Stefan Brändle aus Paris

Auf dem "Felsen" ("Le Rocher"), wie die Monegassen ihren Zwergstaat an der Riviera nennen, ist nicht mehr alles im Lot. Gewiss, die Kulisse aus wummernden Ferraris, glitzernden Yachten und einem palmengesäumten Kasino bleibt intakt. Dahinter machen sich die 40.000 Untertanen von Albert II. aber Sorgen um ihr Glamourreich – und um ihren eigenen Fürsten.

Prinz Albert war vor rund zwei Wochen beim Wimbledon-Turnier in Großbritannien.
EPA/ISABEL INFANTES

Alberts zwölf Jahre alte Ehe mit der südafrikanischen Ex-Schwimmerin Charlene Wittstock wirkt auch nur noch als Kulisse. Dieser traurige Befund ist nicht neu. Der Fürst bemüht sich immerhin um gelegentliche Auftritte an der Seite seiner Gattin, zuletzt vor ein paar Tagen bei einem Empfang für das französische Rugby-Nationalteam. Der gemeinsame achtjährige Sohn Jacques bleibt schließlich erster Thronfolger Monacos – zum Leidwesen der Grimaldi-Dynastie mit Alberts Schwestern Caroline und Stéphanie an der Spitze.

Verstrickt in Immobilienaffäre

Neu ist etwas anderes: Erstmals gerät der joviale Herrscher in die Nähe einer obskuren Immobilienaffäre, die durch eine Rufmordkampagne publik geworden ist. Vier monegassische Würdenträger aus dem engsten Kreis des Fürsten sind involviert. Eine anonyme Website namens "Les Dossiers du Rocher" ("die Akten des Felsens") hatte schon 2021 schwere Anschuldigungen – Korruption, Nepotismus, persönliche Bereicherung – gegen das Quartett erhoben. Und offenbar steckte dahinter nicht nur ein gutinformierter "corbeau" ("Rabe"), wie man auf Französisch anonyme Denunzianten nennt. Insider vermuten als Drahtzieher den monegassischen Immobilienkönig Patrice Pastor. Er soll es nicht verschmerzt haben, bei einem Bauprojekt übergangen worden zu sein, wie Pariser Medien berichten. Ihnen sagte der unrasierte, langhaarige Milliardär, er sei "frei, unabhängig, reich", um den Fürstenclan zu warnen: "Und ich bin kein netter Kerl."

Der nette Fürst Albert II., der als integer gilt und als überzeugter Ökologe für Elektrofahrzeuge eintritt und die maritime Naturschutzzone vor Monaco pflegt, quittierte die Korruptionsvorwürfe der Felsen-Akten zuerst mit Schweigen. Jetzt muss er aber die Reißleine ziehen. In einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Figaro" erklärte er, er habe seinen Vermögensberater Claude Palmero – der schon Alberts Vater Rainer III. sekundiert hatte – entlassen. Seinen Kabinettschef Laurent Anselmi stellte er nicht direkt auf die Straße, aber er degradierte ihn zum bloßen Ordensverleiher im Operettenstaat.

Im "Figaro"-Interview begründete Albert seinen Schritt unmissverständlich: "Das Vertrauen ist nicht mehr da." Allzu oft habe er "auf Fragen keine klaren Antworten" erhalten. "Ich habe deshalb die Entscheidung getroffen, ein neues Team um mich zu scharen, das mir Rechenschaft ablegt", sagte er zum Pariser Blatt, das Alberts Ankündigung als "Operation saubere Hände" einstuft. Und falls noch jemand an Alberts Willen zweifeln sollte, präzisiert er: "Ich will im Fürstentum reinen Tisch machen."

Wenig transparenter Finanzplatz

Der Umschwung wirkt für monegassische Verhältnisse radikal: Noch 2019 hatte der Prinz den französischen Untersuchungsrichter Edouard Levrault aus Monaco geschasst, weil dieser seine Nase in allzu viele Finanz- und Steuerdossier des "Felsens" gesteckt hatte. Zugleich führte der Fürst allerdings den automatischen Informationsaustausch mit anderen Ländern ein. Deshalb fiel Monaco aus der schwarzen und danach auch der grauen Liste nicht kooperativer Geldwäsche- und Steuerfluchtzentren. Der neueste "Moneyval"-Bericht des Europarates kritisiert das Fürstentum aber von neuem als wenig transparenten Finanzplatz. Albert betont deshalb in dem Zeitungsinterview, er unternehme alles, um "die Plage der Geldwäsche mit ständig neuen Gesetzen zu bekämpfen". Und zwar "frontal".

Was der Fürst aber nicht verhindern kann, ist der unheilvolle Einfluss des Immobiliensektors auf die monegassische Wirtschaft. Die Wohndichte mit 40.000 Einwohnern auf bloß zwei Quadratkilometern ist so hoch, dass die Regierung heute die Gebietsfläche zu erweitern sucht, indem sie sechs Hektar Land in das Meer vortreibt. Das Investitionsvolumen beträgt 2,1 Milliarden Euro, und die halbe Bauwirtschaft Monacos ist an diesem Projekt namens Mareterra für 3600 Einwohner beteiligt.

Alberts ältere Schwester Caroline arbeitet zum Beispiel, wie "Le Figaro" weiß, in Mareterra für den Immobilienclan Pastor – denselben, der Albert das Leben schwermacht und der laut französischen Medien möglicherweise hinter der Verleumdungskampagne steckt. Um Spekulationen zu begegnen, die Grimaldis seien nicht im selben Lager tätig, betonte der Fürst, er habe sein Vorgehen mit seinen beiden Schwestern Caroline und Stéphanie abgesprochen. Seine Frau Charlene erwähnte er dagegen mit keinem Wort. "Le Figaro" fragte den Fürsten sehr direkt, ob er sich manchmal nicht sehr allein fühle in seinem Palast auf dem hohen Felsen. Antwort des Fürsten: "Man muss sich manchmal auch von alten Weggefährten trennen können, um den guten Weg wiederzufinden."

Russen in Monaco

Ebenso gewählte Worte findet Albert zum Krieg in der Ukraine. In Monaco leben normalerweise 700 Russen, auch wenn Albert erklärte, seit Kriegsbeginn sei diese Zahl niedriger. Der bekannteste Russe, der Oligarch Dmitri Rybolowlew, bleibt indessen Besitzer des Fußballklubs AS Monaco, dessen Spiele Albert nie verpasst. Ihre Beziehung bleibe gut, sagte der Fürst; schließlich beteilige sich Rybolowlew auch an der humanitären Hilfe Monacos für die Ukrainer. (Stefan Brändle aus Paris, 26.7.2023)