Gut organisiert ist die Truppe rechtsextremistischer Verschwörer in der neuen schwarz-weißen ZDF-Webserie Freiheit ist das Einzigste, was zählt nicht. Aber wer an die Macht will, muss klären: Wer kann töten? Wen stecken wir ins Lager?

Das seien schon gruselige Überlegungen, meint Bibiana Beglau. Beim Videointerview aus ihrem Garten musste die 52-Jährige aber auch viel lachen.

Antworten auf die Fragen gibt es in sechs Folgen à 15 Minuten in der ZDF-Mediathek und ab 3. August, 0.30 Uhr im ZDF. Das Buch zur Serie stammt von Jan Eichberg und Jan Bonny, der auch Regie führte.

Hans (Bibiana Beglau) rekrutiert neue Bürger für sein Königreich auf einem Ausflugsschiff am Rhein.
ZDF-Serie
Hans (Bibiana Beglau) rekrutiert neue Bürger für sein Königreich auf einem Ausflugsschiff am Rhein.
ZDF und Niren Mahajan

STANDARD: Sie spielen in "Freiheit" Hans, den Anführer einer Reichsbürgergruppe ...

Beglau: (lacht) Ja, aber wir wollen uns in dieser Gruppe nicht als Nazis sehen. Weil, wir sind anders: wütend, aber rechtschaffen!

STANDARD: Da müssen Sie jetzt selbst lachen.

Beglau: Natürlich. Denn diese Gruppierung empfindet sich eben so. Hans sagt: "Wir sind keine Nazis. Das haben wir so nicht gewollt. Wir wollen das Gute – aber eben nur für uns!" Damit liegt er in der Tradition dieser weinerlichen Opferhaltung, die eine bessere Welt nur für sich und ihresgleichen beansprucht. Alles andere muss aber eben weg.

Freiheit ist das Einzigste, was zählt – Satireserie | Trailer #neoriginal
Eine deutsche Revolution in sechs Akten: Die offizielle Reichsgründung hat eine kleine Gruppe von Souveränisten in der Satireserie "Freiheit ist das Einzigste, was zählt" bereits hinter sich gebracht. Jetzt gilt es nur noch, die deutsche Regierung zu stürzen,
ZDFneo

STANDARD: Warum heißt Ihre Figur in der Serie eigentlich Hans?

Beglau: Das liegt an den Persönlichkeitsrechten, diese wollten wir nicht verletzen. Es passt aber sehr gut zum Thema der Verschwörer, denn dort werden Decknamen auch gerne verwendet. Also gaben wir uns Decknamen, eben aus der deutschen Geschichte. Meine Figur ist nach dem Widerstandskämpfer Hans Scholl von der Weißen Rose benannt.

STANDARD: Hans Scholl in einer Gruppe von Rechtsextremen?

Beglau: Ja, das ist ja die gleiche Impertinenz wie Impfgegner mit dem angenähten Davidstern. Außerdem sind das ja keine ungebildeten Leute. Die haben die deutsche Geschichte sehr gut studiert. Reichsbürger wissen immer gut Bescheid über Grundgesetz und Verfassung und die vermeintlich vielen Fehler darin. Hans könnte sich aber auch auf alles mögliche andere beziehen: Hans im Glück, Hansdampf in allen Gassen ...

"Mit grotesken Mitteln zu arbeiten hat in der bundesrepublikanischen Filmkunst Tradition. Ich denke da an Alexander Kluge, Herbert Achternbusch, Christoph Schlingensief usw. Die Frage, ob man in der Kunst bestimmte Sachen sagen darf, stellt sich nicht: Das sollte selbstverständlich sein!"

STANDARD: In der Gruppe der Verschwörer wird überlegt, wer zuerst ins Lager soll: Ausländer oder Grüne. Erkennt man das noch als Satire?

Beglau: Na, klar! Es ist ja eine Groteske. Mit grotesken Mitteln zu arbeiten hat in der bundesrepublikanischen Filmkunst Tradition. Ich denke da an Alexander Kluge, Herbert Achternbusch, Christoph Schlingensief usw. Die Frage, ob man in der Kunst bestimmte Sachen sagen darf, stellt sich nicht: Das sollte selbstverständlich sein!

STANDARD: Wie meinen Sie das genau?

Beglau: An den Stammtischen haut der "gute Bürger" auch seine Entsetzlichkeiten oft ungefiltert raus. Das ist auch gut so. Man nennt es Meinungsfreiheit. Aber dort hört halt meistens nur der Nachbar zu, der sowieso derselben Meinung ist. Weil zu den anderen Nachbarn wird sich lieber nicht an den Stammtisch gesetzt. Das nennt man mangelnde Auseinandersetzung. Kultur oder Kunst sind vielleicht manchmal dafür da, diese Brücke zu schlagen und den Dialog zu erzwingen.

STANDARD: In dem Fall ist es ein eher ungewöhnliches Format.

Beglau: Es ist ein sehr künstlerisches Projekt, und ich dachte sofort: Mensch, das ZDF – irre, die trauen sich was, die sind jetzt hier mal in die Kunst gegangen. Weil sie vielleicht glauben, dass da mehr zu holen ist. Ein anderes, diverseres Publikum. Das finde ich toll.

STANDARD: In Deutschland flog die Verschwörergruppe um Prinz Reuß auf. Wie ging es Ihnen beim Dreh? Da merkte man doch, es gibt wirklich Menschen, die so denken.

Beglau: Besorgt war ich nicht, ich war schon sehr erstaunt und dachte: Man scheint also so viel Freizeit zu haben und so gesättigt zu sein, dass man sich in so einer Unzufriedenheit ergehen kann. Ich fand es eher traurig. Da sitzen Menschen, die vielleicht in einer anderen Richtung was bewegen könnten, für alle, und schmieden stattdessen Pläne, dass die Welt schlechter gelaunt und engstirniger wird, dass es eben nur einer kleinen Gruppe besser gehen soll anstatt einer ganzen Gesellschaft. Es herrscht scheinbar bei diesem selbstverständlichen Reichtum und dieser Langeweile eine zunehmende innere Leere, die dann zu Hass und Abgrenzung führt.

STANDARD: Welche Fragen haben Sie bewegt?

Beglau: Demokratie sollte durch Vielfältigkeit und Diskurs glänzen. Aber diese zu erstreiten ist gar nicht so einfach. Das ist anstrengend. Ich frage mich: Wenn jemand einen Putsch plant, wie geht der vor, was sind da die Gedankengänge? Gibt’s da eine Idee oder Utopie? Wir wollen ja zum Nachdenken anregen.

STANDARD: Was sollte man mitnehmen?

Beglau: In erster Linie schon den Spaß an der Groteske. Es wäre schön, wenn man die Leute anregen könnte, zu lachen und sich nicht zu verbeißen. Aber so, wie wir es spielen, sind auch sehr große menschliche Nöte im Spiel.

"Im Grunde genommen ist sich die Gruppe ja einig. Aber selbst bei kleinen Fragen der Organisation kommt es zu Spannungen, und dann geht es schief, und am Ende fließen wieder Tränen des vereinsamten, verletzten Führers."

STANDARD: Welche sehen Sie da?

Beglau: Zum Beispiel, dass man sich nicht sicher ist, ob demokratisch abgestimmt werden soll in der Gruppe oder ob das dem Anführer überlassen werden muss. Im Grunde genommen ist sich die Gruppe ja einig. Aber selbst bei kleinen Fragen der Organisation kommt es zu Spannungen, und dann geht es schief, und am Ende fließen wieder Tränen des vereinsamten, verletzten Führers.

STANDARD: Also sind es doch keine Auserwählten?

Beglau: Genau. Eher in ihrer eigenen Person verletzte Menschen. Vielleicht kann man daraus mitnehmen: Es ist gar nicht so leicht, zu putschen. Obacht!

STANDARD: Was hat Ihnen beim Spielen am besten gefallen?

Beglau: Dass der Hans so verloren ist und ständig anfängt zu weinen. Und immer so an den anderen leidet, weil die nie machen, was er will. Dann soll er auch noch dauernd Sex haben, dabei geht es doch um das große Ganze. Das hat mir viel Spaß gemacht.

STANDARD: Ist Ihnen das Lachen eigentlich auch mal vergangen?

Beglau: Na klar, wenn wir ernsthaft diskutieren, wen wir ins Lager stecken und wie viele Menschen man am Tag erschossen kriegt. Aber solche Sätze sind gefallen in Deutschland, und in bestimmten Kreisen fallen sie mit Sicherheit immer noch, das stößt mich schon sehr auf mein eigenes Geschichtsbewusstsein und auch auf den Schmerz darum. (Birgit Baumann, 29.7.2023)