Ein Schild
In den USA warten viele Eigenheime auf Käufer. Doch die Finanzierungskosten haben sich wegen der Leitzinszerhöhungen drastisch verteuert.
APA/AFP/OLIVIER DOULIERY

Die US-Gewerbeimmobilien sind im Frühjahr in den Fokus gerückt. Die hohe Leerstandsquote und anstehende Refinanzierungen zu mittlerweile deutlich höheren Zinsen haben, wie berichtet, vor allem US-Regionalbanken unter Druck und manche zu Fall gebracht. Von einer Entspannung der Lage kann allerdings keine Rede sein. 70 Prozent der Kredite für Gewerbeimmobilien haben in den USA die Regionalbanken in ihren Büchern. Wells Fargo, unter den Großbanken der größte Kreditgeber für Gewerbeimmobilien, warnte bereits im April davor, dass sich die Probleme noch zuspitzen werden.

Denn auch nach der Pandemie arbeiten viele Menschen vermehrt von zu Hause aus. In San Francisco etwa droht dadurch ein "epischer Absturz im Gewerbeimmobilienbereich". Das berichtete der "San Francisco Standard" bereits im Herbst 2022. In New York zerstöre das Homeoffice Manhattans Gewerbeimmobilienmarkt, berichtete Bloomberg. Arpit Gupta, Professor an der New York University, prognostizierte in einer Studie gar eine Apokalypse bei Büroimmobilien. Der Professor geht von einem langfristigen Rückgang der Bürobewertungen in Höhe von 39 Prozent aus – das entspricht einer Wertvernichtung von 435 Milliarden US-Dollar.

Problem zieht weite Kreise

Die Probleme in diesem Sektor werden weite Kreise ziehen. Denn laut Moody’s droht ein merklicher Anstieg der Ausfallraten bei gewerblich besicherten Hypotheken. Auf dieses Szenario bereiten sich auch die großen US-Banken vor. Der aktuelle US-Stresstest vom Juni zeigte zwar, dass die großen Häuser eine Wirtschaftskrise gut meistern können. Brancheninsider fürchten aber die anstehenden Zahlen der Banken für das zweite Quartal, die ab Freitag vorgelegt werden.

Sie rechnen damit, dass allein die sechs größten Banken – JP Morgan Chase, Bank of America, Citigroup, Wells Fargo, Goldman Sachs und Morgan Stanley – Abschreibungen in der Höhe von rund fünf Milliarden Dollar werden vornehmen müssen. Denn immer mehr Kunden haben aufgrund der rasch gestiegenen Zinsen Probleme, ihre teurer gewordenen Kredite zu bedienen. Hinzu kommen die beschriebenen Probleme bei Gewerbeimmobilien. Das für die Großbanken wichtige Investmentbanking leidet ebenfalls. Das aktuelle Umfeld bringt eine Flaute bei Börsengängen und Fusionen mit sich. Im ersten Quartal ist das M&A-Geschäft im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent eingebrochen – auf den tiefsten Stand seit zehn Jahren, berichtet das "Handelsblatt".

All das führt wohl zu höheren Risikokosten. Rund 7,6 Milliarden Dollar könnten die US-Großbanken für steigende Risikovorsorge zur Seite legen müssen, schätzt Bloomberg.

Doch auch im Segment der Eigenheime spitzt sich die Lage zu, erklärt Ariel Bezalel, Head of Strategy Fixed Income bei Jupiter Asset Management. Derzeit sei ein Rekord beim Bau von Eigenheimen zu sehen. "Diese kommen aber zu einer Zeit auf den Markt, da die Finanzierungskosten deutlich gestiegen sind", sagt Bezalel dem STANDARD. Es könne also zu einer Situation kommen, in der sich Hauseigentümer die mittlerweile wesentlich höheren Hypothekenzinsen nicht mehr leisten können und zugleich den potenziellen Käufern für neue Eigenheime ebenfalls die finanzielle Luft ausgehen kann.

Blick nach Europa

Doch auch in Europa schwächt sich der Immo-Sektor deutlich ab. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken geht davon aus, dass die Korrektur auf den Märkten für Wohnimmobilien stärker um sich greifen wird. Für Gewerbeimmobilien sind laut den EU-Risikowächtern die Aussichten trübe. Die Investitionen in dem Sektor seien angesichts einer sich verschlechternden Stimmung in der Wirtschaft, mauer Gewinnaussichten, steigender Finanzierungskosten und strengerer Kreditstandards weiter gesunken. (Bettina Pfluger, 12.7.2023)