Matthias Seidl, an dem auch Sturm Graz interessiert war, soll Rapids Niveau anheben. Er trägt die Nummer 18.
Matthias Seidl, an dem auch Sturm Graz interessiert war, soll Rapids Niveau anheben. Er trägt die Nummer 18.
GEPA pictures/ Johannes Friedl

Es ist ja nicht so, dass die Gemeinde Kuchl in Salzburg mit ihren rund 7.000 Einwohnern und Einwohnerinnen große Rätsel aufgibt, aber im Jahr 2001 ist doch Erstaunliches passiert. Es hatte mit Fußball zu tun. Am 24. Jänner wurde Matthias Seidl geboren, am 4. Mai Nicolas Seiwald. Rund 22 Jahre später wurde Erstgenannter zum Spieler der Saison der Zweiten Liga gewählt, Zweitgenannter zum Krösus der Bundesliga. Beide wurden Meister, der eine mit Blau-Weiß Linz, der andere mit Red Bull Salzburg, was nicht besonders originell war. Beide geigen im Mittelfeld, Seidl hat den offensiveren Part, er ist ein klassischer Zehner.

Die Kuchler, Einheimische sagen übrigens "Kuchi", haben Aufmerksamkeiten erregt. Seidl wechselte zu Rapid (Vertrag bis 2027), Seiwald zu Leipzig in die deutsche Bundesliga. Das Gemeinsame hat etwas Trennendes. Bei allem Respekt vor den Hütteldorfern.

Seidl sitzt im neuen Trainingszentrum im Prater, das spielt alle Stückerln, es gibt Kraftkammern, Ruheräume, Frühstück, Mittagessen, er findet das "cool". Überrascht hat ihn das nicht. "Ich wusste ja davon." Bei Blau-Weiß gab es das nicht, ein Trainingszentrum befindet sich im Stadium des Traums von warmen Eislutschern. "Aber auch dort wurde professionell trainiert." Noch herrscht die Ruhe vor dem Sturm, Seidl ist gewappnet, Gegenwind schreckt ihn nicht. "Der Druck hier ist groß." Ob Blau-Weiß im Vergleich zu Rapid ein Ponyhof sei, "werde ich nach der ersten Niederlage merken. Ich freue mich auf die Atmosphäre, es kann geil werden."

Konkurrenzkampf

Er, Seidl, habe keinerlei Bedenken, dass der Schritt ein zu großer sein könnte. "Irgendwann muss man den Schritt machen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Konkurrenzkampf ist hier sicher größer, aber das ist gut so. Nur durch Konkurrenzkampf wirst du besser."

Trainer Zoran Barisic hat vor dem Irrsinn und dem Hass in den sozialen Medien gewarnt, seinen Spielern empfohlen, diese zu meiden, sich nicht deppert machen zu lassen. Seidl sieht das nicht so eng. "Ich bin mit den sozialen Medien aufgewachsen, aber ich bin nicht der, der nach einem Match gleich aufs Handy schaut. Es ist sicher besser, nicht alles mitzukriegen." Barisic, ein gebranntes Kind, hat vorsichtshalber bescheidene Saisonziele ausgegeben, die Qualifikation für die Meistergruppe wäre wünschenswert. Seidl strebt mehr an. "Hohe Ziele kann man besser erreichen, da gibt man alles. Mit niedrigen Zielen ist man rasch zufrieden. Wir wollen Salzburg, Sturm und den LASK angreifen, sie ärgern."

Seidl wurde also in "Kuchi" geboren. Der Vater arbeitet im Mozarteum, die Mutter bei der Gebietskrankenkasse, die Brüder kicken ebenfalls, bei Blau-Weiß und beim SV Kuchl. Da der Papa auch Nachwuchstrainer ist, musste der kleine Matthias mit auf den Fußballplatz. Aus dem Zwang wurde eine Freiwilligkeit, eine Sucht. Er spielte auf allen Positionen, mit 14 übersiedelte er dann ins Mittelfeld. Als Förderer gilt Mario Helmlinger, er trainierte ihn vier Jahre lang, in Kuchl und in Grödig. 2021 folgte der Wechsel nach Linz, in der abgelaufenen Meistersaison erzielte Seidl zwölf Tore. Er hat die Matura bestanden und den Zivildienst absolviert. Fußballprofi zu werden sei immer der Plan A gewesen. "Es gab keine Alternative. Hast du einen Plan B, C oder D im Kopf, bist du abgelenkt, klappt es nicht mit Plan A. Fußballer zu sein ist mein Traumjob. Obwohl man Entbehrungen im Kauf nehmen muss." Mit einem Leitsatz kann er nicht dienen, auf Nachfrage fällt ihm ein: "Du musst immer dranbleiben, auch wenn es Rückschläge gibt. Es gibt nicht nur einen Weg, um Großes zu erreichen."

Großes Vorbild

Als Vorbild nennt er Kevin De Bruyne, der Belgier von Manchester City weiß davon nichts. "Von ihm kann man sich viel abschauen. Ein Wahnsinn, wie er den Ball behandelt." Seidl setzt sich keine Fristen, natürlich wäre die Einberufung ins Nationalteam ein Traum. "Fristen bringen nichts. Ist eine Frist abgelaufen, bist du enttäuscht. Du musst immer 100 Prozent geben, der Rest kommt dann von selbst. Ich will besser als die anderen sein."

Seidl hat Übersicht, einen strammen Schuss, er bewegt sich geschickt zwischen den Linien, kann als Halbstürmer eingesetzt werden. Barisic sagt über den Neuzugang: "Topprofi, Topeinstellung, er fordert den Ball, ist eine Verstärkung." Logischerweise sind Schwächen vorhanden. Seidl misst 1,75 Meter, er kann also wenig dafür, dass sein Kopfballspiel nicht legendär ist. Wobei er beim 7:0 im Cup gegen Donaufeld ein Kopftor erzielt hat. "Perfekt kann man nie sein, aber es kann durch Arbeit alles besser werden."

Am Freitagabend eröffnet Rapid die Bundesligasaison in Linz gegen den LASK. Seidl, der wohl der Startformation angehört (im Gegensatz zum ebenfalls von Blau-Weiß geholten Franzosen Fally Mayulu), spürt ein Kribbeln, sagt, was gesagt werden muss. "Wir wollen eine Superleistung bringen und gewinnen." Irgendwann will er dort sein, wo Seiwald aus "Kuchi" schon ist. In der deutschen Bundesliga. "Aber jetzt ist Rapid mein großer Schritt." (Christian Hackl, 27.7.2023)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen zum Freitag-Spiel der 1. Fußball-Bundesliga-Runde:

LASK – Rapid (Linz, Raiffeisen-Arena, 20.30 Uhr / live auf ORF 1 und Sky Sport Austria, SR Ciochirca). Saisonergebnisse 2022/23: 2:1 (h), 0:1 (a), 3:1 (h), 1:1 (a)

LASK: Lawal - Stojkovic, Ziereis, Luckeneder, Renner - Michorl, Jovicic - Flecker, Zulj, Koné - Mustapha

Es fehlen: Andrade (Trainingsrückstand), Anselm, Ba, Taoui, Wiesinger (alle verletzt)

Rapid: Hedl - Schick, Querfeld, Hofmann, Auer - Kerschbaum, Seidl, Sattlberger - Kühn, Grüll - Burgstaller

Es fehlen: Bajic (Sprunggelenk), Pejic (Schambein)