In Bern hat vergangene Woche der parlamentarische Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen, der aufklären soll, wie es zum Absturz der Großbank Credit Suisse (CS) kommen konnte – und ob bei der staatlich orchestrierten Übernahme durch die Konkurrentin UBS alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Ein solcher Ausschuss ist das schärfste parlamentarische Aufsichtsmittel und kommt nun erst zum fünften Mal überhaupt zum Einsatz. Der Ausschuss mit Abgeordneten aus allen Parteien soll die Ereignisse des hektischen Wochenendes vom 18. und 19. März 2023 untersuchen, als die Großbank UBS in einer koordinierten Notfall-Aktion von Finanzministerium, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht dazu gebracht wurde, die unmittelbar vor der Pleite stehende Credit Suisse zu übernehmen. Der Bund griff dabei zu Notrecht und setzte Rechte der Credit-Suisse-Aktionäre teilweise außer Kraft; zudem sprachen Bund und Nationalbank Garantien über 260 Milliarden Franken (265 Milliarden Euro) aus für den Fall, dass in den Büchern der Credit Suisse noch unentdeckte Risiken auftauchen sollten. Die UBS konnte so ihre Konkurrentin weitgehend risikolos und zum Schnäppchenpreis von drei Milliarden übernehmen.

Jagd nach Beute

Der Kollaps der CS hat natürlich auch Konkurrenten auf den Plan gerufen, die Beute wittern. So war gerade eben der Chef der deutschen Commerzbank, Manfred Knof, auf Kundenbesuch in Zürich und sagte dabei der Handelszeitung, sein Team in der Schweiz "wird derzeit mit Anfragen von Kunden regelrecht geflutet. Auch ich selbst werde von Schweizer Kunden immer wieder angesprochen." Denn viele Unternehmen, die bisher mit der Credit Suisse und der UBS Geschäfte abwickelten, wünschten sich auch weiterhin mehrere Banken als Partner etwa für Kreditlinien und fürs Exportgeschäft. "Schweizer Firmenkunden suchen eindeutig nach Alternativen. Insofern haben wir derzeit eine besondere Situation, von der wir auch gut profitieren können", so der Chef der Commerzbank.

Eine Ansicht zeigt das Logo der Credit Suisse auf einem Gebäude in der Nähe des Hallenstadions in Zürich, wo die Generalversammlung der Credit Suisse stattfand, zwei Wochen nachdem sie von der konkurrierenden UBS im Rahmen einer staatlichen Rettungsaktion übernommen wurde.
Die Aufarbeitung des Credit-Suisse-Debakels hat in der Schweiz erst so richtig begonnen
REUTERS/Pierre Albouy

Andere Banken haben es auf die lukrativen Vermögensverwaltungsmandate der Credit Suisse abgesehen; die Zürcher Privatbank Julius Bär etwa möchte die verwalteten Vermögen bis zum Jahr 2030 auf eine Billion Dollar verdoppeln. Denn nicht alle Kunden, die ihre Vermögen bei der Credit Suisse platziert haben, wollen zur UBS wechseln.

Umworbene Talente

Auch die besten "Talente" der Credit Suisse sind umworben; die Rede ist von ganzen Vermögensverwaltungsteams, die mitsamt ihrer Kundschaft zu anderen Banken übergelaufen sein sollen. UBS und CS haben insgesamt 120.000 Angestellte weltweit, und es ist klar, dass es im fusionierten Unternehmen nicht für alle Platz geben wird. Laut Bloomberg könnten bis zu 35.000 Stellen abgebaut werden, davon 10.000 in der Schweiz. Und kürzlich meldete die NZZ am Sonntag, es seien sämtliche Credit-Suisse-Angestellten aufgefordert worden, ihre Lebensläufe aufzudatieren, im Hinblick darauf, ob sich für sie auch in der neuen Organisation noch ein Platz finden lassen werde.

Die Bank kommentiert dies nicht, sondern will erst im Herbst über ihre Pläne informieren. Es gibt viele Doppelgleisigkeiten, etwa in der Verwaltung und im Schweizer Filialnetz. An Standorten, wo sich eine Credit-Suisse- und eine UBS-Filiale in Sichtweite befinden, wird nur eine überleben. Und im internationalen Investment-Banking wird erwartet, dass die UBS einen großen Schnitt machen und ganze Einheiten abstoßen wird.

Geschäfte mit enttäuschten Aktionären

Ein gutes Geschäft wittern auch Anwälte, die mit Klagedrohungen enttäuschten Aktionären, Gläubigern und Angestellten zu ihrem Recht und ihren Kanzleien zu lukrativen und medienwirksamen Mandaten verhelfen wollen. Zwar gibt es nach Schweizer Recht keine Sammelklagen, doch einige Kanzleien im In- und Ausland setzen darauf, doch noch etwas für ihre vermeintlich geprellte Klientel herausholen zu können. Umstritten ist etwa die vom Bund erzwungene Abschreibung der sogenannten AT1-Anleihen; CS-Aktionäre klagen gegen die aus ihrer Sicht ungenügende Bewertung ihrer Aktien, und ehemalige CS-Kader wollen wegen entgangener Boni Klage einreichen.

Das Logo der Credit Suisse vor dem Schweizer Parlament in Bern.
Im Parlament in Bern hat vergangenen Donnerstag ein Untersuchungsausschuss die Arbeit aufgenommen.
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Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist eine Großbank entstanden, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie das Schweizer BIP. "Diese neue Bank ist viel zu groß. Das ist gefährlich für die ganze Schweiz", warnt der Zürcher Bankenprofessor Marc Chesney im Gespräch mit dem STANDARD. Denn eine solch große Bank könne der Staat im Notfall nicht retten. Die Schweizer Wirtschaft und die Kundinnen und Kunden bräuchten solide und verlässliche Geschäftsbanken und nicht einen solchen Big Player, der im internationalen Konzert der Großen mitspielen wolle. "Deutschland wurde auch ohne eine solche Riesenbank eine führende Exportnation!" Besser wäre es laut Chesney, die Bank würde kleiner, indem man sie in verschiedene Einheiten auftrennen würde. Und auch schärfere Eigenkapital-Vorschriften würden helfen: "Eine Quote von 20 bis 25 Prozent an hartem Eigenkapital wäre nötig, damit eine Bank stabiler ist und nicht ,too big to fail‘ wird."

Das sieht der neue UBS-Konzernchef Sergio Ermotti ganz anders. Er ließ bei Amtsantritt verlauten, seine Sorge sei nicht, dass die Bank "too big to fail" sei, sondern "too small to survive". (Klaus Bonanomi aus Bern, 17.7.2023)