Wien – Nachdem Unwetter bereits am Montag Feuerwehren auf Trab gehalten hatten, zogen auch am Dienstag Gewitter durch Österreich. Am Dienstagnachmittag bescherte eine Unwetterfront Tirol zum Teil Sturmböen, Hagel und Regen und hat unter anderem zu vereinzelten Schäden, lokalen Stromausfällen sowie Straßen- und Bahnstreckensperren geführt.

Video: Heftige Unwetter im Bezirk Völkermarkt in Kärnten
APA

Auch der zu den Bregenzer Festspielen reisende Bundespräsident Alexander Van der Bellen war offenbar von einer Bahnsperre betroffen. Insgesamt kam es zu über 500 Feuerwehreinsätzen, vor allem wegen umgestürzter Bäume. Besonderer Schwerpunkt war das Oberland und dabei besonders der Bezirk Imst. Berichte über Verletzte gab es vorerst nicht.

Ein Feuerwehrauto steht vor einem Haus in Imst, dessen Dach vom Gewitter teilweise abgetragen wurde. Ein Feuerwehrmann steht auf dem Dach, die Leiter des Autos ist ausgefahren.
Die Gewitter haben zum Teil Dächer abgetragen (im Bild ein Haus in Imst).
APA/ZEITUNGSFOTO.AT

Der Sturm erreichte Spitzen von bis zu 161 km/h. Vereinzelt wurden auch Dächer abgetragen, teilte der Sprecher des Tiroler Landesfeuerwehrverbandes, Anton Wegscheider, mit. Auch verzeichnete man lokal mitunter überflutete Keller. Rund 130 Feuerwehren waren landesweit im Einsatz.

Stromausfälle auch am Mittwoch

Zu kämpfen hatte und hat man in Tirol auch mit flächendeckenderen Stromausfällen: Nach Informationen des landeseigenen Netzbetreibers Tinetz waren am Mittwochmorgen (Stand 8.30 Uhr) noch rund 5.700 Kunden ohne Strom. 198 Trafostationen in 18 Gemeinden waren betroffen. Vor allem im Ötz- und Pitztal, dem hinteren Zillertal wurden die Störtrupps auf Trab gehalten. In Osttirol waren die Störungen Mittwochfrüh bereits beseitigt. Zu Spitzenzeiten waren 18.000 Haushalte und 400 Trafostationen in 31 Gemeinden tirolweit kurzzeitig ohne Strom gewesen. Zudem fiel im hinteren Ötztal und Pitztal das Handynetz aus, wodurch keine Mobiltelefonie möglich war. Die Feuerwehrhäuser seien als Anlaufstelle für die Bevölkerung besetzt, um in Notfällen per Funk einzuspringen.

In Tirol kam es über das gesamte Bundesland verstreut auch zu teilweise schweren Schäden in der Landwirtschaft. "Schwerpunkt war in den Bezirken Innsbruck-Land, Imst und Schwaz mit einem landwirtschaftlichen Schaden in der Höhe von 450.000 Euro", erklärte Norbert Jordan, Landesdirektor der Österreichischen Hagelversicherung in Tirol, in einer Aussendung. Rund 500 Hektar an Agrarfläche wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Bahn- und Straßenverkehr eingeschränkt 

Wegen Schäden– Bäume waren auf die Oberleitungen des Bahnverkehrs gefallen– fuhren zwischen Innsbruck Hauptbahnhof und Landeck-Zams zunächst keine Fernverkehrszüge. Überdies war die Bahnstrecke zwischen Telfs-Pfaffenhofen und Imst-Pitztal Bahnhof unterbrochen. Auch auf der Brennerstrecke konnten zwischen Steinach und dem Brenner keine Züge verkehren. Die Dauer der Sperren war vorerst nicht absehbar, hieß es seitens der ÖBB. Ein Schienenersatzverkehr mit Bussen werde eingerichtet.

Wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtete, war ein Railjet – ebenfalls wegen eines Oberleitungsschadens – kurz vor dem Bahnhof in Roppen zum Stehen gekommen. Der Bereich wurde abgesichert. Die Fahrgäste konnten anschließend aussteigen und wurden von den Mitarbeitern der ÖBB und der Feuerwehr zum Bahnhof geführt.

Im Railjet befand sich dem Bericht zufolge auch Bundespräsident Van der Bellen. Er war auf dem Weg nach Bregenz, wo er am Mittwoch die dortigen Festspiele eröffnen wird. Kurz nach 17 Uhr konnte der Präsident mit einem Auto die Fahrt nach Vorarlberg fortsetzen, hieß es. Laut der "Kleinen Zeitung" hatten der Bundespräsident und alle weiteren Fahrgäste rund zwei Stunden in den Waggons ausharren müssen.

Mehrere umgestürzte Bäume lehnen auf der Seitenwand eines Hauses.
Umgestürzte Bäume in Imst.
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Auch auf den Straßen kam es– vor allem wegen umgestürzter Bäume– zu vereinzelten, kurzfristigen Sperren. So etwa auf der Inntalautobahn (A12) bei Telfs in Richtung Kufstein, wie der ÖAMTC mitteilte. Mittlerweile war aber wieder eine Fahrspur frei, hieß es. Im Roppener Tunnel im Oberland hatten die Unwetter einen Stromausfall zur Folge, auch hier kam es zu einer Sperre. Auch in Seitentälern wie dem Zillertal, Ötztal oder Pitztal mussten Straßen gesperrt werden. Der ÖAMTC verwies auf den herrschenden starken Reiseverkehr und daraus resultierende Staus. Von nicht unbedingt notwendigen Fahrten sollte man vorerst absehen.

In der Gemeinde Silz im Bezirk Imst wurde zudem zwischenzeitlich eine Zivilschutzwarnung ausgesprochen, teilte das Land Tirol mit. Der Bürgermeister der Gemeinde bat die Bevölkerung, vorerst die Gebäude nicht zu verlassen– und zwar wegen herumfliegender Teile durch abgedeckte Dächer. Wenig später wurde die Warnung aber wieder aufgehoben.

Mehrere Bergnotfälle

In mehreren Erstmeldungen der Leitstelle Tirol war zudem von Bergnotfällen die Rede, etwa im Karwendelgebirge, aber auch in Münster und Imst. In der Zillertal Arena im gleichnamigen Tal standen wegen eines Stromausfalles die Gondeln still. Auch Hütten waren betroffen. Rund 1.600 Wanderer mussten laut Angaben der lokalen Bergbahn im Bereich Rosenalm zunächst am Berg ausharren. Über einen Notbetrieb wurden 400 in den Gondeln befindliche Personen nach einiger Zeit sicher ins Tal gebracht. Bis 19.00 Uhr seien schließlich die restlichen Gäste, die zwischenzeitlich auf den Stationen sowie in den Hütten betreut worden waren, schließlich wieder mit der mit Strom versorgten Bahn ebenfalls ins Tal transportiert worden.

Im Bereich der Gerlossteinbahn im Gemeindegebiet von Hainzenberg war hingegen kein Leerfahren der Liftanlage möglich. 20 Personen mussten letztlich durch die Bergrettung geborgen werden.

Ein Bericht über die Unwetter am Dienstag.
ORF

Spuren hinterließ das Unwetter auch im Stubaital. In Neustift kam es unter anderem zu kleinen Vermurungen. Ab 16.00 Uhr lösten die schweren Unwetter zudem einen Rettungseinsatz bei einer Seilbahn aus. 40 Personen mussten aus Gondeln gerettet werden. Eine Gondel stürzte wegen des Unwetters sogar ab, sie war jedoch zum Glück unbesetzt. Der Einsatz dauerte mehr als vier Stunden, wie die Polizei berichtete. Verletzt wurde niemand.

Der Taleingang bzw. die Zufahrtsstraße in das Pinnistal wurde oberhalb der Fraktion Schmieden durch umgestürzte Bäume zur Gänze verlegt, teilte die Polizei mit. Wegen umstürzender Bäume wurden drei landwirtschaftliche Fahrzeuge (Schlepper, Traktoren) und ein Auto schwer beschädigt. Die Fahrzeuginsassen konnten sich selbstständig befreien und blieben unverletzt. Eine etwa zehnköpfige Fußgängergruppe fand unterdessen nahe der Landmaschinen Schutz und wurde ebenfalls nicht verletzt.

Feuerwehreinsätze in Salzburg

In Salzburg sind am Dienstagnachmittag nach einem heftigen Gewitter zwei Seilbahnen wegen umgestürzter Bäume zum Stillstand gekommen. In Wagrain (Pongau) mussten 144 Personen in einer großen Hilfsaktion aus den Gondeln befreit werden, in Uttendorf (Pinzgau) waren es 13 Fahrgäste.

Das Gewitter richtete abgesehen vom Flachgau und der Stadt Salzburg praktisch in allen Bezirken Schäden an. Gegen 21 Uhr zählte die Landeswarnzentrale in Summe 96 Einsätze, bei denen 607 Feuerwehrleute von 27 verschiedenen Feuerwehren im Einsatz standen.

Sturm deckte in Montafon Dächer ab

Aufgrund des heftigen Gewitters und starker Sturmböen mussten die Feuerwehren im Montafon im äußersten Süden Vorarlbergs am Dienstagnachmittag über 20 Mal ausrücken. Mehrere Bäume verlegten die Montafonerstraße (L188), was kurzfristig zu einer Totalsperre führte. In St. Gallenkirch und Gortipohl wurden Dächer von Wohnhäusern abgedeckt, informierte die Polizei. Verletzt wurde ersten Erkenntnissen zufolge niemand.

Besonders betroffen waren neben St. Gallenkirch und Gortipohl auch Gaschurn. Durch umgestürzte Bäume verlegt wurden auch der Güterweg "Grappes" in St. Gallenkirch und der Fahrradweg entlang der Ill in Gaschurn. Die beschädigten Dächer wurden von den Feuerwehren provisorisch gesichert.

Sturm fegte durchs steirische Ennstal

Die angekündigten schweren Unwetter sind Dienstagnachmittag nach Tirol auch über die Steiermark hinweggezogen und haben Schäden hinterlassen: Laut Energie Steiermark hatten Dienstagabend rund 2.000 Haushalte keinen Strom– Mittwochfrüh waren es noch etwa 100. Am stärksten betroffen war das Ennstal, die schon am Vortag stark betroffene Südweststeiermark sowie das Mürztal. Die Ennstalbundesstraße (B320) musste in einigen Abschnitten wegen Aufräumarbeiten gesperrt werden.

Ein Baum stürzte auf ein Auto im Ennstal.
Ein Baum stürzte auf ein Auto im Ennstal.
APA/BFV LIEZEN

Wie das Bereichsfeuerwehrkommando Liezen mitteilte waren zahlreiche Bäume durch Sturmböen auf die B320 gefallen. Hotsports waren Mandling, Schladming, Oberhaus, Haus, Ruperting, Gröbming und Stainach: "Alleine zwischen Schladming und Haus im Ennstal stürzten im dreispurigen Abschnitt rund zwei Dutzend ausgewachsener Bäume auf die Straße", hieß es in einer Aussendung. Es seien dort "wie durch ein Wunder" keine Fahrzeuge betroffen gewesen.

Eine Person sei allerdings nach ersten Informationen der Feuerwehr in Oberhaus verletzt worden, wo ein Baum auf ein fahrendes Auto gefallen war. In Aigen im Ennstal stürzten Bäume auf eine Gartenhütte. In Ramsau wurde das Dach eines Stallgebäudes abgedeckt. Im Bezirk Liezen standen in Summe 25 Feuerwehren mit rund 400 Mann im Einsatz.

Im weststeirischen Bezirk Deutschlandsberg, der bereits in den vergangenen Tagen von Unwettern betroffen war, mussten Dienstagabend neuerlich rund 30 Wehren mit 350 Feuerwehrleuten ausrücken: Abermals waren Bäume auf Straßen gefallen und Stromleitungen wurden zerstört. Laut Bereichsfeuerwehrverband Deutschlandsberg waren die meisten Einsätze zwischen 18.00 und 20.00 Uhr. Danach habe sich die Lage rasch wieder beruhigt. Im Ortsteil Oisnitz in der Gemeinde St. Josef rückte die Feuerwehr auch zu einem Trafobrand aus. In Hollenegg mussten Personen aus Liften befreit werden. In St. Peter im Sulmtal wurde ein Kamin durch den Sturm beschädigt und von der Feuerwehr gesichert. Von Verletzten war vorerst nichts bekannt.

Unwetter in Kärnten

Schwere Unwetter hat es ab Dienstagnachmittag auch in Kärnten gegeben. Starkregen und Sturm sorgten wieder für zahlreiche Feuerwehreinsätze im Land. Bei einem Hotel in Velden (Bezirk Villach-Land) wurden Teile des Dachs abgedeckt, Trümmer beschädigten drei Pkw von Hotelgästen, Wasser drang in die oberen Zimmer ein, berichtete die Polizei.

Laut Polizei wurde in Stockenboi (Bezirk Villach-Land) ein mit zwei Frauen und einem Kleinkind besetztes Auto während der Fahrt von einem Baum getroffen. Auch im Bezirk Völkermarkt wurde ein Fahrzeug mit zwei Insassen von einem Baum getroffen, hieß es von der Feuerwehr. Die Menschen wurden unversehrt geborgen. Auf die Mölltal Straße (B106) bei Obervellach (Bezirk Spittal an der Drau) stürzte ein 800 Kilogramm schwerer Felsbrocken, der mittels Lkw umgehend abtransportiert wurde.

Im Bezirk Völkermarkt mussten die Feuerwehren innerhalb von zwei Tagen über 600 Einsätze bewältigen, sagte Feuerwehrkommandant Patrick Skubl am Mittwoch zur APA. Seit Dienstagnachmittag waren es rund 50, seit Mittwoch, 6.00 Uhr, waren in Eberndorf und St. Kanzian Feuerwehrleute mit Aufräumeinsätzen beschäftigt.

Bis zu 10.000 Haushalte waren infolge der Unwetterschäden am Dienstag auch in Kärnten ohne Stromversorgung. Wie Robert Schmaranz von der Kärnten Netz sagte, waren vor allem Mittel- und Unterkärnten betroffen, am stärksten jedoch der Bezirk St. Veit an der Glan. 150 Monteurinnen und Monteure seien Einsatz, dazu gebe es Luftunterstützung. Am Mittwoch in der Früh waren noch 4.000 Haushalte nicht mit Strom versorgt.

Ein Verletzter in Südtirol

Die Unwetterfront hat am Dienstag auch vor Südtirol nicht Halt gemacht. Am Nachmittag sorgten die durchziehenden Gewitter für Starkregen, Sturmböen und Hagel. 4.500 Blitze wurden registriert, die Feuerwehr rückte zu 300 Einsätzen aus, hieß es auf der Internetplattform "stol.it". Bei Windspitzen bis zu 104 km/h wurden etwa in Salurn Bäume entwurzelt, Straßen blockiert und Häuser abgedeckt. Mehrere Südtiroler Gemeinden waren vorübergehend von der Stromversorgung abgeschnitten. Der Bahnverkehr kam streckenweise zum Erliegen.Indes wurde durch die Unwetter auch mindestens eine Person erheblich verletzt. Ein Arbeiter war in Terlan von einem umstürzenden Baum getroffen worden.

Weiter unbeständig

Laut Michael Staudinger, dem langjährigen Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und Konsulent der Weltmeteorologischen Organisation, werden die nächsten Tage in Österreich unbeständig bleiben. Die Mischung aus sehr heißen Luftmassen im Süden und kühleren Luftmassen im Norden "bleibe weiter explosiv", sagte er in der "ZiB2" am Dienstagabend.

"ZiB 2": Meteorologe Michael Staudinger zu Unwettern
ORF

Klimaveränderungen machen sich in Österreich laut Staudinger mit zwei Arten von Extremen bemerkbar: Starkniederschläge werden wesentlich intensiver und Trockenperioden länger. (APA, red, 19.7.2023)