Frau rührt sich Eiweißdrink an.
Vor allem Figurbewusste und Fitnessliebhaber setzen auf High-Protein-Produkte. Doch die sind in Wirklichkeit gar nicht nötig – außer man will mehr Geld ausgeben.
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Proteinriegel, die Topfencreme mit der Extraportion Eiweiß oder sogar Eiweißbrot: Der Hype um Lebensmittel, die mit dem Hinweis "Eiweiß" oder "High Protein" ausgelobt werden, reißt nicht ab. Der Hinweis suggeriert, dass das entsprechende Produkt besonders gesund sei, es nimmt Bezug auf die Low-Carb-Ernährung, die seit Jahrzehnten bei Figurbewussten im Trend liegt. Und Fitnessliebhabern wird damit die Extraportion Eiweiß verkauft, die es angeblich braucht, damit die Muskeln nach dem Training auch wirklich wachsen.

Dabei sind diese Produkte oft sehr fragwürdig. Meist handelt es sich dabei um hochverarbeitete Lebensmittel, nur die wenigsten benötigen sie wirklich. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat nun einen stichprobenartigen Vergleich gemacht zwischen herkömmlichen Lebensmitteln und jenen, die mit Proteinen angereichert wurden.

Viele Menschen überversorgt

Doch zuvor sollte man die Frage stellen, ob solche Produkte überhaupt nötig sind. Laut dem Österreichischen Ernährungsbericht 2017 essen Frauen und Männer in Österreich nämlich genügend Protein, im Durchschnitt konsumieren sie sogar zu viel davon. Die empfohlene Menge liegt bei 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Eine Person, die 70 Kilo wiegt, sollte entsprechend 56 Gramm Proteine essen. Das hat man relativ schnell erreicht. In 100 Gramm Hühnerbrust etwa stecken 27 Gramm Proteine, 26 Gramm sind in 100 Gramm Erdnüssen, 100 Gramm Haferflocken liefern zwölf Gramm Eiweiß und 100 Gramm Naturjoghurt zehn Gramm.

Normalgesunde Menschen können die nötigen Eiweißmengen also sehr leicht erreichen, auch wenn sie sportlich unterwegs sind. "Die meisten sind tatsächlich überversorgt", sagt Teresa Bauer, Ernährungswissenschafterin beim VKI. "Nur ältere Menschen, Leistungssportlerinnen und -sportler oder Personen mit bestimmten Erkrankungen benötigen mehr Protein."

Tatsächlich kann zu viel Eiweiß sogar schädlich sein, vor allem für Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion. Und wenn man es übertreibt, kann es auch für gesunde Menschen gefährlich werden, sagt Bauer: "Ab einer Proteinzufuhr von zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht kann man auch bei gesunden Menschen negative Auswirkungen auf die Nierenfunktion nicht ausschließen.“

Nicht automatisch mehr Eiweiß – dafür mehr Kalorien

Und nur weil "High Protein" draufsteht, bedeutet das nicht, dass automatisch mehr davon drin ist. Der Verein für Konsumenteninformation hat stichprobenartig Produkte verschiedener Lebensmittelkategorien miteinander verglichen und proteinreiche Lebensmittel herkömmlichen Produkten gegenübergestellt. Auffallend dabei war, dass der Preis bei Proteinprodukten durch die Bank höher angesetzt ist. Protein ist dagegen nicht unbedingt mehr drin. So ist etwa der "Nöm Pro Cottage Cheese" um 55 Prozent teurer als der "Cottage Cheese Schnittlauch" von Milfina. Er enthält mit 11,8 Gramm pro 100 Gramm aber weniger Eiweiß als das Vergleichsprodukt mit 13 Gramm. Ähnliches gilt für den Schnittkäse "Mini Babybel High Protein". Der kostet um 46 Prozent mehr als der "Milfina Goudina in Scheiben". Der Eiweißgehalt ist mit 25 Gramm auf 100 Gramm aber niedriger als beim Vergleichsprodukt mit 30 Gramm. Auch die Milchalternative "Joya & Dream Mandel Protein" enthält trotz Sojabohnenzusatzes weniger Protein als der reguläre "Sojadrink Natur" von Alnatura, nämlich 3,2 Gramm versus 3,6 Gramm pro 100 Milliliter.

Und der VKI räumt gleich noch mit einem zweiten Mythos auf. Denn viele Menschen denken, High-Protein-Produkte haben weniger Kilokalorien (kcal) als normale Lebensmittel. Dieser Glaube geht auf die Annahme zurück, dass ein höherer Proteingehalt gesünder ist – wieder eine Referenz auf den jahrelangen Low-Carb-Hype. Tatsächlich haben Eiweiß und Kohlenhydrate exakt gleich viele Kilokalorien, nämlich vier pro Gramm. Der Unterschied ist, dass Kohlenhydrate schneller verbrannt werden als Proteine. Und überschüssige Carbs lagern sich als Fett ein. Doch auch ein Übermaß an Proteinen wandelt der Körper in Fett und Zucker um. Und vor allem zu viel tierisches Protein wird im Bindegewebe und in den Blutgefäßen eingelagert – und macht sich dann bei der Gesundenuntersuchung als zu hohes Cholesterin bemerkbar. Im schlimmsten Fall kann das Langzeitfolgen bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall haben.

Tatsächlich hat etwa das "Spar Natur pur Bio-Eiweißbrot" mit 208 kcal pro 100 Gramm mehr Brennwert als das "Spar Natur pur Bio-Roggen-Vollkornbrot" mit 188 kcal. Das Eiweißbrot ist dafür um 166 Prozent teurer und enthält mit 6,6 Gramm versus 1,1 Gramm auch deutlich mehr Fett. Auch das "Billa Protein Naturjoghurt" hat mit 51 kcal pro 100 Gramm einen höheren Brennwert als beispielsweise das "Clever Joghurt Natur 0,1 %" mit 40 kcal.

Hochverarbeitet und Zusatzstoffe

Diese Tatsache erklärt Ernährungswisenschafterin Bauer damit, dass "Lebensmittel wie etwa Brot proteinreicher gemacht werden, indem man Weizen­eiweiß, Molkepulver oder Leinsamen beimischt". Das reduziere zwar die Carbs, durch den Zusatz von Ölsamen enthalte das Brot aber mehr Fett und damit auch mehr Kalorien. Denn Fett ist, im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Proteinen, wesentlich kalorienreicher, ein Gramm davon schlägt mit neun Kilokalorien zu Buche.

Weiters enthält so manches High-Protein-Produkt viel Zucker, wie bereits eine VKI-Erhebung aus dem Jahr 2019 gezeigt hat. Auch die Menge an Süßungsmitteln und anderen Zusatzstoffen kann beträchtlich sein. Das High-Protein-Eis "Frozen Power Salted Caramel" etwa beinhaltet insgesamt 14 Zusatzstoffe beziehungsweise Aromen, fünf davon sind unterschiedliche Süßungsmittel. Der Proteinriegel "Foodspring Soft Caramel" weist sieben Zusatzstoffe auf, darunter zwei Süßungsmittel. Und auch Aromen werden mehrmals in der Zutatenliste genannt. Im Protein-Kakaogetränk "Chiefs Choco Mountain" sind fünf Zusatzstoffe beziehungsweise Aromen zu finden, während der um 141 Prozent günstigere "Schärdinger Schoko Drink leicht" gänzlich ohne Zusatzstoffe auskommt.

Genug Proteine mit normaler Ernährung

Ohnehin ist dieses Extraprotein nicht nötig, sagt Bauer: "Man braucht keine High-Protein-Produkte, um den täglichen Eiweißbedarf zu decken. In ganz normalen Lebensmitteln wie Milch­produkten, veganen Alternativen, Eiern, Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchten oder Nüssen sind genügend Proteine enthalten." Und auch Getreideprodukte wie Brot, Haferflocken und Nudeln beinhalten so viel Eiweiß, dass sie wesentlich zur Proteinaufnahme beitragen. Selbst diejenigen, die mehr Sport treiben, essen mit einer halb­wegs ausgewogenen Ernährung genü­gend Eiweiß. Man kann sich also mit ganz normaler Ernährung viel Geld sparen und vermeidet auch noch unnötige Kalorien und Zusatz­stoffe. (Pia Kruckenhauser, 24.7.2023)