, wo doch die Verwendung von Letzterem mehr Kompetenz erfordert?

Lebensnahes Arbeitsklima

Es braucht zu jeder gestellten Frage das richtige Maß an themenorientierter Fachkompetenz, um die Korrektheit der Antwort zu verifizieren, und trotzdem könnte es Schülerinnen und Schülern enorm weiterhelfen. Ich fordere ja gar nicht, dass Lehrpersonen aktiv Chatbots in ihre Lehrweise integrieren, meiner Meinung nach reicht die Übermittlung der Inhalte nach wie vor vollkommen aus, nur muss man den vorhandenen technologischen Fortschritt trotzdem akzeptieren. Wenn Schülerinnen und Schüler bei Tests auf KI zurückgreifen möchten, was spräche denn dagegen, würde das doch bedeuten, ein lebensnahes Arbeitsklima zu schaffen? Warum sollte nicht jede und jeder frei evaluieren dürfen, ob man gerne künstliche Hilfe hätte, wie intelligent diese dann auch seien mag?In der Phase der Aneignung des zu Lernenden ist eine Integration von KI im Unterricht ganz klar kein Muss, wenn man aber die Grundkompetenz einer Thematik beherrscht, ist es im weiteren Prozess, auch dem der Leistungsfeststellung, dann schon von Nöten, die KI zugänglich zu machen, einerseits als zeitgerechte Unterstützung, andererseits auch um ein weltnahes Arbeitsklima zu garantieren.

Wenn man in der Lage ist, die Inhalte zu verifizieren und zu falsifizieren, spricht doch nichts gegen eine offene Interaktion mit ChatGPT und Co. in Prüfungssituationen. Vielmehr wäre es wichtig, uns Schülerinnen und Schülern die Chance zu geben, uns mit solchen Programmen auseinanderzusetzen – und dann diese eben auch nutzen zu lassen, immerhin werden sie auch in unserer Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken sein. Aber auch hier hinkt unser Bildungssystem dem Fortschritt wieder ein paar Schritte nach: Warum für Schularbeiten technische Hilfsmittel zur Verfügung stellen, wenn man ja auch wie im letzten Jahrtausend noch Füllfeder und Papier verwenden kann?

Veränderung dringend nötig

Meiner Meinung nach wäre es längst überfällig, sich diesem Thema im Bildungsministerium genauer zu widmen und endlich eine adäquate, zeitgerechte Lösung zu finden. Bedauerlicherweise glaube ich aber nicht, dass dieser Artikel die Innovationsbereitschaft unseres Schulsystems fördern wird, da müsste man schon einen Brief, mit Füllfeder verfasst, an den geschätzten Herrn Polaschek schreiben. Andererseits möchte ich nicht nur schwarzmalen, Gerade jetzt hätte man in den Schulferien viele Wochen Zeit, endlich die Initiative zu ergreifen und eine Lösung zu finden.

Was halten Sie von diesem Problem? Finden Sie unser System zur Leistungsüberprüfung noch angebracht? Lassen Sie es mich gerne wissen! (Simon Gierlinger, 17.7.2023)