Jüdisches Museum
Der SC Hakoah ist in der Ausstellung "Superjuden – Jüdische Identität im Fußballstadion" (bis 14. Jänner im Jüdischen Museum) zwar auch präsent, steht aber nicht im Mittelpunkt.
David Bohmann

Nach fast einem Vierteljahrhundert bei Tottenham Hotspur zum FC Bayern nach München zu wechseln wäre für Harry Kane gewiss eine große Umstellung. Allerdings haben der Klub aus dem Londoner Norden und der deutsche Rekordmeister eine Gemeinsamkeit, die vielleicht selbst dem englischen Teamkapitän, für den die Bayern zuletzt 80 Millionen Euro geboten haben sollen, nicht ins Auge gefallen wäre.

Neben den Wiener Vereinen Vienna und Austria Wien sowie dem niederländischen Rekordmeister Ajax Amsterdam widmet sich die am Dienstagabend im Jüdischen Museum Wien eröffnete Ausstellung Superjuden – Jüdische Identität im Fußballstadion auch Aspekten der Vergangenheit und der Gegenwart der Spurs und der Bayern. In drei Räumen der Beletage des Palais Eskeles spüren die Kuratorinnen, Direktorin Barbara Staudinger und Agnes Meisinger vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, der jüdischen Geschichte dieser fünf Vereine nach. In Erinnerung gerufen werden jüdische Funktionäre, Trainer und Spieler der Vereine, der Fokus der Ausstellung liegt aber mehr noch auf der Fankultur – für Direktorin Staudinger das "A und O des Fußballs". Ausdruck verleiht dem auch die Ausstellungsarchitektur von Robert Rüf, die an Fankurven gemahnt.

Der SC Hakoah, dessen epochaler Sieg bei West Ham United (5:0) sich im September zum hundertsten Mal jährt und der 1925 die erste Profimeisterschaft in Österreich gewann, bleibt in der Ausstellung weitgehend ausgespart. Die jüdische Fußballgeschichte sei schließlich nicht die Geschichte nur eines Klubs, sagt Staudinger. Der Anspruch ist es, weniger bekannte Geschichte zu erzählen, etwa auch von den wenigen Frauen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten. Neben Paul Meissners bekanntem Gemälde Das Wunderteam schmückt auch ein Porträtbild von Ella Zirner-Zwieback den ersten Ausstellungsraum. Mit finanzieller Unterstützung der Kaufhausbesitzerin und Modeschöpferin wurde 1936 die Damenfußball-Union ins Leben gerufen, eine Liga, die unter Präsidentin Zwieback zwei Meisterschaftssaisonen (zwei Titel für DFC Austria) über die Bühne brachte, ehe die Nationalsozialisten Frauenfußball verboten.

Vienna und Austria

Raum zwei der Ausstellung widmet sich der Vienna und der Wiener Austria. Vor allem die Fans der Döblinger verweisen stolz auf die Gründung des ersten österreichischen Fußballklubs 1894 dank maßgeblicher Unterstützung durch Nathaniel Mayer Freiherr von Rothschild, dem der Verein auch seine Farben – Blau und Gelb – verdankt. Die Erinnerung an jüdische Funktionäre wird lebendig gehalten, zumal durch Fankollektive wie "Partisan*Rothschild".

Fanschals
Fanschals von "Partisan*Rothschild" der Vienna, der "Yid Army" von Tottenham und der "F-Side" von Ajax Amsterdam.
JMW / Tobias de St. Julien

Die Austria, oft in abwertender Absicht als "Judenklub" tituliert, widmete sich erst in jüngerer Zeit ihrer Geschichte. Dabei galt sie bei ihrer Gründung als Klub des assimilierten jüdischen Bürgertums. Jüdische Funktionäre wie Präsident Emanuel Schwarz oder Klubsekretär Norbert Lopper zeichneten für Blütezeiten der Veilchen verantwortlich. Dass es auch rechte Gruppierungen unter den Fans gibt, wurde erst ziemlich spät durch den Klub selbst als Problem wahrgenommen.

Bayern, Ajax und Tottenham

Beim FC Bayern wird ähnlich wie bei der Vienna – beim Verein mit den meisten Fanklubs weltweit freilich in anderer Dimension – die jüdische Vergangenheit hochgehalten und darüber hinaus auch erfolgreich vermarktet. Etwa mittels dem legendären Vereinspräsidenten Kurt Landauer gewidmeter Fanartikel.

Eine Fangruppierung des niederländischen Rekordmeisters Ajax Amsterdam lieferte der Ausstellung ihren Titel. Anhand der durchaus auch gewaltbereiten Ultrafangruppe "Superjoden", also "Superjuden", ließ sich thematisieren, wie jüdische Geschichte in die Fankultur eines Fußballklubs integriert wird. Dabei speist sich der Ruf, ein jüdischer Verein zu sein, bei Ajax vor allem aus der Tatsache, dass das erste Stadion der Ajaciden, das Het Houten, in einem jüdischen Viertel lag.

Nicht anders verhält es sich bei Tottenham. Die Punzierung als "Judenklub" führte letztlich dazu, dass Ultraformationen der Londoner zur Eigendefinition als "Yids" oder "Yiddos" greifen und also einen abwertend gebrauchten jiddischen Begriff für sich vereinnahmen – nicht zur ungeteilten Freude des Vereins und der jüdischen Gemeinde. (Sigi Lützow, 11.7.2023)