Eine Frau geht in eine Kabine in einer Impfstraße.
Mit etwas zeitlicher Verzögerung zur Pandemie wird die Impfung vermehrt ein Fall für die Gerichte.
IMAGO/Steffen Schellhorn

Im Gastbeitrag erklären die Juristen Miriam Astl und Armin Redl, worum es in den Zivilprozessen gegen Pharmakonzerne geht

Die Covid-Pandemie hat die ganze Welt über drei Jahre lang in Schach gehalten. Mit 5. Mai 2023 hat die Weltgesundheitsorganisation die weltweite gesundheitliche Notlage in Zusammenhang mit Covid-19 für beendet erklärt.

In Österreich ist Covid-19 seit 1. Juli 2023 keine meldepflichtige Infektionskrankheit mehr. Die Aufarbeitung der Pandemie hält allerdings noch an, und das in all ihren Ausprägungen. Vor allem das Erfordernis der rechtlichen Aufarbeitung derselben nimmt jetzt erst Formen an.

So sollen demnächst die ersten Prozesse in Deutschland zu Schmerzensgeld- sowie Schadenersatzforderungen gegen Covid-19-Impfstoffhersteller aufgrund behaupteter Impfschäden starten. Laut deutschen Medien sind rund 200 solcher Prozesse an deutschen Gerichten anhängig.

Und in Österreich?

Auch in Österreich ist eine Entschädigung bei Impfschäden im verwaltungsrechtlichen Verfahren über das Impfschadengesetz denkbar. Laut einer Auskunft des Gesundheitsministeriums wurde bis Ende 2022 lediglich in 50 Fällen – diese bewegen sich wohlgemerkt im Verhältnis zu den über 1.800 gestellten Anträgen im unteren Promillebereich – ein Impfschaden anerkannt.

Daneben steht etwaigen Geschädigten der zivilrechtliche Weg wegen Geltendmachung von Schmerzensgeld und Schadenersatz gegenüber jenen Ärzten oder Impfstoffherstellern offen, welche die Impfstoffe verabreicht haben, wenngleich eine Arzthaftung einen eindeutigen Behandlungsfehler oder eine mangelnde Aufklärung voraussetzt. Im Fall von Covid-19-Impfschäden wird dies wohl auszuschließen sein, weswegen letztlich die Haftung der Impfstoffhersteller, also der Pharmaunternehmen, infrage käme.

Klare Indizien reichen

Hierbei denkbar ist unter anderem eine Haftung nach dem – der EU-weiten Produkthaftungsrichtlinie entspringenden – Produkthaftungsgesetz. Dieses sieht einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen den Produzenten vor, wobei vom Geschädigten zu beweisen ist, dass ein fehlerhaftes Produkt nicht die unter allen Umständen zu erwartende Sicherheit bietet.

Dabei können sich Pharmaunternehmen auf das Entwicklerrisiko sowie auf die Einhaltung von zwingenden Rechtsvorschriften oder behördliche Anordnung (zum Beispiel der Europäischen Arzneimittelagentur) als Haftungsausschlüsse berufen. Das Entwicklungsrisiko schützt den Impfstoffhersteller insofern, als dieser dann nicht haftet, wenn er beweisen kann, dass der etwaige Fehler des Impfstoffes im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem Stand der Wissenschaft und Technik noch nicht vorlag.

Der in der Praxis erforderlichen hohen Beweislasthürde für Geschädigte nach dem Produkthaftungsgesetz wurde insofern Sorge getragen, als die Beweislastschwelle vom Europäischen Gerichtshofs dadurch herabgesetzt wurde, dass schon klare und übereinstimmende Indizien für ein Bejahen eines Kausalzusammenhangs zwischen Impfung und der daraus resultierenden Erkrankung genügen. Zu den Indizien zählt man beispielsweise einen zeitlichen Zusammenhang, mangelnde Vorerkrankungen, aber auch ähnliche Fälle.

Dass dies offensichtlich eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei den Vertragsverhandlungen zwischen EU und Impfstoffherstellern gespielt hat, zeigt sich vor allem dadurch, dass die EU beziehungsweise die jeweiligen Mitgliedsstaaten gewissen Impfstoffherstellern vor Inverkehrbringen des Impfstoffes vertraglich die Übernahme von etwaigen Schäden zugesichert hat.

Nur schwere Schäden ersatzfähig

Sollte ein gravierender Schaden vorliegen, zum Beispiel mit dauerhaften oder zumindest kurzfristig schweren Folgen, wobei die üblichen Impfreaktionen ausgenommen sind, kann ein Antrag auf Ersatz gemäß Impfschadengesetz bei der entsprechenden Landesstelle des Sozialministeriums gestellt werden; im Streitfall ist der Fall von einem Verwaltungsgericht zu behandeln. Bei der Antragstellung ist ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen verabreichter Impfung und Gesundheitsschädigung nachzuweisen. Das ist insofern eine Erleichterung, als kein Nachweis der sogenannten Kausalität erbracht werden muss, sondern bereits im Fall der Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs eine Entschädigung gewährt wird.

Dabei schließt die Inanspruchnahme der staatlichen Haftung im Sinne des Impfschadengesetzes aber nicht Ansprüche aufgrund anderer Rechtsvorschriften – insbesondere einen zivilrechtlichen Schmerzen- oder Schadenersatzprozess – aus, das heißt, dass Ansprüche grundsätzlich parallel erhoben werden können.

Generell ist allerdings festzuhalten, dass entsprechend der vorliegenden Judikatur Impfschäden nur in den seltensten Fällen wirklich von derartiger Schwere sind, dass sie potenziell als ersatzfähig gelten, was sich in den geringen Zahlen an bisher anerkannten Impfschäden widerspiegelt.

Impfstoffhersteller zuerst auf sich selbst gestellt

Trotz Delegierung der Haftung an die EU sind Impfstoffhersteller zuerst auf sich selbst gestellt. Impfstoffhersteller müssen sich zu Beginn eigenständig (außer)gerichtlich bei etwaigen Impfschäden verteidigen; erst bei rechtskräftiger Verurteilung oder einem von der EU-Kommission gebilligten Vergleich mit einer impfgeschädigten Person kann dieser vertraglich vereinbarte Regressvorgang in Anspruch genommen werden.

Während es in Deutschland bereits eine erste klagsabweisende erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hof in Zusammenhang mit einer Schadenersatzklage gegen einen Impfstoffhersteller gibt, sind in Österreich – soweit bekannt – noch keine zivilrechtlichen Impfklagen gerichtsanhängig. Es wird aber nur eine Frage der Zeit sein, bis auch in Österreich die ersten Verfahren anlaufen. (Miriam Astl, Armin Redl, 22.7.2023)