Marketa Vondrousova hat die wichtigste Schale im Tenniszirkus.
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Wimbledon - Als sich Prinzessin Kate von der Royal Box hinab auf den Centre Court des All England Clubs begab, um der Siegerin die Venus Rosewater Dish zu überreichen, saß Publikumsfavoritin Ons Jabeur mit leerem Blick auf ihrem Stuhl. Wie im Vorjahr bekam eine andere die silberne Schale überreicht, diesmal die Tschechin Marketa Vondrousova, die als erste Ungesetzte seit 60 Jahren auf dem heiligen Rasen von Wimbledon triumphierte. Jabeur weinte.

Vondrousova gewann das zerfahrene, von vielen Aufschlagverlusten und Fehlern gekennzeichnete Match nach nur 80 Minuten 6:4, 6:4. Unter dem Dach des Centre Courts, das vorsorglich wegen einer Unwetterwarnung geschlossen worden war, reihte sich die 24-Jährige als dritte Tschechin in die Siegerliste ein: 25 Jahre zuvor hatte nach Jana Novotna gewonnen, Petra Kvitova folgte 2011 und 2014.

"Das ist sehr hart", sagte Jabeur unter Tränen, "das ist die schmerzhafteste Niederlage meiner Karriere." Sie fand aber auch die Größe zu sagen, sie sei "glücklich" für Vondrousova, die sich lange mit Verletzungen herumgeplagt hatte. Der aufmunternde Applaus des Publikums konnte sie kaum trösten. "Ich weiß gar nicht, was gerade passiert", sagte die schier fassungslose Vondrousova, die ihre traurige Gegnerin wissen ließ: "Du bist so eine Inspiration für uns alle, und eines Tages wirst du hier gewinnen."

Bittere Momente für Ons Jabeur.
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Letzte ungesetzte Siegerin war 1963 Billie Jean King gewesen, die das Match an der Seite von Prinzessin Kate verfolgte. Ons Jabeur wiederum muss nach einem Match, das sie mehr verlor, als dass es Vondrousova gewann, weiter auf den ersten Sieg einer arabischen und aus Afrika stammenden Frau warten. Die 28 Jahre alte Tunesierin hatte nach dem Finale in Wimbledon im vergangenen Jahr auch das Endspiel der US Open wenige Wochen später verloren.

Vondrousova war freilich keineswegs zu unterschätzen. Bereits 2019 hatte die Linkshänderin das Finale der French Open erreicht, danach aber folgten Probleme und Operationen am linken Handgelenk. Vor Wimbledon hatte sie sich immerhin schon zurückgearbeitet auf Rang 42 der Weltrangliste - ab Montag wird sie nun als Zehnte und damit so hoch wie nie geführt werden. Hinzu kommt ein Preisgeld von 2,75 Millionen Euro.

Der Moment des Triumphes.
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Jabeur hatte mehrfach betont, wie viel ihr der Sieg bedeuten würde. Sie hatte auch als Favoritin gegolten, ihre Stärke auf Rasen ist bekannt. "Wer seine Emotionen besser kontrollieren kann, wird es gewinnen", sagte sie vor dem Finale, das sie unter anderem mit einem Sieg im Viertelfinale gegen die Vorjahressiegerin Jelena Rybakina aus Kasachstan erreicht hatte.

Jabeur hatte das Match zunächst im Griff, doch der Schein trog. Nach dem 4:2 im ersten Satz, der von zahlreichen Aufschlagverlusten gekennzeichnet war, verlor sie mit einem Mal den Faden. Vondrousova hatte nun ihre Nerven im Griff, Jabeurs Fehler und die zunehmende Entschlossenheit und Sicherheit ihrer Gegnerin bestimmten das Geschehen auf mäßigem Niveau.

Fünf Spiele verlor Jabeur nach ihrer Führung zum 4:2, dann endlich gelang ihr zum 1:1 im zweiten Satz wieder ein Break. Sie versuchte weiter, das Match zu bestimmen, doch zu 25 direkt erzielten Punkten, so genannten "Winnern", kamen eben auch 31 unerzwungene Fehler. Das Match bekam sie nicht mehr in den Griff. Nach einem erneuten Break von Vondrousova zum 5:4 nutze sie mit einem Rückhand-Volley schließlich ihren zweiten Matchball.(sid, 15.7.2023)