Ein Flugzeug fliegt durch einen Kondensstreifen.
Mit der Frage, ob steuerliche Vorteile für die Luftfahrt verfassungsrechtlich zulässig sind, hat sich der Verfassungsgerichtshof gar nicht erst beschäftigt. Er hat den Antrag schon aus formellen Gründen zurückgewiesen.
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Es sind keine guten Wochen für österreichische Klimaklagen: Erst vergangenen Freitag wies der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zwei Anträge ab, mit denen Klimaschützerinnen und Klimaschützer ein schärferes Klimaschutzgesetz forderten. Am Mittwoch hagelte es nun weitere zwei Absagen: Das Höchstgericht lehnte einen Antrag der Umweltorganisation Global 2000 auf ein schrittweises Verbot fossiler Brennstoffe ab. Einen weiteren Antrag gegen die steuerliche Begünstigung der Luftfahrt wurde schon aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Die Reihe erfolgloser österreichischer Klimaklagen setzt sich damit ungebremst fort. So wie in anderen Ländern argumentieren Klimaschützerinnen und Klimaschützer auch hierzulande, dass das Grundrecht auf Leben und Gesundheit höhere Klimaschutzziele gebietet. In Österreich blieben sie – im Gegensatz zu Mitstreitern in Deutschland und den Niederlanden – bisher aber stets erfolglos. Dafür gibt es im Wesentlichen drei Gründe.

1. Strenge formale Hürden

Klimaklägerinnen und Klimakläger setzen bei ihren Verfahren meist auf sogenannte Individualanträge, mit denen einzelne Menschen die Möglichkeit haben, verfassungswidrige Gesetze beim VfGH anzufechten. Aktivistinnen argumentieren damit, dass klimaschädliche Gesetze verfassungswidrig seien.

Allerdings gibt es für Individualanträge äußerst hohe formale Hürden: Sie können nur von Menschen gestellt werden, die direkt von einem mutmaßlich verfassungswidrigen Gesetz betroffen sind und keine andere Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen. Weil diese Voraussetzungen eng ausgelegt werden, sind bereits eine Reihe von Klimaklagen gescheitert – etwa die jüngsten Anträge gegen steuerliche Vorteile für Luftfahrtunternehmen. Das formale Argument der Verfassungsrichter: Gesetze, die steuerliche Begünstigungen für die Luftfahrt regeln, richten sich eben an die Luftfahrtunternehmen und nicht an einzelne Privatpersonen.

Die Hürden für Individualanträge sind schon im Gesetz eng geregelt. Der VfGH interpretiert die gesetzlichen Grundlagen traditionell aber ebenso eng. "Der Verfassungsgerichtshof trifft gerne formelle Entscheidungen, wenn es materiell zu heiß ist", sagt Erika Wagner, Professorin und Leiterin des Instituts für Umweltrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU).

Im aktuellen Fall wolle der VfGH wohl auch mehrere offene Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg abwarten. Dazu kommt ein praktisches Problem: Eine zu niedrige Schwelle könnte zu einer Flut an Anträgen führen, die für das Höchstgericht nicht bewältigbar ist. Am EGMR wurden aus diesem Grund erst kürzlich die Zulassungskriterien für Beschwerden verschärft.

Die hohen Hürden gelten im Wesentlichen übrigens nur für Privatpersonen. Theoretisch könnten auch ein Drittel der Nationalratsabgeordneten oder einzelne Landesregierungen Anträge auf Gesetzesaufhebung beim VfGH stellen.

2. Kein Recht auf Klimaschutz

In der österreichischen Verfassung ist eine breite Palette an Grundrechten verankert. Ein großer Teil davon stammt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die hierzulande im Verfassungsrang steht und direkt anwendbar ist. Allerdings kennt derzeit weder die EMRK noch die österreichische Rechtsordnung ein explizites Recht auf Klimaschutz. Verhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen darüber, ein solches explizites Grundrecht in das neue Klimaschutzgesetz einzubauen, sind erst kürzlich gescheitert.

Klimaklägerinnen und Klimakläger argumentieren allerdings damit, dass es – zumindest indirekt – schon jetzt ein Recht auf Klimaschutz gibt. Ein solches Recht könne nämlich aus bestehenden Rechten abgeleitet werden – etwa aus dem Recht auf Leben, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem Recht auf Eigentum. Dass eine solche Schutzpflicht zumindest theoretisch bestehen kann, hat der VfGH in einer seiner aktuellen Entscheidungen nun zum ersten Mal für möglich gehalten.

Ob das tatsächlich der Fall ist, wird in den nächsten Jahren der EGMR entscheiden. Derzeit sind dort mehrere Klimaklagen anhängig, zum Beispiel eine Klage der "Schweizer Klimaseniorinnen". "Die Bedeutung des Verfahrens wurde vom EGMR anerkannt und die Entscheidung an die große Richterkammer übertragen", sagt Miriam Hofer, Verfassungsjuristin an der Universität Graz. Die Entscheidung wird auch für Österreich zentral sein.

3. Parlament nicht gezwungen

Sollte es eine erfolgreiche Klimaklage geben und der VfGH das aktuelle Klimaschutzgesetz aufheben, ist damit übrigens noch nicht garantiert, dass Österreich tatsächlich handelt. Der Verfassungsgerichtshof kann das Parlament nämlich nicht dazu zwingen, höhere Ziele zu verabschieden. "Gerade im Klimaschutz haben wir hauptsächlich ein Problem des Unterlassens", sagt Hofer. Sehr ähnlich sieht das Juristin Wagner.

Im Falle einer Aufhebung würde der rechtliche und politische Druck freilich steigen. Auch eine Entscheidung des EGMR könnte die Situation ändern: Wenn das Straßburger Höchstgericht zu dem Schluss kommt, dass der Staat zum Klimaschutz verpflichtet ist, braucht es einen wirksamen Rechtsschutz. Andernfalls drohen Österreich Entschädigungszahlungen. (Jakob Pflügl, 13.7.2023)