Qualmender Autoauspuff
Der Dieselskandal ist im Jahr acht nach Auffliegen der Abgasmanipulationen noch nicht ausgestanden.
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Mit diversen höchstgerichtlichen Entscheidungen im Rücken ist die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Abgasmanipulationen der Automobilhersteller einfacher. Auch die Zahl der Betroffenen steigt mit der Zahl der Urteile. Denn sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Oberste Gerichtshof (OGH) haben viele der verharmlosend als Thermofenster bezeichneten automatischen Abschaltungen bei Kälte (unter 15 Grad) und Hitze (33 Grad) ebenso für unzulässig erklärt wie das vom deutschen Kraftfahrtbundesamt (KBA) verordnete Softwareupdate, mit dem der Schaden behoben werden sollte.

Diese Updates blieben, was die angestrebte Senkung des Stickoxidausstoßes betrifft, weitgehend wirkungslos, und sie enthielten obendrein unerlaubte Thermofenster. Sie sind laut den Höchstgerichten nur in Ausnahmen, bei akuter Gefahr für Leib und Leben, zulässig, nicht aber als Dauereinrichtung.

Auf den Bergen ohne Abgasreinigung

Eine weitere bisher unbeachtete Ausnahme: Ab tausend Höhenmetern wird die Abgasreinigung gedrosselt oder ganz ausgeschaltet. Die Urlauber-Autoschlangen über Brenner und Tauern sind also völlig legal im Schmutzmodus unterwegs – ohne dass die Fahrzeughalter dies wissen oder dies von den Zulassungsbehörden geahndet wird.

Illegal sind im Übrigen auch die sogenannten "Taxischaltungen". Dabei wird die Abgasreinigung im Leerlauf gedrosselt und nach einer Viertelstunde ganz abgeschaltet.

Zwang zum Update?

Der Umweltexperte der Arbeiterkammer (AK) Wien, Franz Greil, sieht das Verkehrs- und Klimaschutzministerium in der Pflicht: Statt Fahrzeughalter, die das Softwareupdate verweigert haben – das waren vor wenigen Wochen noch rund 27.000 –, mit Zulassungsentzug zu bedrohen, sollte Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler endlich das 2018 eingeführte Kommissionsverfahren in Brüssel einleiten. "Wenn die EU-Kommission zu dem Schluss kommt, dass das Typgenehmigungsverfahren nicht EU-konform war, also einen Rechtsmangel aufweist, und das Update für nicht statthaft erklärt, weil es nachweislich nichts nützt, dann ist der Zwang obsolet", sagt Kreil. Ignorieren sollten Kfz-Halter Bescheide nicht.

Umweltskandal

Der Abgasschummel ist zudem ein gewaltiger Umweltskandal, es würden rund 440.000 Tonnen gesundheitsschädliches NOx mehr ausgestoßen als zugegeben und notwendig, rechnet Lydia Ninz vor, eine der Autorinnen der von der AK finanzierten Studie "Dieselskandal – ein Update". Dringenden Handlungsbedarf sieht die AK auch im Verbraucherrecht. Österreich ist säumig, die EU-Richtlinie zur Behebung von Massenschäden wurde nicht umgesetzt, es gibt also keine Sammelklagen wie in anderen Ländern. Und so warten mehr als 9.000 vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertretene Kläger seit 2018 auf Anerkennung der Schäden.

Der VKI verlangt für sie 20 Prozent Preisminderung für betroffene Schummeldiesel. Bei einer Rückabwicklung, die gemäß OGH-Urteil bei Händlern noch immer eingeklagt werden kann, ist der Kaufpreis abzüglich eines Nutzungsentgelts zuzüglich vier Prozent Zinsen zu erstatten, sagt Studienautor und Rechtsanwalt Alexander Holzleitner.

Unsicherheitsfaktor "Thermofenster"

Ausgestanden ist der Dieselskandal augenscheinlich nicht. Noch immer beschäftigt die Causa, die weltweit allein rund elf Millionen Fahrzeuge von Volkswagen umfasste, Gerichte in ganz Europa. Gegen ein – nicht rechtskräftiges – Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig versucht sich Volkswagen neuerdings abzusichern. Die Händler des Konzerns legen ihren Kunden seit Anfang Juni Schriftstücke zur Unterschrift vor, in denen der Wolfsburger Konzern ausdrücklich darauf hinweist, dass Thermofenster in Kfz der Schadstoffklassen Euro 4 bis Euro 6c unzulässig sein könnten – obwohl diese seinerzeit genehmigt wurden. Die Folge wären Fahrzeugrückrufe, die bis zum Nutzungsverbot führen könnten. Auch der Wiederverkaufswert der Fahrzeuge würde dadurch gemindert, heißt es in dem Brief, der dem STANDARD vorliegt.

Hintergrund ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Typprüfbescheide der Genehmigungsbehörde KBA für 118 Fahrzeugtypen. Wird das Schleswig-Urteil in der zweiten Instanz bestätigt, könnten Millionen Typprüfbescheide in Europa erlöschen, die Fahrgenehmigungen wären perdu. Denn eine Typgenehmigung in einem Land der EU gilt für den gesamten Binnenmarkt. (Luise Ungerboeck, 14.7.2023)