Am 12. Juni 2023 war es dann doch so weit: Die langgefürchtete Insolvenz der Möbelkette Kika/Leiner wurde Realität. Doch bevor der neue Eigentümer Hermann Wieser am späten Nachmittag den Insolvenzantrag einreichte, wurde in seinem Namen noch eine denkwürdige E-Mail an alle Filialleiter verschickt.

Diese sollten jeweils 2280 Euro in bar bereithalten, um damit einen externen Sicherheitsdienst für Objektschutz und "Österreich-Streife" zu bezahlen. Und zwar an eine "Personen und Objektschutz Int. Limited" – mit Sitz in Zypern.

Firma nicht zu finden

Insgesamt sollten an diesem Tag also mehr als 80.000 Euro nach Zypern gehen, das eine Art europäisches Offshoreparadies ist. Ab da wird diese Geschichte noch skurriler: Denn laut dem zypriotischen Handelsregister existiert in dem Inselstaat gar keine "Personen und Objektschutz Int. Limited". Auch bei der dort angegebenen E-Mail-Adresse reagierte niemand auf Fragen des STANDARD.

Abverkauf
Der Ansturm auf den Schlussverkauf habe externe Sicherheitsleistungen nötig gemacht, sagt Kika/Leiner.
IMAGO/SEPA.Media

Wen hat Wieser also tatsächlich beauftragt? Ein Pressesprecher von Kika/Leiner schreibt auf Anfrage zunächst, der Objektschutz sei "durch das beauftragte Unternehmen zu unserer Zufriedenheit erledigt" worden. Nötig gewesen sei ein externer Dienstleister aufgrund des "großen Ansturms auf unsere Filialen wegen des Abverkaufs". Da alles so kurzfristig gewesen sei, habe man die Bezahlung "unmittelbar" leisten müssen, sie sei "selbstverständlich gegen buchungsfähige Belege" erfolgt.

"Lediglich der Erstkontakt"

Was in der Antwort fehlt: der Name der Firma, die beauftragt wurde – denn die zypriotische Limited scheint ja nicht zu existieren. Auf Nachfrage heißt es dann, dass in der E-Mail, die Wiesers Büro an die Filialen verschickt habe, "lediglich der Erstkontakt" vorliege; die "gesamte Abwicklung und Verrechnung" sei aber über ein österreichisches Unternehmen erfolgt, "das auch im österreichischen Firmenbuch eingetragen ist". Welches? Das will Kika/Leiner offenbar nicht verraten.

Rechtlich dürfte der Vorgang an sich in Ordnung gewesen sein: Zwar müssen Unternehmen, die knapp vor der Insolvenz stehen, aufpassen, wohin sie Geld überweisen; aber Ausgaben zum Aufrechterhalten des Betriebs sind naturgemäß erlaubt.

In diese Kategorie fällt wohl auch Objektschutz – Kika/Leiner betont auch, dass dieser nötig gewesen sei, um "bau- und feuerpolizeiliche Vorschriften einhalten zu können" und somit den Schutz von Kundinnen und Kunden sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährleisten zu können. Wie da eine zypriotische Limited ins Spiel gekommen sei, ließe sich aber nicht beantworten.

Aber auch abseits werfen die Vorgänge bei Kika/Leiner einige Fragen auf: Die FPÖ forderte dazu schon mehrfach einen U-Ausschuss, und die Finanzprokuratur prüft.

Eigentlich hätte die Möbelkette von René Benkos Signa-Gruppe gerettet werden sollen, sie hatte Kika/Leiner im Sommer 2018 vom südafrikanischen Steinhoff-Konzern übernommen, der wiederum durch einen Bilanzskandal ins Strudeln geraten war.

Rufe nach U-Ausschuss

Während der Corona-Pandemie hatte Kika/Leiner dann Steuerstundungen in Höhe von 150 Millionen Euro beansprucht. Ein Großteil dieses Steuergelds dürfte aufgrund der Insolvenz verloren sein.

Die neuen Eigentümer hatten die Möbelsparte von Kika/Leiner um einen symbolischen Euro von Signa erworben; mit den abgetrennten Immobilien soll Benkos Konzern lukrative Geschäfte gemacht haben. All das führt zu Ärger in der Politik, die FPÖ fordert etwa einen U-Ausschuss zu den Vorgängen – auch weil Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und René Benko recht gut miteinander sind. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 13.7.2023)