Unwetter
Unwetter-Warnungen rechtzeitig zu erhalten macht durchaus Sinn. Blöd, wenn die Prognosen zumeist falsch sind.
IMAGO/Fotogramma/IPA/ABACA

Um 15 Uhr sollten orkanartige Stürme über Wien fegen, hieß es in diversen Wetter-Apps Montagfrüh. Sagen wir so, es war nicht einmal ein Lüfterl zu spüren. Weder in Liesing, Penzing noch in Kagran. Nicht zum ersten Mal lagen die zahlreichen, digitalen Helferlein völlig daneben. Ärgerlich, wenn man einen Ausflug deshalb abgesagt hat oder solche Falschmeldungen das Leben auf andere Art schwieriger gemacht haben.

Aber woran liegt es, dass manche Apps meist falsch und andere Apps meist völlig falsch das Wetter prognostizieren? Hat es mit der Unberechenbarkeit des Klimawandels zu tun? Verstecken manche die richtigen Wetterdaten hinter einer Bezahlwand? Der STANDARD hat nachgefragt.

Südwestliche Höhenströmung

"Grundsätzlich war es gestern so, dass sehr viele Modelle sehr starken Wind bis hin zur Orkanstärke simuliert haben", erklärt die Meteorologin Kathrin Götzfried von Geosphere Austria dem STANDARD. Apps würden diese Prognosen aus den Modellen abgreifen und sie oft eins zu eins ausgeben. Ganz unberechtigt waren die gestrigen Warnungen jedoch nicht: "Man muss sagen, dass sehr viel Energie in der Atmosphäre feststellbar war", sagt Götzfried. Der Ostalpenraum befand sich im Vorfeld einer Kaltfront im Bereich einer südwestlichen Höhenströmung, mit der sehr viel feuchte und labil geschichtete Luft aus dem Mittelmeerraum gelenkt worden sei. "Die damit einhergehende Abkühlung macht sich heute schon bemerkbar", stellt die Meteorologin fest. Zusätzlich sei eine sehr hohe Windscherung – das heißt eine starke Änderung der Windgeschwindigkeit und Windrichtung mit der Höhe – vorhanden gewesen.

Die vorhandene, hohe Energie in der Atmosphäre hätte sich an der Alpennordseite in Form einer Druckwelle äußern sollen, die mit starken Böen einhergeht. Zumindest haben das die Modelle nahegelegt. Warum es dann aber nicht so gekommen ist? Das liege daran, dass die energetische Entladung in Etappen ging, erläutert Götzfried. "Vielmehr kam es zu immer wieder auflebendem Wind und nur zu vereinzelt schweren Sturmböen in Gewitternähe. Außerdem hat sich der erwartete Druckgradient zwischen dem heißen Österreich im Osten und der deutlich kühleren Luft im Westen nicht so stark aufgebaut."

Natürlich ist die Irritation groß, wenn vor starken Unwettern gewarnt wird und diese dann ausbleiben. Allerdings ist es auch die Aufgabe von Wetterdiensten, in solchen Fällen – und bei Modellrechnungen wie jenen vom 24. Juli – das Signal zu geben, dass etwas passieren könnte. Hier neigt man eher zum Überwarnen. "Wenn die Situation dann allerdings glimpflicher verläuft, sollten wir froh sein, dass wir gut davongekommen sind", gibt Götzfried zu bedenken.

Die ausgegebenen Warnungen zeigen dabei auch ein Manko diverser Applikationen: "Man sieht hierbei einmal mehr die Schwächen von automatisierten Wetter-Apps", sagt sie. Erfahrene Meteorologinnen und Meteorologen können solche Situationen in der Regel sehr gut einschätzen, Nutzerinnen und Nutzer profitieren hier meist von einer deutlich besseren Prognose.

Fehlerhaft

Was aber sind die Gründe dafür, dass Wetter-Apps noch immer so ungenau sein können?

Zwar liefert die Wettervorhersage immer Stoff zum Schimpfen, aber im Großteil der Fälle gibt sie doch hilfreiche Orientierung. Da Wetterkonditionen extrem dynamisch und variabel sind, beschränkt sich der Vorhersagebereich auf einen Zeitraum von zehn bis 14 Tagen. Hier ist die Trefferquote durchgeführter Simulationen aber hoch: Handelt es sich um das Wetter der kommenden zwei bis drei Tage, liegt diese bei 90 Prozent, ab dem fünften Tag bei 80 Prozent. Für Modellrechnungen und Prognosen braucht die Meteorologie jedoch eine Unmenge an Daten.

Die Daten bilden die Grundlage für Vorhersagen; das ist bei allen Apps ähnlich. Wie aber die Vorhersage schließlich berechnet wird, hängt vom Rechenmodell ab. Dieses legt in der Regel ein 3D-Raster über die Erde. Jedes Quadrat des Gitternetzes entspricht einem Vorhersagegebiet. Ist das Raster eher grobmaschig, ist die Vorhersage ungenau. Je feiner das Gitter, desto genauer wird die Vorhersage.

Geht es um die Wettervorhersage, wird zuerst der Ist-Zustand betrachtet. Das geschieht über Punktdaten, also Werte von Messstationen, die lokale Gegebenheiten aufzeichnen. Diese werden um Satellitendaten, Radiosonden- und Radardaten ergänzt. Physikalische Modelle, die meist mehrmals täglich upgedatet werden, bilden sämtliche in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse ab. Dieses Paket wird schließlich in mathematische Modelle eingespeist, die mögliche Entwicklungsszenarien errechnen.

Wetter App
Wetter-Apps wie "WetterOnline" gibt es zahlreich. Die meisten greifen allerdings auf ähnliche Daten zurück, daher sind viele Prognosen ähnlich.
WetterOnline Meteorologische Dienstleistungen GmbH

Blick zum Himmel

Gewitter und regionale Schüttregen gehören laut Meteorologen zu den kleinräumigen Ereignissen, die ohnehin noch schwerer vorauszusehen sind. Sogar regionale Modelle, die ein engmaschigeres Netz zeichnen als ihre großen Brüder, sind zu grob, um Gewitterzellen treffsicher vorhersagen zu können. Im europäischen Vorhersagezentrum wird deshalb fieberhaft daran gearbeitet, dass man die Auflösung dieser Modelle noch weiter verfeinert, um auch lokalen Starkregen, wie erst am Montag prognostiziert, besser vorhersagen und lokal einschränken zu können.

Trotz wiederkehrender Ausreißer gelten meteorologische Modelle als die am weitesten entwickelten und mit der höchsten Trefferquote. Modellen aus der Medizin oder Wirtschaft sind sie teils weit überlegen. Komplette Fehlprognosen sind natürlich ärgerlich, sie passieren allerdings eher selten. Angesicht der fortschreitenden globalen Erwärmung stellt sich die Frage, ob diese auch Einfluss auf die Exaktheit des Wetterberichts hat. Fachleute winken hier jedoch ab.

Beim allgemeinen Wettergeschehen nimmt der Klimawandel wenig Einfluss auf die Genauigkeit der Vorhersagen, heißt es. "Wettermodelle liefern hier immer noch die gleichen guten Ergebnisse", erklärt Alexander Orlik, Klimatologe der Geosphere Austria, im STANDARD-Gespräch. Die punktuelle Vorhersage von Unwettern war jedoch immer schon schwierig und ist es nach wie vor. Tatsächlich gehört diese Art der Prognose zu den wohl komplexesten Aufgaben für die Meteorologie. Das Problem liegt darin, dass Unwetter teils sehr kleinräumig auftreten. "Wir können zwar sagen, dass ein hohes Gewitterpotenzial herrscht und mit starken Windböen und hohen Regenmengen zu rechnen ist", sagt Orlik. Wo diese genau auftreten werden, sei aber seit jeher schwer vorherzusagen gewesen. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Somit bleibt nur die Hoffnung, dass hier weiter geforscht wird. Die Expertinnen sind sich aber sicher, dass Wetterprognose immer auch eine Wahrscheinlichkeitsaussage bleiben wird. Der Blick zum Himmel scheint da also auch in den nächsten Jahren eine valide Alternative zu Wetter-Apps und anderen Prognosen zu sein. (Marlene Erhart, Alexander Amon, 25.7.2023)