Birgit Baumann aus Berlin

Der Kommentar von Annalena Baerbock (Grüne) fiel süffisant aus. "Offensichtlich sind wir schon im Sommerloch", meinte die deutsche Außenministerin zum Vorstoß aus der CDU.

Unabhängig vom Inhalt hat Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, den Zeitpunkt jedenfalls gut gewählt. Innenpolitisch ist nicht so viel los in Berlin, die Sommerpause beginnt gerade. Da konnte er mit seinem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) viel Aufmerksamkeit erzielen.

Thorsten Frei CDU
Thorsten Frei bekam für seinen Vorstoß viel Gegenwind.
IMAGO/Jürgen Heinrich

Darin fordert er, das Recht einzelner Migranten, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, abzuschaffen und durch Aufnahmekontingente zu ersetzen. Diese 300.000 bis 400.000 Flüchtlinge pro Jahr sollten direkt im Ausland ausgewählt und dann in Europa verteilt werden. "Eine Antragstellung auf europäischem Boden wäre nicht länger möglich, der Bezug von Sozialleistungen und Arbeitsmöglichkeiten umfassend ausgeschlossen", schrieb der CDU-Politiker in der FAZ.

Schwächere benachteiligt

Er erklärte auch, warum er für den Strategiewechsel ist: Es kämen zu viele Schutzsuchende nach Deutschland, dies überfordere das Land. Zudem benachteilige das geltende Asylrecht die Schwächeren: "Wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank ist, ist chancenlos. Er kann sich nicht auf den Weg durch die Wüsten Afrikas und über das Mittelmeer machen. Frauen und Kinder sind damit von unserem ‚humanen‘ Recht oft faktisch ausgeschlossen."

Aus der CDU bekam Frei Zustimmung. So erklärte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer: "Es kann bei der illegalen Migration nicht so weitergehen wie bisher. Die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, um Asyl zu beantragen, ist erkennbar zu groß."

CSU reagiert reserviert

Doch selbst die wahlkämpfende CSU reagierte reserviert. Ministerpräsident und Parteichef Markus Söder sieht zwar einen "spannenden Vorschlag", meint aber auch: "Ob er allerdings in der Kürze der Zeit umsetzbar ist und ob er tatsächlich die erwünschten Erträge bringt, das – glaube ich – steht noch offen." Um Freis Idee umzusetzen, müsste in Deutschland der Artikel 16a im Grundgesetz abgeschafft werden, zudem alle EU-Staaten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und aus der Genfer Flüchtlingskonvention aussteigen.

Kritik kommt von anderen Parteien. Der Vorschlag sei "realitätsfremd", da er illegale Migration nicht stoppen werde, sagt SPD-Fraktions-Vize Dirk Wiese. Und: "Institutslösung klingt geordnet, ist es aber ganz und gar nicht."

"Brandgefährlich"

"Brandgefährlich" nennt der Chef des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), den Vorstoß: "Bisher wurde die Forderung nach Abschaffung des Rechts auf Asyl in der Bundesrepublik nur von Rechtsextremen vertreten." Clara Bünger (Linke) erinnert daran, dass die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Individualrecht auf Asyl "eine direkte Folge aus dem Versagen der internationalen Staatengemeinschaft angesichts der Verbrechen im Nationalsozialismus und der Shoah" gewesen sei.

Daniel Thym, Migrationsexperte an der Uni Konstanz, betont in der Welt, würde man Freis Ideen umsetzen, kämen weiter Menschen nach Deutschland, die kein Asyl beantragen und nicht arbeiten könnten und bestimmte Leistungen nicht erhielten. Bei drohender Gefahr in den Herkunftsländern dürfe man sie aber nicht abschieben. Thym: "Im Ergebnis würde Herr Freis Vorschlag also bedeuten, eine große Schicht prekär lebender Personen in Deutschland zu schaffen." (Birgit Baumann aus Berlin, 19.7.2023)