Ein Labormitarbeiter bearbeitet eine Cannabispflanze.
CBD ist ein Inhaltsstoff der Cannabispflanze ohne psychoaktive Wirkung. Dafür kann er bei Einschlafproblemen, Schmerzen, Ängsten und mehr helfen.
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Wenn Esther nicht einschlafen kann, dann raucht sie gern mal einen "Ofen". Im Pyjama sitzt sie dann auf der Fensterbank in der Küche, die Knie angewinkelt, den Blick in den Innenhof gerichtet. Während sie an ihrem Joint zieht, verbreitet sich langsam ein erdig-hölzerner, krautig-süßlicher Duft.

Was Esther, die eigentlich einen anderen Namen hat, raucht, ist kein herkömmliches Cannabis, sondern Cannabidiol (CBD). Dabei handelt es sich um einen Inhaltsstoff der Hanfblüte, der wenig bis keinen Anteil des psychoaktiven THC (Tetrahydrocannabinol) enthält – und legal ist.

Für Hanfprodukte wie CBD ist in den vergangenen Jahren ein riesiger Markt entstanden. Das Angebot ist breit: Es gibt Sprays, Öle, Cremen, sogar Gleitmittel oder beruhigende Snacks für Haustiere. Wirken soll es vor allem gegen Schmerzen und Angstzustände. Oder, wie in Esthers Fall, gegen Einschlafstörungen. Aber auch bei starken Periodenschmerzen raucht sie gelegentlich einen CBD-Joint. Von ärztlicher Seite erhielt sie dafür Zuspruch. "Ja, CBD hilft. THC sogar noch besser", sagte ihr eine Gynäkologin erst vor kurzem.

Die Wirkungsversprechen sind breit, die Nachfrage ist groß. Doch die am freien Markt erhältlichen Produkte sind von teils fragwürdiger Qualität. Und das Wissen zur richtigen Anwendung oder auch nur gute Beratung sind viel zu gering. Grund genug, einmal zu erklären, was CBD genau ist, wie es um die Datenlage zur medizinischen Wirkung von Hanfprodukten steht und warum Selbstmedikation ohne fachkompetente Beratung keine so gute Idee ist.

Welche Cannabinoide werden in der Medizin eingesetzt?

Begriffe wie Cannabis, THC, CBD und Hanf werden oft wahllos und unspezifisch im Diskurs verwendet. In der medizinischen Anwendung werden Cannabinoide eingesetzt. Das sind chemische Verbindungen, die als Transformationsprodukte von Terpenphenolen entstehen. Bekannt sind sie in erster Linie aus der Hanfpflanze. Aber auch der menschliche Körper stellt diese chemischen Verbindungen her. Darüber hinaus gibt es auch synthetisch hergestellte Cannabinoide.

Die bekanntesten Cannabinoide sind THC und CBD. Ersteres wirkt psychoaktiv, aber auch krampflösend, appetitanregend und schmerzstillend. Es kann zu einem Suchteffekt kommen, in Österreich ist es nicht legal. Zweiteres hat nur eine ganz geringe psychoaktive Wirkung, wie neue Erkenntnisse zeigen. Lange ist man davon ausgegangen, dass CBD gar nicht psychoaktiv wirkt. Harald Sitte vom Zentrum für Physiologie und Pharmakologie der Med-Uni Wien erklärt: "Hätte man mich vor ein paar Jahren gefragt, hätte ich gesagt, dass CBD keine wesentliche Wirkung auf die Psyche hat. Mittlerweile hat man aber festgestellt, dass es auch durch CBD zu einer niederschwelligen psychoaktiven Wirkung kommt. Es entsteht dadurch aber kein Rauschzustand." Auch Suchtgefahr besteht bei CBD nicht, es gibt aber einen Gewöhnungseffekt. Das heißt, man muss bei regelmäßiger Anwendung die Dosis steigern.

CBD und THC sind aber nur zwei von mindestens 113 Cannabinoiden, die bisher aus der Hanfpflanze extrahiert werden konnten. Womöglich gibt es sogar noch mehr. Welche Cannabinoide die Cannabispflanze produziert, hängt von der Pflanzengattung ab, je nach Züchtung produziert sie CBD oder THC. Die Cannabispflanzen, die auf österreichischen Feldern legal angebaut werden, produzieren CBD mit einem sehr geringen THC-Anteil von maximal 0,3 Prozent, sie wirken nicht psychoaktiv. Nur die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) betreibt eine legale Cannabisplantage in Österreich, auf der THC für medizinische Zwecke produziert wird. DER STANDARD hat hier darüber berichtet.

Was sagt die Studienlage zur medizinischen Wirkung von CBD?

Die Liste an potenziellen Anwendungsgebieten ist lang. Auf ihr finden sich Schmerzen, Entzündungen, Angstzustände, posttraumatischer Stress, neurodegenerative Erkrankungen, Übelkeit oder Gehirntumore. Sogar Hautpflegeprodukte oder spezielle Öle, die man bei Scheidentrockenheit anwenden kann und die die Libido steigern sollen, sind mit CBD versetzt. Denn es regt die Durchblutung an, das soll wie ein natürliches Gleitmittel wirken.

Die Studienlage dazu ist aber durchwachsen. Bereits eine kurze Suche zeigt, dass es zwar unzählige Studien zu CBD gibt, deren Qualität entspricht jedoch oft nicht den höchsten wissenschaftlichen Kriterien. Ein Studienreview aus dem Jahr 2020 ergibt etwa, dass schlüssige, kontrollierte Beweise für die therapeutische Wirkung von CBD für viele Gesundheitszustände fehlen.

Gleichzeitig berichten anwendende Ärzte wie etwa Rudolf Likar, Vorstand der Abteilung für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin am LKH Klagenfurt, von Erfolgen in der praktischen Anwendung, die mit Fallbeispielen belegt sind. Für ihn wäre CBD als entzündungshemmendes, schmerzlinderndes, krampflösendes, antipsychotisches Arzneimittel, das auch gegen Angst und manche Tumore wirkt, eine gute und wirkungsstarke Alternative zu klassischen Opioiden, die deutlich weniger Nebenwirkungen hat. Likar kritisiert, dass in Österreich die Daten und die firmenunabhängigen finanziellen Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, um kontrollierte randomisierte Studien durchzuführen. Genau die bräuchte es aber, um mehr Wissen zu generieren und Leitlinien für eine breite Anwendung zu erstellen. Eine gute Studienlage wäre auch die Basis, um eine Finanzierung durch die Sozialversicherung zu erwirken.

In einem Bereich zumindest ist die Wirkung von CBD tatsächlich sehr gut belegt: bei Epilepsie und bei Hirntumoren. Das zeigt etwa diese Studie ebenso wie diese Überblicksarbeit. Durch die entkrampfende Wirkung kann die Anzahl der epileptischen Anfälle deutlich reduziert werden. In anderen Bereichen wie etwa bei Demenzerkrankungen oder Substanzgebrauchsstörungen zeigen Studien keine verlässlichen Daten, weiß Pharmakologe Sitte. Es gebe zwar einige Hinweise für eine positive Wirkung von CBD, aber eine gute wissenschaftliche Evidenz ist nicht gegeben. Hier ist noch weitere Forschungsarbeit nötig.

Kann CBD von der Gesundheitskasse übernommen werden?

Durch die mangelhafte Studienlage ist es schwierig, den Einsatz von medizinischem CBD auf Rezept zu verhandeln. Derzeit wird CBD nicht von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) erstattet, sondern nur in Einzelfällen jeweils extra bewilligt. Voraussetzung dafür sind spezielle Indikationen, im Schmerzbereich und bei onkologischen Erkrankungen, und die Verschreibung durch Fachärztin oder Facharzt. Im Normalfall handelt es sich dann um das Medikament Epidiolex, das CBD in Reinform enthält. Auf STANDARD-Anfrage teilt die ÖGK mit, dass derzeit für die Erstattung in einem größeren Rahmen die wissenschaftliche Evidenz noch fehlt.

Daraus resultiere am Ende aber eine Zwei-Klassen-Medizin, kritisiert Anästhesist Likar. Und selbst jene, die sich CBD-Produkte leisten können, haben keine Garantie dafür, dass sie ein qualitativ hochwertiges Produkt bekommen.

Genau hier hakt die Arge Canna ein, ein Verein zur Unterstützung von Patientinnen und Patienten in Österreich. Sie fordert unter anderem, dass Cannabisprodukte unabhängig auf ihre Qualität geprüft werden sollen. Und Svetlana Ilic, Vorstandsmitglied der Arge Canna, die selbst CBD-Produkte in Bio-Qualität vertreibt, plädiert dafür, dass Produkte mit Cannabinoiden reguliert und kontrolliert werden sollten. Nur so sei gewährleistet, dass man die entsprechende Qualität in der richtigen Dosierung anwenden könne.

Der Trend geht zu Selbstmedikation – ist das gefährlich?

Im Grunde kann man nichts falsch machen, sind sich Experten einig. Suchtgefahr besteht keine, es kann allerdings zu Nebenwirkungen wie Benommenheit, Schläfrigkeit oder Stimmungsschwankungen kommen. Das ist auch logisch, sagt Pharmakologe Sitte, "es gibt keine Substanz ohne Nebenwirkungen, sonst hätte sie auch keine Wirkung. Im Fall von CBD sind die Nebenwirkungen aber unbedenklich."

Das größere Problem ist, dass CBD-Produkte als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden und nicht als Arzneimittel. Das liegt auch daran, dass die Grundlagen für einen Einsatz als Arzneimittel in Österreich weitgehend fehlen. Für Nahrungsergänzungsmittel sind aber keine klinischen Studien vorgeschrieben, um ihre Wirksamkeit zu belegen, auch die Zusammensetzung eines Produkts muss nicht klar ausgewiesen werden. Das ist insofern problematisch, als es dadurch sehr oft keine Möglichkeit gibt, die Herkunft, Qualität, Wirkstoffkonzentration oder auch Verunreinigungen der im freien Verkauf erhältlichen Produkte zu prüfen.

Und obwohl die Nebenwirkungen überschaubar sind, ist Selbstmedikation nur bedingt eine gute Idee, sagt der Allgemeinmediziner Patrick Thurner, der in seiner Praxis regelmäßig mit CBD-Produkten arbeitet. Er berichtet von guten Erfolgen bei Schlafproblemen, leichten depressiven Zuständen und auch bei Schmerzzuständen. "Bei Letzteren muss man ausprobieren, wie gut CBD wirkt, die Schmerzlinderung gelingt nicht immer."

In jedem Fall empfiehlt Thurner, sich von einem Arzt oder einer Pharmazeutin beraten zu lassen: "Wendet man CBD falsch oder nicht in einer passenden Dosis an, erzielt man nicht die gewünschte Wirkung. Man muss auch das Zusammenspiel mit anderen Medikamenten beachten, in vielen Fällen ist CBD ein sinnvolles Zusatzmittel." Kommt es durch falsche Anwendung nicht zur erhofften Wirkung, sind viele enttäuscht und verwerfen CBD komplett. Im schlimmsten Fall hat man dann viel Geld ausgegeben, ohne etwas bewirkt zu haben.

Kann man Produkten aus CBD-Shops trauen?

Hanfshops sind für viele die erste Anlaufstelle, wenn sie CBD-Produkte kaufen wollen. Doch die Qualität der dort erhältlichen Produkte ist oft unklar. Vieles wird aus China importiert, es gibt keine klaren Qualitätsstandards. Die wären aber wichtig. "Hanf ist ein Tiefwurzler, seine Wurzeln reichen bis zu sieben Meter in den Boden und können dort alle möglichen Schadstoffe wie zum Beispiel Schwermetalle aufnehmen", erklärt CBD-Produktentwicklerin Ilic.

Deshalb bietet etwa die Arge Canna ein eigenes Gütesiegel für Produzenten an, den AC-Tropfen. Die so zertifizierten Produkte werden in unabhängigen Laboren auf Inhaltsstoffe, Zusammensetzung und Schadstoffe geprüft. Die Arge Canna führt auch immer wieder Blindtestungen durch. Produkte mit diesem Gütesiegel erfüllen zumindest von der Arge Canna festgelegte Qualitätskriterien. (Pia Kruckenhauser, Mitarbeit: Helene Dallinger, 12.8.2023)