Friedrich Merz
Friedrich Merz hat seine Meinung zur Zusammenarbeit mit der AfD geändert.
AP/Bernd von Jutrczenka

Birgit Baumann aus Berlin

Keine Zusammenarbeit mit der AfD – dieser Grundsatz war CDU-Partei- und -Fraktionschef Friedrich Merz bisher immer ganz wichtig. So heißt es in einem Parteitagsbeschluss vom Dezember 2018: "Die CDU Deutschland lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab."

Damals war zwar Merz noch nicht Parteichef, aber er hat sich immer zu diesem Grundsatz bekannt. Danach hat die CDU noch einige Male jegliche Kooperation mit der AfD ausgeschlossen, etwa 2019, nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) durch einen Neonazi: "Wer die AfD unterstützt, muss wissen, dass er damit bewusst auch rechtsradikalen Hass und Hetze, extreme Polarisierung und persönliche Diffamierungen in Kauf nimmt. Und wir wissen, wie persönliche Diffamierungen letztlich zu Morddrohungen, Gewalttaten bis hin zum Mord führen können."

Stadt und Landkreis gestalten

Doch nun hat Merz seine Meinung überraschend geändert. Im ZDF-Sommerinterview erklärte er zwar, es werde weiterhin keine Zusammenarbeit mit der AfD auf Bundes- oder Landesebene geben. Auf kommunaler Ebene aber sehe die Sache anders aus. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen. Merz: "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet."

Im südthüringischen Sonneberg ist vor kurzem zum ersten Mal in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt worden. Und in der sachsen-anhaltinischen Kleinstadt Raguhn-Jeßnitz stellt sie nun ihren ersten Bürgermeister.

Als Merz im ZDF-Interview gefragt wurde, ob er nun die Brandmauer zur AfD aufgebe, antwortete er: "Ich habe das nicht aufgegeben, aber wir sind verpflichtet, demokratische Wahlen anzuerkennen."

Die AfD hat in Deutschland zuletzt in Umfragen stark zugelegt. Ihr werden um die zwanzig Prozent ausgewiesen, und sie liegt, hinter der Union, an zweiter Stelle.

Starker Gegenwind

In der Union schlägt Merz für seine Positionierung jedoch viel Kritik entgegen. "Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da Zusammenarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist", erklärt Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU).

Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schreibt auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale immer Feind!"

Ebenfalls auf Distanz ist die Bundesvorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz (CDU): "Die Partei und ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene."

Keine Unterstützung bekommt Merz vom Chef der Schwesterpartei CSU, Markus Söder. "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene", twitterte der bayerische Ministerpräsident am Montag. Denn: "Die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar." In Bayern wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt, Söder hat mehrmals betont, dass er mit der AfD nicht zusammenarbeiten wird.

Die AfD freut sich

Zur Verteidigung seines Chefs sieht sich der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann genötigt. Er meint, es sei klar, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe. Linnemann: "Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig."

Zufrieden ist AfD-Chef Tino Chrupalla, der erklärt: "Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen."

Am Montag will es Merz dann aber so eh nicht gemeint haben und erklärt auf Twitter: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."

(Birgit Baumann, 24.7.2023)