Wien – Sie arbeiten auf Baustellen und in Supermärkten, in Hotels und in Wirtshäusern ebenso wie in Tankstellen und in Konditoreien. Sie tragen mit ihren Beiträgen dazu bei, dass einer der Stützen des heimischen Sozialstaates, die Arbeitslosenversicherung, über ausreichend Geldmittel verfügt, auch wenn sie davon im Gegenzug selbst nicht profitieren können. Und sie werden jedes Jahr etwas mehr.

Die Rede ist von den sogenannten Pendlern oder Grenzgängern, also Menschen, die im Ausland wohnen, aber regelmäßig zu ihrem Arbeitsplatz nach Österreich fahren. Laut einer Auswertung des Forschungsinstituts Wifo steigt die Zahl der Einpendler stetig an. Im Juni pendelten demnach bereits 147.000 ausländische Beschäftigte nach Österreich. Zum Vergleich: Vor einem Jahr waren es um die 137.000 und im Juni 2019, also vor der Pandemie, 114.000.

Kurzer Corona-Dämpfer

Corona führte zwischenzeitlich dazu, dass weniger Menschen für ihre Jobs nach Österreich kamen. Die Grenzschließungen haben sich ausgewirkt. Doch der Strom an ausländischen Arbeitskräften hat sich als beständig erwiesen, und die Delle war rasch überwunden.

Die Grenzgänger sind keine aus dem EU-Ausland entsendeten Arbeitnehmer, sie sind also in Österreich versichert. Selbstständige, etwa die 24-Stunden-Pflegerinnen, sind in der erwähnten Statistik nicht erfasst. Inzwischen gehören fast 15 Prozent aller ausländischen Beschäftigten in Österreich zur Gruppe der Grenzgänger, somit also jeder sechste bis siebente Beschäftigte mit fremder Staatsbürgerschaft. Unter allen unselbstständig Beschäftigten machen sie 3,9 Prozent aus.

Eine EU-Verordnung legt fest, welche Arbeitslosenversicherung in welchem Land zuständig ist, sollte einer dieser Grenzgänger seinen Job verlieren. Als Faustregel gilt, dass jener Staat verantwortlich ist, in dem der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt hat. Pendelt ein Arbeitnehmer wöchentlich oder täglich über die Grenze nach Hause, ist also das Ausland zuständig. Der Betroffene hat keinen Anspruch beim Arbeitsmarktservice (AMS). Doch die Grenzgänger haben in ihren Heimatländern nur einen Bruchteil der Ansprüche, der ihnen in Österreich zustünde.

Viele Bauarbeiter in Österreich pendeln am Ende der Woche nach Hause nach Polen oder Ungarn.
Viele Bauarbeiter in Österreich pendeln am Ende der Woche nach Hause nach Polen oder Ungarn.
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Ein Beispiel: Die meisten der Arbeitnehmer, die über die Grenze kommen, wohnen in Ungarn, fast 57.000 Beschäftigte zieht es von dort auf den österreichischen Arbeitsmarkt. In Ungarn besteht nur für drei Monate Anspruch auf Arbeitslosengeld, und dieser ist mit einem Höchstbetrag von 612 Euro monatlich gedeckelt. In Österreich dagegen besteht der Bezug von Arbeitslosengeld und dann Notstandshilfe im Prinzip unbegrenzt. Wer 1.800 im Monat verdiente, erhält ohne Zuschläge etwa 1.000 Euro.

Noch größer ist die Differenz zu Polen: Die polnische Arbeitslosenversicherung, die zwischen sechs und zwölf Monate in Anspruch genommen werden kann, beträgt zunächst 280 Euro und sinkt dann auf etwa 220 Euro ab. Neben Polen und Ungarn kommen viele der Grenzgänger aus der Slowakei, aus Slowenien sowie aus Tschechien.

Polster für das AMS

In Österreich fallen im Prinzip drei Prozent der Lohnsumme als Arbeitslosenversicherung an, wobei es für Geringverdiener Ausnahmen gibt: Bis zu einem Bruttoverdienst von 1.885 Euro ist gar keine Arbeitslosenversicherung fällig, der Beitragssatz steigt ab 2.220 Euro auf die vollen drei Prozent an.

Die österreichische Arbeitslosenversicherung nimmt traditionell mehr ein als an direktem Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe ausbezahlt wird. Für 2023 etwa veranschlagt das Finanzministerium Auszahlungen an Haushalte in Höhe von etwa 4,6 Milliarden Euro. Die Einnahmen belaufen sich dagegen auf satte 8,59 Milliarden Euro.

Insgesamt übertreffen die Ausgaben die Einnahmen im Kapitel Arbeitsmarkt, was aber an einer Reihe von AMS-Programmen und -Förderungen liegt. Die Auszahlungen im Kapitel Arbeitsmarkt summieren sich im aktuellen Jahr auf insgesamt 9,27 Milliarden Euro.

Dass viele Grenzgänger im Ausland wohnen und in Österreich arbeiten und Versicherung zahlen, wo sie aber kein Arbeitslosengeld bekommen, führt auch zu Fällen von Scheinmeldungen in Österreich. Das AMS hat einen eigenen Erhebungsdienst, der unter anderem solche Fälle ausfindig macht.

Im Hintergrund ist vorgesehen, dass ausländische Versicherungen vom AMS Beiträge verlangen können, wenn sie Auszahlungen für Personen leisten, die in Österreich gearbeitet haben. In der Praxis fließt hier wenig Geld. (András Szigetvari, 21.7.2023)

Die Zahl der Pendler aus dem Ausland ist zuletzt stetig gestiegen.
Die Zahl der Pendler aus dem Ausland ist zuletzt stetig gestiegen.