Ein Wiener PR-Manager tritt nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung als Vertreter einer Interessensvertretung zurück. Der Agenturchef weist die Vorwürfe in einem Statement zurück. Es sei ihm "sehr wichtig zu betonen, dass dieser Schritt einzig und alleine dazu dient, Aufklärung zu ermöglichen und in keiner Weise ein Eingeständnis für inadäquates Verhalten jeglicher Art darstellt“, heißt es in einem Statement an die Mitglieder der Interessenvertretung.

Inhaltlich sieht der Manager kein Fehlverhalten. Die Situation hält er "nicht nur für mich, auch für das gesamte Team unerträglich, denn durch das inakzeptable anonyme Streuen von Gerüchten entstehen Vorverurteilungen, die ich so nicht stehen lassen werde, weil ich meinen und den Ruf meines Unternehmens und unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Anonymität heraus nicht schädigen lasse".

Vorfälle von 2017 bis Ende 2020

Fünf ehemalige Mitarbeiterinnen beschuldigen den Manager, Übergriffe getätigt zu haben. Es geht um verbale Übergriffe, aber auch um körperliche. Die Frauen wurden jedenfalls im Zeitraum von 2017 bis Ende 2020 nach eigenen Angaben eingeschüchtert und unter Druck gesetzt und – so sie sich gegen die herabwürdigende Behandlung wehrten – noch schlechter behandelt als vorher. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Frauen haben zu den Vorwürfen eine rechtliche Einschätzung ihrer Erlebnisse eingeholt. Ein Untersuchungsbericht des Anwalts Alexander Stücklberger bestätigt über weite Teile die Glaubwürdigkeit der Aussagen und arbeitsrechtlich relevante Grenzüberschreitungen. Aufgrund der Verjährungsfristen können diese Ansprüche allerdings nicht mehr geltend gemacht werden. Der etwa 20-seitige Bericht liegt dem STANDARD vor. Die Onlineplattform brutkasten.com berichtete zuerst über die Vorwürfe.

Für den Bericht wurden die fünf betroffenen Frauen interviewt. Die Liste der Vorwürfe ist lang. So soll der Manager Frauen häufig als "Prinzessin", "Mäuschen" oder "Schatzi" angesprochen haben. Mehrere berichteten von unerwünschten Berührungen an Armen und Rücken. Eine weitere Mitarbeiterin erzählt von expliziten Schilderungen sexueller Präferenzen. So habe der CEO ihr regelmäßig gesagt, er habe "eine Vorliebe für 'Dreier'."

Ehemalige Mitarbeiterinnen berichten von sexuellen Übergriffen in der PR-Agentur.
Sexismus
Ehemalige Mitarbeiterinnen berichten von sexuellen Übergriffen in der PR-Agentur.
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Insgesamt wird das Arbeitsklima in der Agentur als toxisch geschildert. Auch durch andere Führungskräfte fühlten sich die ehemaligen Mitarbeiterinnen eingeschüchtert, abgewertet und auf übergriffige Art behandelt.

Als auf einer Internetplattformen die Vorwürfe erstmals öffentlich wurden, sei ein interner Workshop abgehalten worden, heißt es in dem anwaltlichen Protokoll. Dort habe sich der der Übergriffe Beschuldigte zu den belästigenden Verhaltensweisen rechtfertigen können. Von den versammelten Führungskräften sei er in Schutz genommen worden. Der Agenturchef selbst habe den Workshop geleitet und erklärt, dass der Kollege so etwas nie tun würde.

"Tschau, Mädl!"

Klärende Gespräche wurden im Beisein jenes Kollegen durchgeführt, gegen den sich Tatvorwürfe richteten. Eine der ehemaligen Mitarbeiterinnen berichtet, dass sie von einer anderen Führungskraft gefragt worden sei, ob sie schon einmal Analsex gehabt habe. Sie müsse dies unbedingt einmal ausprobieren und solle dann an ihn denken. Generell sei es im Großraumbüro sehr häufig um sexuelle Themen gegangen, berichtet die ehemalige Mitarbeiterin. Auf dem Weg in den Lift sei sie von einer Führungskraft am Gesäß getätschelt und mit "Tschau, Mädl" verabschiedet worden. Wiederum sei ein Termin vereinbart worden. Im Rahmen dieses Termins habe die männliche Führungskraft sich verteidigt und gemeint, "dass das keine Absicht gewesen sei". Die Betroffene solle sich „nichts darauf einbilden".

Für Anwalt Stücklberger sind die Vorwürfe glaubhaft: "Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Vorwürfe erfunden wurden. Einzelne Interviews waren sogar von Selbstkritik und Selbstzweifeln geprägt. Gerade die von sämtlichen Betroffenen geschilderte Atmosphäre im Unternehmen und die Vielzahl an Grenzüberschreitungen, die übereinstimmend wiedergegeben wurden, sprechen für die hohe Glaubwürdigkeit eines strukturellen Machtmissbrauchs innerhalb des Unternehmens", sagt er zum STANDARD: "Im Rahmen der Untersuchung kamen strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen den Agenturchef auf. Da bei den vorgeworfenen sexuellen Übergriffen das Opfer identifizierbar wäre, können wir in der Öffentlichkeit aufgrund des Opferschutzes nicht näher darauf eingehen."

Ungerechtfertigte Vorwürfe

Der Manager sieht die Anschuldigungen und Vorwürfe als ungerechtfertigt, wie er in einer dem STANDARD vorliegenden Erklärung erläutert: "Sie werden anonym erhoben, und ich habe deshalb keine Möglichkeit und keine Chance, sie zu überprüfen, sie in einen Kontext zu stellen, ihnen zu entgegnen oder sie klarzustellen. Sie werden gegen mich persönlich und mein Unternehmen orchestriert gestreut sowie via Social Media und durch die Kontaktaufnahme mit Medien, denen mein Name von Dritten genannt wird, vorgebracht." Die Situation sei für ihn "unerträglich". 

Er stehe, so in der Aussendung weiter, "aus tiefster Überzeugung dafür ein, dass inadäquates Verhalten, Sexismus und Übergriffe jeder Art in unserem und allen anderen Unternehmen der PR-Branche und darüber hinaus absolut inakzeptabel sind". Anonyme Vorwürfe seien allerdings für ihn nicht nachvollziehbar oder zuordenbar. Diese will der Manager "allerdings nicht akzeptieren und mit allen zur Verfügung stehenden juristischen Mitteln dagegen vorgehen", heißt es in dem Schreiben.

Der PR-Verband verurteilt unterdessen in einer öffentlichen Aussendung Sexismus am Arbeitsplatz. (Doris Priesching, Oliver Mark, 18.7.2023)