Salzburg – Am Landesgericht Salzburg ist am Donnerstag einem ehemaligen Spitzenfunktionär des Österreichischen Tierschutzvereins (ÖTV) Untreue mit einem Gesamtschaden von rund 660.000 Euro zulasten des Vereins und einer Tochtergesellschaft vorgeworfen worden. Er bekannte sich nicht schuldig. Auch der Zweitangeklagte, der einen Schaden von rund 82.000 Euro verursacht haben soll, beteuerte seine Unschuld. Der Prozess wurde zur weiteren Beweisaufnahme auf unbestimmte Zeit vertagt.

Ein Angeklagter im Salzburger Landesgericht.
Die Verhandlungen mussten aufgrund des Nichterscheinens des Beschuldigten zweimal vertagt werden.
APA/VERA REITER

Die Vorsitzende des Schöffensenates, Richterin Gabriele Glatz, musste seit Mai 2022 die Verhandlung bereits zweimal vertagen, weil der Hauptbeschuldigte nicht erschienen war. Die Verteidigung nannte dafür gesundheitliche Gründe und legte ärztliche Atteste vor. Ein vom Gericht beauftragtes Gutachten stellte jedoch eine Verhandlungsfähigkeit des unbescholtenen Österreichers fest. Beim dritten Anlauf ist er tatsächlich gekommen. Sein Anwalt erklärte, dass die Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten nicht beziehungsweise nur eingeschränkt gegeben sei. Das würden zwei Gutachten belegen.

Gehaltsüberzahlungen, Sparbücher, Privatautos

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer. Der Hauptbeschuldigte soll als jahrelanger Spitzenfunktionär des ÖTV und Alleingeschäftsführer einer GmbH für Tierbestattungen, die zu 100 Prozent Tochter des ÖTV ist, zwischen 2011 und 2018 immer wieder Gelder von Vereinskonten zweckwidrig verwendet haben. Er soll sich auch für seine Arbeit als Geschäftsführer der ÖTV-Tochter Gehaltsüberzahlungen in Höhe von 261.000 Euro zukommen lassen haben.

Zudem soll der Erstangeklagte mehrere Sparbücher im Besitz des Tierschutzvereins ungerechtfertigt an sich genommen und von den Einlagen 41.000 Euro zweckwidrig verwendet haben. Weiters habe er von Vereinskonten 85.000 Euro für seine private Lebensführung abgezweigt und zwei Autos, die ein Vermächtnisgeber dem ÖTV hinterlassen hatte, ausschließlich für sich selbst verwendet. Bezüglich der beiden Pkws sei ein Schaden von rund 15.000 Euro entstanden.

Angeklagter: Nach Beschlüssen des Vereins gehandelt

Der Erstangeklagte soll auch die Auszahlung einer rund 82.000 Euro hohen Provision an den Zweitangeklagten über die GmbH zu Unrecht genehmigt haben. Der Zweitangeklagte hat dem Verein laut Anklage 15 Prozent von Spenden im Zeitraum 2012 bis 2016 für sich als Provisionszahlung berechnet. Es handelt sich um Spenden einer Supermarktkette, mit welcher der ÖTV eine Kooperation eingegangen war.

Für jedes verkaufte Tiernahrungsprodukt der Eigenmarke dieser Kette sei ein Cent an den ÖTV gespendet worden. Dem geschlossenen Vertrag zufolge seien aber keine Provisionsansprüche vorgesehen gewesen, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der Zweitangeklagte habe gewusst, dass er keinen Anspruch geltend machen könne.

Der Hauptbeschuldigte sagte heute, er bekenne sich nicht schuldig, und überließ weitere Ausführungen seinem Rechtsanwalt Klaus Estl. Dieser erklärte, sein Mandant habe weder den ÖTV noch die Tochtergesellschaft geschädigt. Das Gutachten des Buchsachverständigen, auf das sich die Anklageschrift beruft, "ist inhaltlich völlig einseitig und alt, es wird allenfalls zu ergänzen sein". Die Staatsanwaltschaft habe übersehen, dass der Angeklagte gemäß den Beschlüssen des Vereins gehandelt habe.

"Normaler Auftrag zur Lukrierung von Spenden"

Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Mann das Geld für private Zwecke abgezweigt habe. Es habe sich um Aufwendungen gehandelt, die er zunächst aus privaten Mitteln vorgestreckt habe. Die Transfers seien vom Vorstand genehmigt worden, erläuterte der Verteidiger sinngemäß. Die Einbuchungen auf den Verrechnungskonten aus den Jahren 2016 bis 2019 seien belegbar erfolgt, nun seien auch die Belege aus den Jahren 2011 bis 2015 gefunden worden. Der Angeklagte habe die Ausgaben für den ÖTV und die Tochtergesellschaft getätigt und nicht vereins- und zweckwidrig verwendet. Es bestehe nunmehr eine Forderung des Angeklagten an den ÖTV. Und die Supermarktkette habe "keinen ersatzfähigen Schaden erlitten". Deshalb habe das Gericht deren Privatbeteiligtenanschluss zurückzuweisen, forderte der Verteidiger.

Der zweite Angeklagte bekannte sich ebenfalls nicht schuldig. Er habe das Kooperationsprojekt mit der Supermarktkette ausverhandelt, sei aber damals nicht beim ÖTV angestellt gewesen. Durch die Einnahmen habe der ÖTV einen Hof in Niederösterreich finanzieren können, sagte der ebenfalls unbescholtene Österreicher. Die Supermarktkette habe jedenfalls keinen Schaden erlitten. "Natürlich ist vereinbart worden, dass ich für meine Leistung bezahlt werde, dass 15 Prozent der Erlöse an Honorar an mich gehen." Sein Verteidiger Michael Hofer sagte, die Supermarktkette habe im ersten Kooperationsjahr 1,5 Millionen dieser – mit einem Logo des ÖTV versehenen – Produkte verkauft. Sein Mandant habe die vorgeworfene Tat nicht begangen. Es habe sich um einen "normalen Auftrag zur Lukrierung von Spenden" gehandelt, "ich bitte um einen Freispruch".

Nächste Verhandlung Ende September

Die Vorsitzende des Schöffensenates vertagte schließlich die Verhandlung zur Einvernahme von vier damaligen Vorstandsmitgliedern des ÖTV beziehungsweise der Tochtergesellschaft und eines Steuerberaters. Die Ladung der Zeugen hatte der Verteidiger des Hauptbeschuldigten beantragt zum Beweis dafür, dass es keinen Befugnismissbrauch gegeben habe, wie er betonte. Die Vorsitzende merkte am Schluss des Prozesses noch an, sie sei bemüht, die nächste Verhandlung Ende September beziehungsweise Anfang Oktober anzuberaumen.

Der Österreichische Tierschutzverein ist laut eigener Definition eine "gemeinnützige, unparteiliche, unabhängige und überkonfessionelle Tierschutzorganisation, die sich bundesweit für die Belange der Tiere einsetzt". Die Zentrale befindet sich in Wien. (APA, 27.07.2023)