Der Unternehmer Heinz Lichtenegger in seiner Unternehmenszentrale, inmitten von verschiedenen Schallplattenspielern.
"Musik ist in höchstem Maß philosophisch, wird spannend, wenn man sich mit ihr beschäftigt": Heinz Lichtenegger.
Regine Hendrich

Heinz Lichtenegger kommt ein wenig zu spät zum Gespräch, eine Sitzung zu den Bilanzzahlen hat länger gedauert. Nichts, was er gern macht, wie er sagt, bevor er in einem der Vorführräume Platz nimmt.

STANDARD: Der Sitz Ihres Unternehmens für Plattenspieler und andere Hi-Fi-Geräte hier in Mistelbach hat die Adresse Analogstraße 1. Was hat Sie die gekostet?

Lichtenegger: Nix. Viele Dinge im Leben kosten nichts außer Reden und Beziehungen. Wir waren 2017 eines der ersten Unternehmen hier im Wirtschaftspark, und es war halt mein Wunsch, einen schönen Namen zu haben. Die Gemeinde hat das dann genehmigt.

STANDARD: Hätten Sie einen Komponisten ausgesucht, wäre es Bruckner- oder Pink-Floyd-Straße geworden, deren Musik Sie so mögen?

Lichtenegger: Nein, Musik ist ja gerade so schön, weil sie so subjektiv empfunden wird und voller Variabilität ist, deswegen sollte man sich nicht für eine Richtung entscheiden. Das spiegelt sich auch in meiner Produktvielfalt vom Plattenspieler über Boxen bis zu elektronischem Zubehör wider, bei uns gibt es das alles in allen möglichen Farben und Formen. Unsere Kreativität ist unendlich, und wir machen das alles aus Respekt vor dem Menschen und der Musik. Denn alle Produkte klingen anders, alle Konsumenten haben unterschiedliche Vorstellungen. Skandinavier wollen mattschwarze Hi-Fi-Produkte, Italiener Hochglanzschwarz, und beim japanischen Konsumenten muss ein zusätzlicher Luxusglanz dazu. Ganz anders als in Europa: Hier erzeugen wir unsere Produkte im radikalen Bauhausstil, aufs Wesentliche reduziert.

STANDARD: Aber kein Brutalismus, da bräuchten Sie Beton …

Lichtenegger: Doch, wir machen jetzt auch einen Betonplattenspieler, Beton ist ein tolles Material. Jedes Material erzeugt Resonanzen, alles klingt. Wobei: Je lockerer die Atmosphäre beim Musikhören ist, je entschleunigter man ist, desto mehr wirkt Musik.

STANDARD: Sie verstehen sich als Ton-Philosoph?

Lichtenegger: Musik ist in höchstem Maße philosophisch, wird spannend, wenn man sich mit ihr beschäftigt. Das ist der Unterschied zu dahinplätschernder Hintergrundmusik, die nur mono wahrnehmbar ist. Dafür baue ich meine Produkte nicht, sondern für bewusstes Zuhören und Stereo, weil wir ja auch zwei Ohren haben. Leider wird die Welt immer mehr mono.

Ein Plattenspieler mit der Form des Yellow Submarine der Beatles
Der Beatles-Yellow-Submarine-Plattenspieler
Regine Hendrich

STANDARD: Sie handeln seit 45 Jahren mit Hi-Fi-Produkten, begonnen haben Sie damit an der Tankstelle Ihrer Mutter. Jetzt verkauft Ihre Audio Tuning Vertriebs GmbH 150.000 bis 200.000 Plattenspieler im Jahr, Sie sind Weltmarktführer bei hochwertigen Plattenspielern.

Lichtenegger: Ja, ich habe mir mit 16 kein Moped gekauft, sondern eine Hi-Fi-Anlage …

STANDARD: Angeregt von Ihrem Musikprofessor.

Lichtenegger: Genau, er hat uns mit extremem Engagement unterrichtet, Partituren erklärt, nach Wien in die Oper gekarrt, das hat mich sehr geprägt. Und ja, heute sind wir Weltmarktführer bei Qualitätsplattenspielern, wir haben mit unseren Produkten dazu beigetragen, dass analog hip wurde. Im Leben gibt es "opportunities" – und um die zu nützen, muss man sich bücken und sie aufheben. Das ist sehr mühsam, weil es oft um Kleinkram geht, aber ich habe es getan; im Gegensatz zu den meisten anderen.

STANDARD: Ihre Chance war 1991, als Sie an eine vor der Abwicklung stehende Fabrik in Tschechien kamen, die Plattenspieler erzeugte, die Sie für gut hielten. Die haben Sie gekauft?

Lichtenegger: Nein, die Fabrik gehört meinem tschechischen Partner. Ich nehme die gesamte Produktion ab, dafür erzeugt die Fabrik exklusiv für mich. So mache ich es bei allen fünf Fabriken, die inzwischen für mich produzieren, in Tschechien, Deutschland, der Slowakei und Taiwan: Abnahmegarantie gegen Exklusivproduktion.

STANDARD: Sie produzieren fünf Marken, warum so viele?

Lichtenegger: Ich habe mich immer an der Auto- und Luxusindustrie orientiert. Die dominieren mit verschiedenen Marken den Markt, Volkswagen etwa erreicht mit VW, Audi und Škoda unterschiedliche Kunden. So mache ich es auch: Pro-Ject ist wie ein VW für jedermann erschwinglich und stets auf dem neuesten Stand der Technologie. Die EAT-Geräte um bis zu 30.000 Euro, die von meiner Frau vertrieben werden, sind quasi der Porsche, die völlig individualisierte Luxusmarke, bei der sich der Kunde alles aussuchen kann. Aber allen Produkten ist gemeinsam, dass sie nachhaltig sind und von schlichtem, schönem Design. Ich glaube ja, dass Europas Industrie nur überleben kann, wenn sie auf Individualisierung setzt und die europäische Lebensweise und Philosophie vermarktet. Gegen China, das über die Menge billig verkauft, hat Europa keine Chance.

STANDARD: Sie verkaufen quasi den Porsche-Plattenspieler an den Musikverein-Abonnenten?

Lichtenegger: Leider nein, es ist erschreckend, was die Leute kaufen: Audio ist heute zu 99,9 Prozent Plastikmist aus China, auf dem große Namen draufstehen. Wenn Sie heute in den Musikverein schauen, haben Sie 80 Prozent A-Schicht-Publikum mit BMW 5er oder Mercedes S-Klasse und Villa in Hietzing – aber daheim haben sie einen billigen Bluetooth-Lautsprecher. Ich besetze mit meinen Hi-Fi-Produkten eine Nische, in der sonst niemand ist. Wobei ich als Geschäftsmann ja eigentlich alles verkehrt mache: Ich habe einen Markenkosmos aufgebaut, verkaufe mit allen Kabeln und Lautsprechern zusammen tausende Produkte. Aber ich verkaufe auch unsere Philosophie dazu und glaube, dass unsere Kunden das langfristig schätzen.

Eine Lagerhalle mit Paletten, auf denen Packungen mit Plattenspielern gestapelt sind.
In der Zentrale in Mistelbach ist auch das Riesenlager des Unternehmens untergebracht, das in 80 Länder exportiert.
Regine Hendrich

STANDARD: Sie beschäftigen 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich, und in den Fabriken, die für Sie produzieren, arbeiten rund 600. Bekommen Sie die Leute, die Sie brauchen oder spüren auch Sie den Fachkräftemangel?

Lichtenegger: Nein, ich finde gute Leute.

STANDARD: Zahlen Sie gut?

Lichtenegger: Nicht gut, aber fair. Sehr gut bezahle ich Leute, die loyal und längere Zeit da sind und sich einbringen.

STANDARD: Bieten Sie flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice an?

Lichtenegger: Nein. Wer zwei Tage pro Woche daheim arbeiten will, den nehme ich nicht. Wir sind da konservativ, schauen, dass die Leute von acht bis 16 Uhr da sind. Sonst kann man nie kommunizieren, aber Kommunikation ist alles. Ich brauche auch keine Mitarbeiter, die supergut, aber nur 60 Prozent für die Firma da sind. Da ist mir lieber, jemand ist nicht ganz so gut, gibt aber möglichst viel. Bei mir arbeitet man ganz oder gar nicht.

STANDARD: Sehr streng.

Lichtenegger: Ich arbeite 120 Prozent, das kann ich von niemandem verlangen. Aber eine gewisse Balance brauche ich hier, sonst funktioniert’s nicht. Wir hatten auch keine Kurzarbeit während Corona, und Förderungen wollte ich auch nicht. Dieser Förderungswahn in Österreich ist ja unfassbar.

STANDARD: Sie haben hier um neun Millionen Euro eine supermoderne, fast energieautarke Unternehmenszentrale auf die grüne Wiese gestellt. Da haben Sie doch sicher hohe Förderungen vom Land bekommen?

Lichtenegger: Ja, aber der Aufwand! Ein Mitarbeiter hat 1,5 Jahre nur für die Förderungen gearbeitet, und das Land hat eine Mitarbeiterin dafür abgestellt. Und der Luxus dieses Gebäudes, der ist neu – als wir noch in Wien waren, wo heute der Großhandel abgewickelt wird, war alles aufs Minimum reduziert. Ich habe bis vor kurzem alles in die Produkte und Entwicklung gesteckt und kaum Geld entnommen. Dieses Gebäude hier dient jetzt auch Marketingzwecken, die Designelemente spiegeln unseren Bauhausstil wider, alles ist auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit ausgerichtet.

Der Arm und die Nadel eines Plattenspielers, im Hintergrund der Plattenteller.
"Firmen blasen alles auf Grün auf, dabei erzeugen sie immer schlechtere Ware", sagt Lichtenegger und kritisiert auch "scheinheilige" Konsumenten.
Regine Hendrich

STANDARD: Arbeit für die Ewigkeit?

Lichtenegger: Ja, wir arbeiten für die Ewigkeit. Wir geben schon lange auf alle Produkte 25 Jahre Ersatzteilgarantie, so lange können wir das Produkt reparieren – aber es interessiert die Leute nicht! Die tun alle grün, agieren aber ganz anderes. Sie kaufen einen Plattenspieler auf Amazon und schicken ihn wieder zurück, danach ist er kaputt und wird weggeworfen. Lauter Scheinheilige, auch auf der Industrieseite, der Fake ist extrem: Firmen blasen alles auf Grün auf, dabei erzeugen sie immer mehr schlechtere und primitivere Ware. Wir dagegen kaufen 90 Prozent der Produktbestandteile aus 400 bis 500 Kilometer Entfernung, nur Netzteile, Transistoren und Ähnliches müssen wir in Fernost einkaufen.

STANDARD: In Taiwan produzieren Sie aber schon auch.

Lichtenegger: Ja, das stimmt. Wir wollten die Fabrik dort erhalten und deswegen bin ich eingestiegen.

STANDARD: Sie haben einmal gesagt, "Was ich produziere, braucht kein Mensch." Weil ja jeder Plattenspieler, jede Hi-Fi-Anlage Luxus ist?

Lichtenegger: Ja, alles Luxus. Zum Leben braucht man meine Produkte nicht unbedingt.

STANDARD: Sind Sie selbst inzwischen schon Millionär?

Lichtenegger: Weiß ich nicht, aber ich bin finanziell unabhängig. Mein Hauptkapital steckt im Unternehmen, und da gibt es jetzt neue Herausforderungen, denn so gut wie in der Corona-Zeit geht unser Geschäft nicht mehr. Die Mengenprodukte gehen nicht mehr so gut, darum müssen wir jetzt viel in Hightechprodukte investieren.

STANDARD: Was ist Ihr Luxus, neben Ihrem revitalisierten Bauernhaus?

Lichtenegger: Ich reise gern, am liebsten nach Frankreich, denn ich esse und trinke gern gut. Aber grundsätzlich bin ich ein sparsamer Mensch. Und grantig werde ich, wenn der Nepp rennt. In London zum Beispiel: Das ist völlig entrückt, dort fahr ich nicht mehr hin. Dort herrscht auch diese Doppelmoral: Zuerst nehmen sie die Leute aus wie die Weihnachtsgänse und dann machen sie auf Charity und Spenden.

STANDARD: Sind Sie für Vermögenssteuern?

Lichtenegger: Nein. Ich bin für die Umsatzsteuer, die ist die gerechteste Steuer und treibt die Wirtschaft an. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn meine Plattenspieler wieder mit 32 Prozent Luxussteuer belegt wären, und ich habe auch kein Problem mit unseren Wahnsinnssteuern auf Autos. Wenn ich so deppert bin und einen Porsche kaufe, dann soll ich dafür brennen.

Regale mit Langspielplatten in einem Vorführraum.
Um die 100.000 Platten besitzt Lichtenegger, ein kleiner Teil davon wird in den Vorführräumen in der Unternehmenszentrale aufgehoben.
Regine Hendrich

STANDARD: Was fahren Sie?

Lichtenegger: Eh einen Porsche. (lacht) Und sicher hat man auch einen Mercedes und so, aber dafür zahle ich, und das ist auch gerecht so.

STANDARD: Sie haben 100.000 Schallplatten, wo lagern Sie die?

Lichtenegger: Daheim, hier im Haus und im Lager. Ab und zu, wenn das Wetter schlecht ist, sortiere ich welche aus – aber das ist ein Lebenswerk, das wahrscheinlich nie zu Ende gehen wird.

Standard: Sie haben eine Tochter und einen Sohn, werden die Ihr Unternehmen einmal übernehmen?

Lichtenegger: Ich dränge Ihnen nichts auf. Wenn Sie Interesse haben, wenn es Ihnen Spaß macht, liegt es an Ihnen. Aber sie wissen: Das hier ist viel Hacke. (Renate Graber, 16.7.2023)