Seit Jahrzehnten tourt Eckart von Hirschhausen als Comedian durch die Gegend und tritt als Vermittler von Gesundheitsfragen im deutschen Fernsehen auf – als Gast und Moderator. Vergangenes Jahr kündigte "Deutschlands bekanntester Arzt", wie ihn deutsche Medien bezeichnen, an, seine Bühnenkarriere bis auf wenige Ausnahmen zu beenden. Mit seiner Stiftung Gesunde Erde, gesunde Menschen versucht er, auf die steigenden Gefahren des Klimawandels für unsere Gesundheit hinzuweisen. Diese lassen ihn als Mediziner nicht kalt, sagt er im STANDARD-Interview. Den Humor will er dabei trotzdem nicht verlieren.

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STANDARD: Herr von Hirschhausen, Sie haben nach Jahrzehnten Ihre erfolgreiche Bühnenkarriere beendet, um sich ganz dem Klimaschutz zu widmen. Warum?

Hirschhausen: Das war kein leichter Schritt. Ich bin 30 Jahre als Bühnenkünstler unterwegs gewesen, und es macht mir auch weiterhin Spaß. Ich habe im Moment nur das Gefühl, dass so viele Dinge dringlicher sind als Menschen zum Lachen zu bringen. Ich versuche mit meiner Stiftung Fragen wie "Wie ernähren wir uns in Zukunft?" oder "Wie überleben wir in Zukunft?" mit Humor zu verbinden. Karl Valentin hat das schön ausgedrückt: Wenn es regnet, freue ich mich, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Humorlosigkeit wird die Welt nicht retten.

STANDARD: Wie kommt man als Arzt zum Klima?

Hirschhausen: Wir haben Gesundheit lange als etwas Individuelles verstanden, als etwas, wofür jeder selbst verantwortlich ist. Wenn man krank ist, ist man auch ein bisschen selbst schuld. Wir haben auch Ärztinnen und Ärzte ausgebildet in dem Spirit: "Kümmere dich um den einen Patienten, die eine Patientin vor dir." Aber Gesundheit beginnt nicht mit einer Diagnose oder einer Operation oder einer Tablette. Gesundheit beginnt mit fünf existenziellen Dingen: der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, den Pflanzen, die wir essen, erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander. Alles davon ist akut in Gefahr. Als Arzt konnte ich dazu nicht schweigen. Deshalb widme ich mich in diesem Jahrzehnt, das über die nächste 1.000 Jahre mit entscheiden wird, voll und ganz dieser Aufgabe. Wenn das Klima gerettet ist, mache ich gerne wieder Quatsch.

Arzt und Kabarettist Eckhart von Hirschhausen am 8. Juni, türkiser Schal mit Text hängt um seinen Hals, Headset-Mikrofon. Auftritt beim evangelischen Kirchentag, indoor.
Als Mediziner kann er bei der Klimakrise nicht länger zusehen, sagt Eckart von Hirschhausen.
IMAGO/epd

STANDARD: Wo war der Punkt, an dem Sie gesagt haben: Jetzt ist das Klima wichtiger als das Kabarett?

Hirschhausen: Ich hatte auch eine wirklich bedeutsame Begegnung mit der Schimpansenforscherin Jane Goodall, einer großartigen Frau. Sie hat mir bei einer Begegnung eine Frage gestellt, die mir total ins Herz ging. Sie sagte: Wenn wir Menschen uns als die intelligenteste Art auf diesem Planeten sehen, warum zerstören wir dann unser eigenes Zuhause? Das hat mich nicht ruhen lassen. Ich verstehe die Menschen immer weniger, die so viel Energie aufwenden, nicht hinzuschauen, statt die Lage endlich ernst zu nehmen. Unser Verhalten gegenüber der Klimakrise ist ein bisschen so, wie wenn man nachts mit voller Blase aufwacht. Du weißt genau, was du tun musst. Du weißt, dass es von allein nicht besser, sondern nur schlechter wird. Und trotzdem sind wir so doof, dass wir denken, das Problem verschwindet, wenn wir die Augen nur fest genug zumachen und uns auf die Seite legen. Aber das Problem geht nicht weg. Deshalb müssen wir alle kollektiv die Augen aufmachen und die Dinge tun, die anstehen.

STANDARD: Und was wollen Sie nun erreichen?

Hirschhausen: Wir müssen aufhören, immer nur über Eisbären, über Atmosphärenchemie und überflutete Länder am anderen Ende der Welt zu reden. Natürlich ist es wichtig, die Klimagerechtigkeit und den Globalen Süden mit den Menschen, die heute viel härter getroffen sind als wir, im Blick zu haben. Aber in der Kommunikation fehlt etwas, das uns nahegeht. Wenn man Menschen fragt, was ihnen wichtig ist, was ein gutes Leben für sie ist, dann kommt immer die gleichen Antwort, unabhängig von politischer Einstellung oder Alter. Menschen wollen gesund sein. Dieses Argument fehlte bisher in der Kommunikation.

STANDARD: Wie beeinflusst der Klimawandel unsere Gesundheit?

Hirschhausen: Hitze ist Gift für unser Hirn. Ich habe in der Neurologie und Psychiatrie gearbeitet und dort im Sommer gemerkt, wie viele Erkrankungen, die mit dem Zusammenspiel von Hirn und Nervensystem zu tun haben, schlechter werden. Sehr viele Menschen mit Vorerkrankungen sind gefährdet – etwa mit Demenz –, die vielleicht nicht merken, wenn sie zu wenig getrunken haben. Wir hatten im letzten Jahr über 60.000 Hitzetote in Europa. Das ist der Hammer. Das ist wie ein Fußballstadion, in das eine Bombe hineinfällt. Darüber würden alle berichten und fragen, was wir tun können, damit das nie wieder passiert.

Ein Mädchen steht unter einer Sprühnebeldusche im polnischen Krakau
Der Klimawandel lässt die Temperaturen nach oben schnellen. Für viele Menschen kann das gefährlich werden.
IMAGO/Beata Zawrzel

STANDARD: Und das obwohl 1,5 oder zwei Grad mehr ja zunächst nach nicht viel klingen.

Hirschhausen: Die 1,5 Grad bedeuten ja nicht, dass es dort, wo es früher 20 Grad hatte, nun 21,5 hat. Es kann auch zwischendurch mal kälter werden – oder nach langer Dürre plötzlich hageln wie gerade in Italien. Das Gefährliche ist, dass die Extreme in alle Richtungen zunehmen. Der ganze menschliche Erfolg der letzten 10.000 Jahre war eigentlich nur möglich, weil wir uns nicht die ganze Zeit gegen Extremwetter schützen mussten. Das Klima war stabil, und wir hatten Zeit für all die schönen Dinge im Leben. Da wird einem schnell klar, was wir zu verlieren haben.

STANDARD: Trotzdem sehen wir bei Hitzewellen Bilder von Menschen, die im Freibad plantschen, auf Coverseiten. Warum kommt die Message nicht an?

Hirschhausen: Weil Sommer eben immer mit positiven Gefühlen verbunden war. Aber ich denke, dieses Jahr erreichen wir einen psychologischen Kipppunkt. Wenn man die Nachrichten aus den klassischen Urlaubsländern Italien, Spanien, Griechenland hört, denkst du dir heute: Zum Glück bin ich dort nicht. Dass die Klimakrise nun auch in Ländern, in denen wir uns sicher gefühlt haben, näher kommt, sickert so langsam ein. Genauso wie die Erkenntnis, dass dieses Problem nicht so einfach wegzukriegen ist. Jemand hat mal gesagt: Wäre CO2 grün und würde stinken, hätten wir uns längst um das Problem gekümmert. Aber dummerweise ist es unsichtbar.

STANDARD: Mit der Hitze wird das abstrakte, unsichtbare Problem aber nun trotzdem für alle spürbar. Könnte das auch eine Chance für die Klimakommunikation sein?

Hirschhausen: Ja, diese Chance sehe ich. Aber es ist auch ganz wichtig, dass man den Menschen nicht immer mit der Katastrophe kommt, sondern auch mit dem, was wir zu gewinnen haben. Wir könnten Städte bauen, in denen wir auch bei Hitze gut leben können und entspannt mit dem Rad und den Öffis überall hinkommen. Das ist doch kein Verlust! Auch wenn es erst einmal viel Geld kostet – Nichtstun ist viel teurer. Das ist ein Dilemma, das ich als Arzt schon seit langem kenne. Für einen Schwerkranken gibt es die maximale Behandlung, für das Verhindern von Krankheiten bekommt man schwer Geld und Motivation.

STANDARD: Wenn es um das Vertrauen in Berufsgruppen geht, stehen Ärztinnen und Pflegekräfte ganz oben. Medienleute und Politiker, die die Klimakrise derzeit vor allem kommunizieren, rangieren ganz unten. Sollen Medizinerinnen und Mediziner stärker aufklären?

Hirschhausen: Das ist die Idee meiner Stiftung Gesunde Erde, Gesunde Menschen. Es geht nicht nur um Hitze, es geht auch um Infektionskrankheiten. Wegen des Klimawandels fühlen sich Überträgermücken wohl, die plötzlich Malaria und Dengue-Fieber zu uns bringen. Allergien nehmen zu, weil sich invasive Arten wie die Ambrosia-Pflanze ausbreiten. Gleichzeitig macht die Hitze normale Pollen aggressiver, weshalb wir gerade einen Ansturm auf die Allergieambulanzen sehen. Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gibt es nun bereits im Januar. Da ist doch etwas aus dem Takt! Deshalb ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte diese Dinge erzählen. Wir können diese Probleme nicht mehr nur mit Medikamenten lösen. (Alicia Prager, Philip Pramer, 28.7.2023)