Fuhrmann
Irene Fuhrmann ist verantwortlich für Österreichs beste Fußballerinnen. Bei der Weltmeisterschaft ist sie zum Zusehen verdammt.
REUTERS/Lisa Leutner

Während es bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland nächste Woche ernst wird, ist Österreichs Frauen-Nationalteam zum Zusehen verdammt. Die Auswahl von Irene Fuhrmann verpasste die Qualifikation und schwitzt nun in Bad Tatzmannsdorf dem Testspiel gegen Island (Dienstag, 19.30 Uhr, ORF Sport+) entgegen.

STANDARD: Der Zeitpunkt des aktuellen Lehrgangs hat für ein wenig Verwunderung gesorgt. Ihre Spielerinnen kommen teils direkt aus dem Urlaub, am anderen Ende der Welt steht die WM vor der Tür. Warum also gerade jetzt?

Fuhrmann: Der Termin des Weltverbandes Fifa für den Lehrgang und das Testspiel gegen Island liegt natürlich ein bisschen suboptimal, begründet sich aber daraus, dass wir uns nicht für die Endrunde qualifiziert haben. Ohne den Lehrgang hätten wir uns zwischen April und Herbst gar nicht gesehen, also wollen wir das jetzt bestmöglich nützen. Ein Ziel ist natürlich auch, verletzungsfrei durchzukommen.

STANDARD: Wie ist der erste Eindruck von den Spielerinnen?

Fuhrmann: Wir sind sogar etwas positiv überrascht, unsere Erwartungshaltung wurde übertroffen. Einige Vereine beginnen mit der Vorbereitung sogar erst Ende Juli, und natürlich ist die Trainingsqualität nicht so hoch wie beispielsweise bei einer Vorbereitung auf eine Endrunde. Aber es bringt auch nichts, darüber zu jammern. Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die wir beeinflussen können.

STANDARD: Das Team ist mitten in einem Umbruch, vor allem defensiv haben mit Viktoria Schnaderbeck und Carina Wenninger zwei immens wichtige Spielerinnen ihre Karrieren beendet. Eine neue, vielleicht unangenehme Situation für Sie als Teamchefin?

Fuhrmann: Ja, mit diesen Spielerinnen, aber auch mit Jasmin Eder und Stefanie Enzinger sind uns sehr viel Erfahrung und Routine abhandengekommen, die größte Baustelle bei diesem Lehrgang ist aber, dass noch zusätzlich wichtige Abwehrspielerinnen ausfallen. Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme mit Ausfällen, aber nicht in diesem Ausmaß wie jetzt. Da liegt es auch an mir und meinem Team, eine gewisse Lockerheit auszustrahlen. Eine gewisse Fehlerkultur gehört dazu.

STANDARD: Die besondere Situation beim Frauenfußball in Österreich ist ja, dass man von der Spitze in die Breite will. Am Dienstag spielt Österreich bei der U19-EM-Endrunde. Ist also alles in Butter?

Fuhrmann: Natürlich ist unser Ziel, mit so vielen Nachwuchsauswahlen bei Endrunden dabei zu sein, insgesamt haben wir aber gerade während der Pandemie gesehen, dass es vor allem für Nachwuchsspielerinnen sehr schwierig war. Für die U19-Endrunde sind acht Teams qualifiziert, davon ist eines der Gastgeber, und es ist für uns noch immer etwas Besonderes, dabei zu sein. Gerade das ist dann auch wieder ein Zugpferd für viele junge Mädchen, zum Fußball zu finden.

STANDARD: Also muss man sich trotz des Umbruchs keine Sorgen um die Zukunft machen?

Fuhrmann: Man sieht, dass die ÖFB-Frauenakademie funktioniert, um den Sprung zu schaffen, muss aber alles klappen. Es kommt auf viele Faktoren an. Aber ja, wir haben nicht die Vielzahl an Talenten wie andere Nationen, aber wenn wir die durchbekommen, mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

STANDARD: Österreich ist ein Fußballland der Euphoriewellen. Beim Männerteam ist man gerade ziemlich obenauf, das Nationalteam zieht gewaltig. Vielleicht eine öde Frage, aber profitiert man davon auch als Teamchefin des Frauen-Nationalteams?

Fuhrmann: Es ist gar keine öde Frage, denn es ist extrem wichtig, dass das Aushängeschild, also das Männer-Nationalteam, erfolgreich ist. Es ist kein Geheimnis, dass wir zweimal bei einer EM-Endrunde über die Gruppenphase hinausgekommen sind, aber vom europäischen Verband Uefa eben nicht so viel ausgeschüttet wurde wie bei den Männern. Umso wichtiger ist es, dass das Männerteam auch die Fans anzieht und im Verband nicht nur in die Breite, sondern auch in den Frauenfußball investiert wird. Abgesehen davon bin ich auch Fußballfan und genieße es, wenn die Männer erfolgreich sind.

STANDARD: Seit Samstag gibt es mit Klaus Mitterdorfer einen neuen ÖFB-Präsidenten. Gab es bereits ein Treffen mit ihm?

Fuhrmann: Er wird uns am Samstag besuchen kommen, es gab schon ein Telefonat, aber ich kenne ihn schon von früher. Man hat bei ihm das Gefühl, dass er nicht nur ein offenes Ohr für Mädchen- und Frauenfußball hat, sondern dass er uns auch pusht. Für unseren Bereich ist es perfekt, wenn so eine Person an der Spitze des Verbandes steht.

STANDARD: In Kürze startet die WM, Ihre neue Kapitänin Sarah Puntigam hat gesagt, dass die Tränen von der verpassten Qualifikation noch nicht ganz getrocknet sind. Wie ist das bei der Teamchefin?

Fuhrmann: Es tut noch immer richtig weh. Gerade jetzt, wenn man mitbekommt, wie sich die Verbände vorbereiten und es bald losgeht. Der Stachel sitzt noch immer tief, vor allem deshalb, weil ich immer noch davon überzeugt bin, dass wir das Potenzial gehabt hätten, uns zu qualifizieren. Aber es ist auch gut, dass es wehtut, weil man so auch bereit ist, den Extrameter zu gehen, um genau dieses Ziel zu erreichen.

STANDARD: Die Endrunde steht auch ein wenig im Zeichen von Megan Rapinoe und Marta, für die es das letzte große Turnier sein wird.

Fuhrmann: Es ist das letzte Turnier für eine Generation an Spielerinnen, die eine große Strahlkraft für den Sport hatten. Ich bin aber davon überzeugt, dass schon die nächste Generation deren Plätze einnehmen wird.

STANDARD: Wer holt sich den Titel?

Fuhrmann: Man hat schon bei der Euro gesehen, dass der Pool an Titelanwärtern größer geworden ist. Natürlich gehören die USA zu den Favoritinnen, aber auch Brasilien ist wieder einen Schritt näher gekommen. Vor allem aber haben auch die Europäer gute Chancen, und ich würde mich freuen, wenn wir uns im Herbst in der Nations League gegen einen Weltmeister Frankreich beweisen dürften.

STANDARD: Die Gegner sind neben Frankreich noch Norwegen und Portugal. Was ist das Ziel?

Fuhrmann: Wir wollen die Liga halten und uns mit den Besten messen. (Andreas Hagenauer, 15.7.2023)