Auch wenn Autos nach wie vor den überwiegenden Teil des begrenzten öffentlichen Raums mit Straßen und Parkplätzen zugestanden bekommen: Der Anteil des Fahrradverkehrs in Österreich wächst beständig. In einigen Städten und Dörfern sind so manche mickrige Radwege längst viel zu schmal geworden. Und jenseits der Ortstafeln werden beliebte Radtourenrouten oder gut mit dem Bike erreichbare Ausflugsziele gestürmt. Der subjektive Eindruck täuscht nicht: So wurden etwa im Vorjahr an Wiener Zählstellen um mehr als ein Viertel mehr Radler gezählt als 2014.

Bemerkenswert ist der Boom bei den E-Bikes: Im Jahr 2022 war bereits fast jedes zweite verkaufte Fahrrad ein solches. Zum Vergleich: Zehn Jahre davor betrug der Anteil der verkauften E-Bikes erst zehn Prozent. Insgesamt wurden im Vorjahr laut dem Verband der Sportartikelerzeuger und Sportfachhändler Österreichs (VSSÖ) 506.000 Fahrräder von der Industrie verkauft. Wird der Trend fortgesetzt, könnten heuer erstmals mehr Elektrofahrräder als klassische Bikes vertrieben werden (siehe Grafik).

Anzahl der Ebikes steigt, Unfallentwicklung, Grafik
Die jährlichen Unfallzahlen mit Beteiligung von Rad-, E-Bike- oder E-Scooter-Fahrenden steigen.
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Scooter-Unfälle ab nun erfasst

Der Anstieg bei den Elektro-Bikes, mit dem auch ältere Hobbysportler lohnende Ausflugsziele mit dem Rad leichter erreichen können, hat aber auch Auswirkungen auf die Unfallstatistik. So gab es im Vorjahr erstmals mehr als 10.000 Unfälle mit Beteiligung von Rad-, E-Bike- oder E-Scooter-Fahrenden in Österreich. E-Scooter werden in der Unfallstatistik derzeit in einer Kategorie mit E-Bikes erfasst. Konkret waren es laut Statistik Austria 10.745 Unfälle – das sind um gleich 69 Prozent mehr als im Jahr 2013: Damals wurden 6.375 Unfälle registriert.

Tatsächlich ist der Anstieg von Unfällen im Bereich E-Räder und E-Scooter in den vergangenen Jahren auffallend: Lag 2018 der Anteil der Radunfälle mit E-Bikes und E-Scootern noch bei 13 Prozent, erhöhte sich dieser zuletzt auf 34,1 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Von 10.745 Rad-Unfällen gab es bereits 3.659 mit Beteiligung von E-Bikes und E-Scootern. Welchen Einfluss konkret die Scooter auf die Unfallstatistik haben, lässt sich mit validen Daten noch nicht sagen. Seit heuer kann die Exekutive aber Unfallereignisse mit E-Scootern gesondert erfassen, wie es aus dem Verkehrsministerium zum STANDARD hieß.

Immer mehr Alleinunfälle

Interessant ist, dass bei den Unfalltypen vor allem Alleinunfälle herausragen. Das sind Vorkommnisse ohne Beteiligung anderer und ohne Fremdeinwirkung. Im Jahr 2013 wurden 1903 Alleinunfälle registriert, im Vorjahr waren es bereits 4740. Bei der zweitgrößten Gruppe "Kreuzungsunfall" wurde in diesem Zeitraum ein vergleichsweise moderater Anstieg von 2.041 auf 2.560 Unfälle verzeichnet.

ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé macht mehrere Faktoren für den Anstieg bei den Alleinunfällen verantwortlich – darunter "zu geringe Fahrpraxis, erhöhte Risikobereitschaft und Ablenkung", aber auch technische Probleme am Rad sowie eine mangelhafte Rad-Infrastruktur. Eine effektive Verhinderung von Alleinunfällen sei laut Nosé kaum möglich. Mit einem Radhelm könnten aber die Folgen von Stürzen gemildert werden.

Generell sei "die vom ÖAMTC erhobene generelle Helmtragequote mit rund 38 Prozent immer noch sehr niedrig" sagt Nosé. Positiv sei aber ein leichter Anstieg: 2013 waren demnach noch 73 Prozent der verunfallten Radlerinnen und Radler ohne Helm unterwegs, 2022 waren es nur noch 63 Prozent.

Leichte Schwankungen nach oben und unten gab es in den vergangenen Jahren bei der Zahl der getöteten Radfahrer. 2017 wurden 32 Todesopfer registriert, 2012 waren es 52. Im vergangenen Jahr starben 44 Personen bei Unfällen. Davon fuhren 24, also mehr als die Hälfte, mit einem E-Bike oder einem E-Scooter. Unter diesen 24 Getöteten im Vorjahr waren zwei Drittel älter als 65 Jahre, wie das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in einer Aussendung mitteilt.

Debatte über Helmpflicht

Während das KfV eine generelle Helmpflicht sowohl für E-Biker als auch für E-Scooter-Fahrende fordert, spricht der ÖAMTC hingegen eine dringende "Empfehlung" für den Schutzhelm aus und verweist auf die Eigenverantwortung. Das Argument: Eine Pflicht wäre laut Nosé kontraproduktiv und würde den Umstieg aufs Fahrrad nicht attraktivieren. Er verweist auf Skihelme, die auch ohne allgemeine Pflicht einen Siegeszug angetreten hätten. Nosé plädiert eher dafür, den Erwerb qualitativer Helme finanziell zu fördern oder das Bewusstsein für den Kopfschutz durch politische Maßnahmen zu schärfen. Auch die Infrastruktur könne etwa durch baulich getrennte Radwege oder sichere Kreuzungen noch verbessert werden. (David Krutzler, 12.7.2023)