Dekarbonisierung beflügelt das Geschäft beim Technologiekonzern Miba. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurde erstmals die Milliardengrenze beim Umsatz überschritten. In einem durchschnittlichen Pkw, der mit Verbrennungsmotor fährt, steckt heute ebenso viel Miba wie in einem E-Auto. Vorstandschef F. Peter Mitterbauer hat trotzdem einiges gegen das Verbrenner-Aus einzuwenden.

F.Peter Mitterbauer sitzt beim Interview an einem Tisch und spricht und gestikuliert.
F. Peter Mitterbauer hat einiges einzuwenden gegen die Politik.
Lukas Friesenbichler

STANDARD: Die oberösterreichische Doppler-Gruppe verkauft das Tankstellengeschäft. Wirft das 2035 angesetzte Verbrenner-Aus seine Schatten voraus?

Mitterbauer: Der Energiemix der Zukunft wird breiter sein, als in der öffentlichen Diskussion suggeriert wird. In der EU kommen heute in der Primärenergie sechs Prozent aus Wasser- und Windkraft und Solarenergie. Bis 2050 wird sich der Primärenergiebedarf laut Experten verdreifachen. Das ist eine Verfünfzigfachung zu dem, was heute aus Wasserkraft, Solarenergie und Wind gewonnen wird. Das kann nicht funktionieren. Diese suggerierte Meinung, wir werden in Österreich energieautark, das ist eine Falschaussage, um nicht zu sagen: eine Lüge.

STANDARD: Was wird passieren?

Mitterbauer: Man wird andere Arten im Primärenergiebereich brauchen, ob das länger Gas ist oder in Europa auch Atomenergie, um andere fossile Energie zu verhindern, und man braucht auch Wasserstofftechnologie.

STANDARD: Miba ist aber schon Profiteur der Energiewende?

Mitterbauer: Ja. Wir haben seit 2013 die Mission "Technologies for a Cleaner Planet". Worum es dabei geht: Entlang der gesamten Energiewertschöpfungskette werden Produkte und Komponenten benötigt. Die entwickeln und produzieren wir. Also von Lösungen für die Gewinnung von grünem Strom, für seine möglichst verlustarme Übertragung, für seine Speicherung und effiziente und damit umweltfreundliche Nutzung.

STANDARD: Mit dem Verbrenner-Aus hadern Sie trotzdem?

Mitterbauer: Das Thema, welche Technologien verwendet werden, ist bunter und auch nicht so ideologisch, wie es in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dreckig, sauber – Verbrennungsmotor ist gleich dreckig, das stimmt nicht. Die Frage ist doch, was man verbrennt. Beim Verbrenner denkt man immer an fossile Kraftstoffe. Aber man kann ja völlig emissionsfrei etwa Methanol, Wasserstoff, Biogas oder Treibstoffe auf Pflanzenbasis verbrennen. Man sollte sich hier nicht technologisch einschränken.

STANDARD: Der Autozulieferbereich steht für 40 Prozent Ihres Umsatzes. Wie wird sich das Verbrenner-Aus auswirken?

Mitterbauer: Wir haben vor rund sieben Jahren begonnen, in das Thema E-Mobilität maßgeblich zu investieren. Ein Beispiel: Wenn man ein E-Auto ausschaltet, muss die Spannung, die im Auto aufgebaut worden ist, sicher entladen werden. Wir liefern diese Entladewiderstände. Ob es BYD in China ist oder die großen deutschen Hersteller, unsere Entladewiderstände sind heute in all diesen E-Autos. In Europa liegt der rein elektrische E-Auto-Anteil bei zehn, zwölf Prozent. Wenn der steigt, bauen wir die Kapazitäten dafür aus.

STANDARD: In der EU wurde jedenfalls eine Entscheidung getroffen.

Mitterbauer: Außerhalb von Europa nicht wirklich. Ich bin mir auch in Europa nicht sicher, ob das in der Praxis umsetzbar ist. Wo kommt der Strom her? Man kann sagen, er kommt eh aus der Steckdose oder von Braunkohle oder was immer. Angenommen, wir haben sauberen Strom: Wo wird er zwischengespeichert, wie transportiert? In der Umsetzung passiert gar nichts oder viel zu wenig.

Mitterbauer hält auch nichts von der Diskussion über eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Wie soll das funktionieren, fragt er.
Lukas Friesenbichler

STANDARD: Besteht die Gefahr, dass die Industrie abwandert? Anders gefragt: Investieren Sie außerhalb Europas mehr als in Österreich?

Mitterbauer: Wir investieren überall. Von den 7.800 Mitarbeitern ist ein Drittel unserer Belegschaft in Österreich. Die letzten zehn Jahre hat sich der Umsatz verdoppelt, die Belegschaft ist in Summe um 3.000 Mitarbeiter gewachsen, um 600 in Österreich. Wir haben in Oberösterreich groß in den Bereich Wind investiert, wir haben unsere Batterieproduktion in Bad Leonfelden, wir investieren jetzt gerade in der Steiermark 15 Millionen für ein neues Werk für Leistungswiderstände in E-Autos.

STANDARD: Warum nicht in China?

Mitterbauer: Machen wir auch. Wir produzieren in China für China, in den USA für USA und in Europa für Europa. Wind ist ein schönes Beispiel. Unsere Gleitlager sind das älteste Produkt, das wir haben. Sie werden seit den 1940er-Jahren produziert. Verwendet werden sie traditionell für Großmotoren. Jetzt braucht man sie für Windturbinen. Den Umsatz in diesem Bereich haben wir innerhalb von einem Jahr verdreifacht – auch stark im chinesischen Markt. Windturbinen unserer Kunden werden vorrangig in den Meeren aufgestellt, da gibt es keine Bodenversiegelung. Die Durchmesser von den Rotoren der Zukunft sind 240 Meter, so eine Windturbine hat die Höhe vom Eiffelturm. Die heutigen Megawatteinsätze, die wir kennen, sind drei bis fünf Megawatt, diese sind bis zu 18 Megawatt groß. Da scheint der Größe keine Grenzen gesetzt zu sein.

STANDARD: Beim Verbrenner war Europa weltweit führend. Durch eigenverschuldetes Verhalten beim Diesel hat man das verspielt. Jetzt ist China bei E-Mobilität und Batterietechnologie auf dem Vormarsch. Werden die Europäer den Rückstand aufholen können?

Mitterbauer: Ich glaube, dass Europa und die Industrie extrem stark aufholen, in gewissen Bereichen auch wieder an die innovative Spitze kommen. Bei Rohstoffen hat ein Land wie China einen Vorteil. Wir werden seltene Erden brauchen. Um nicht wieder abhängig zu sein, wie beim Gas, sind auch Freihandelsabkommen wie Mercosur so relevant. Diese Länder haben Lithium und andere Rohstoffe, die wir für die Batterieherstellung brauchen.

STANDARD: Da müssen Sie in erster Linie die Landwirte überzeugen.

Mitterbauer: Völlig richtig. Wir sind so stolz, dass wir Exportweltmeister sind. Davon ist unser Wohlstand abhängig. Wenn wir nicht mehr wettbewerbsfähig sind, weil in Europa alles teurer ist als anderswo und weil wir Freihandel nicht wollen, dann setzen wir das aufs Spiel.

Österreich legt sich beim Mercosur-Abkommen quer. Andere Länder sehen das "realistischer", sagt Mitterbauer.
Lukas Friesenbichler

STANDARD: Lassen sich die protektionistischen Tendenzen, die wir haben, eindämmen?

Mitterbauer: Innerhalb der Europäischen Union ist Österreich das letzte Land, das bei Mercosur ein Veto einlegt. Andere Länder sehen das realistischer, entspannter, ganzheitlicher.

STANDARD: Die EU will davon abgesehen bei Batterien mehr Wertschöpfung nach Europa holen. Der "dreckige Teil", die Zellenproduktion, erfolgt in Asien.

Mitterbauer: Na ja, dreckig, aber seltene Erden haben wir in China. Schauen wir uns das bei den Windrädern an. Was ist relevanter: Umwelt- oder Klimaschutz? Das sind nicht unmittelbar kommunizierende Gefäße.

STANDARD: Auch eine interessante Frage in Sachen Industriepolitik. Sie sind auf verschiedenen Kontinenten tätig. Was vermissen Sie in Europa?

Mitterbauer: Die Europäische Union fokussiert sich auf Vorschriften, Bürokratie, Verbote. Du darfst, du darfst nicht. In Amerika läuft das völlig anders – über Anreize. Was ist erfolgreicher? Es ist sicher der amerikanische Zugang. Die Amerikaner können seit Jahrzehnten Industriepolitik fehlerfrei buchstabieren. Auch das Lieferkettengesetz in Europa: von der Grundidee gut, aber in der Umsetzung nicht praktikabel für Unternehmen.

STANDARD: Aber wünschen sich die Menschen nicht eine transparentere, bessere Wirtschaft?

Mitterbauer: Ich glaube auch. Aber nehmen wir das Thema Klimatransformation. Die breite Bevölkerung weiß auch vom Gespür, dass sich das, so wie es suggeriert wird, nicht ausgeht. Und noch mehr gilt: Die Menschen sind veränderungsermüdet. Was vielleicht von der Idee gut gemeint ist, geht völlig am Ziel vorbei, weil Leute, die grundsätzlich einen guten Willen haben, die verliert und überfordert und frustriert man. Du kannst Klimapolitik oder Lieferketten nicht gegen die Bevölkerung machen. Genau das passiert.

Auch Miba ist auf Mitarbeitersuche. "Der Markt ist leergefegt", sagt Mitterbauer.
Lukas Friesenbichler

STANDARD: Wie nimmt man Leute mit – auch in Klimafragen?

Mitterbauer: Ein Beispiel: Bei uns auf den Toiletten in der Firma könnte man bei den Papierhandtüchern schreiben: Du darfst nicht mehr als zwei verwenden. Was wird dann passieren? Na da sag ich mir doch: Das lass ich mir vorschreiben? Ich nehme sicher drei. Ich kann auch hinschreiben: Die meisten Menschen brauchen nur zwei. Da heißt es dann eher: He, ich schaff's mit einem.

STANDARD: Aus Sicht der Klimakleber geht viel zu wenig weiter.

Mitterbauer: Die sind sehr laut und werden medial auch sehr unterstützt. Aber die Meinung der Leute auf dem Land ist eine diametral andere als die vielfach veröffentlichte Meinung.

STANDARD: Anderes Thema. Sie suchen 100 Mitarbeiter. Ist der Markt leergefegt?

Mitterbauer: Ja, der Markt ist leergefegt. Da muss man sich überlegen, wie kann man sich differenzieren. Wir haben eine Kultur des Positive Leadership, das heißt Stärken unserer Leute stärken. Und du kannst als Fremder, der wirklich Gas geben möchte, in unserem Familienunternehmen bis ganz rauf Karriere machen. Das taugt vielen, egal ob 32 oder 40 Stunden.

STANDARD: Wie geht sich das mit einer Arbeitszeitreduktion aus?

Mitterbauer: Ja, eine 32-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich geht sich eh nicht aus, eine völlig entbehrliche Diskussion. Wie soll das funktionieren?

STANDARD: Stichwort "entbehrlich". Hat Schwarz-Grün Ihre Erwartungen erfüllt, oder war das Experiment entbehrlich?

Mitterbauer: Nein, die Erwartungen hat Schwarz-Grün nicht erfüllt. (Regina Bruckner, Günther Strobl)