Dichter Verkehr auf der Autobahn von München nach Salzburg
Das Geld für Umweltschutz und die Querfinanzierung der Schiene liegt auf der Straße. Die Politik will es sich vom Schwerverkehr holen.
Imago Images / Wolfgang Maria Weber

Die neue EU-Wegekostenrichtlinie bringt gravierende Änderungen für die Berechnung der Lkw-Maut auf Autobahnen und Schnellstraßen. Denn diese auch unter der Bezeichnung Eurovignette bekannten Bestimmungen erlauben die Einhebung deutlich höherer Mautsätze, als dies derzeit der Fall ist. Einerseits werden höhere Aufschläge für Lärm- und Luftverschmutzung ermöglicht, andererseits kommt ein großer Brocken neu hinzu: der CO2-Aufpreis, also für klimaschädliche Schadstoffe.

Wie hoch insbesondere diese Sätze für CO2 künftig sein werden in Österreich, darüber wird in der Koalition heftig gerungen. Die Zeit drängt, denn im November müssen im Bundesstraßenmautgesetz die Mautsätze festgelegt werden, die die Asfinag ab 2024 auf Autobahnen und Schnellstraßen einhebt.

Wiewohl ein Begutachtungsentwurf des Verkehrsministeriums für die geplanten Änderungen noch nicht vorliegt: Der Konflikt mit der Transportwirtschaft ist programmiert. Denn billiger wird die Maut für das hochrangige Straßennetz durch die neuen, erweiterten Möglichkeiten mit Sicherheit nicht.

Deutschland zieht nach

Zwar braucht Österreich bei deutlich höheren Aufschlägen (über 50 Prozent) für CO2-Ausstoß, Lärm- und Luftverschmutzung auf Transitstrecken im Alpenraum zur Querfinanzierung die Zustimmung der Nachbarländer. Deutschland zieht mit seinem ab 2024 geltenden Regime allerdings nach. Die emittierte Tonne CO2-Äquivalent kostet beim nördlichen Nachbarn dann 200 Euro, und das erhöht die Autobahnbenutzungsgebühr empfindlich. Damit schmilzt der Vorsprung bei der Höhe der Lkw-Maut, den Österreich vor sich herschiebt.

Allerdings scheint das Verkehrsministerium bei seinen Annahmen für den neuen CO2-Mautaufschlag durchaus angriffslustig. Pro Tonne CO2 geistert in Modellrechnungen ein Preis von 300 Euro herum. Das entspräche in einem ersten Schritt allein aus dem Titel CO2 einer Erhöhung der Straßenbenützungsabgabe pro Lkw-Kilometer um neun Cent. Obendrauf käme die jährliche Valorisierung, die angesichts der hohen Inflation automatisch eine Verteuerung um 8,2 Prozent bedeutet. Äußern will man sich im Verkehrsministerium nicht zu Details. "Diese befinden sich in regierungsinterner Abstimmung", heißt es. Allerdings wolle man dabei die Spielräume bestmöglich nutzen, die der bestehende EU-Rechtsrahmen gibt.

Zusätzlicher Kostenschub

Abhängig von Fahrleistung, Achszahl und Euro-Schadstoffklasse beträgt die Lkw-Maut aktuell im Durchschnitt 42 Cent pro Kilometer. Darin enthalten sind seit mehr als fünf Jahren – wenn auch nicht auf Basis der neuen in der EU gültigen Bezugswerte errechnet – Aufschläge für Luft- und Lärmbelastung. Nun kommt der CO2-Aufpreis dazu, und zwar nicht auf Basis des zulässigen Kfz-Höchstgewichts, sondern der technisch zulässigen Gesamtmasse. Das trägt den Elektroautos Rechnung, deren Gesamtgewicht wegen der Batterien höher ist.

"Zusammen würden Valorisierung und CO2-Aufschlag die Lkw-Maut nach diesem Schlüssel um 30 Prozent verteuern", rechnet der Obmann der Bundessparte Transportwirtschaft und Verkehr in der Wirtschaftskammer, Alexander Klacska, vor. Im Jahr darauf stünde erneut ein Kostenschub an, weil die Inflation ja zeitverzögert für die Valorisierung herangezogen wird.

"Die Maut ist ein Perpetuum mobile für die Inflation, weil sie als Kostentreiber wirkt", warnt Klacska im Gespräch mit dem STANDARD vor einer Kostenlawine. Können Frächter und Spediteure diese Fixkosten nicht weitergeben, bleiben sie darauf sitzen, die Marge sinkt.

Stufenweise Anhebung?

So scharf dürfte im zuständigen Klimaschutzministerium nicht geschossen werden. Die Rede ist von einer stufenweisen Anhebung der Aufschläge für externe Kosten. In einem ersten Schritt könnte es um zwölf bis 15 Prozent gehen, sagen mit der Materie vertraute Fachleute. Allerdings wäre auch das schon eine spürbare Mehrbelastung, dann würden die Logistikkosten stärker als die Inflation steigen, was Waren und Güter aller Art verteuert. Es sei denn, die fahrleistungsabhängige Straßenbenützungsabgabe würde heuer nicht automatisch um die volle Inflationsrate erhöht, sondern nur ein Teil des höheren Verbraucherpreisindex aufgeschlagen. Fix ist vor diesem Hintergrund eine Forderung der Wirtschaft: Es muss einen Stufenplan geben, mit dem man sich den Zielvorgaben annähert.

Großen Frächtern gelten neun Cent für die Valorisierung der Lkw-Maut und den CO2-Aufschlag zusammen bereits als "worst case". Damit ist klar: Der Widerstand wird heftig, denn die Transportwirtschaft sitzt ihrerseits in der Klemme. Elektro- oder gar Wasserstoff-betriebene Lkws sind kaum verfügbar, der Umstieg auf "saubere" Fahrzeuge also nicht einfach zu bewerkstelligen. Die Investitionen in neue Fuhrparks sind enorm. Zudem geht die Angst um vor Doppelbesteuerung, denn die massiv erhöhte Normverbrauchsabgabe basiert bereits auf Schadstoffemissionen. Ein Sonderfall sind Klein- und Leicht-Lkws, sie werden durch die Umstellung auf Elektroantrieb schwerer, überschreiten damit die Vignetten-Obergrenze von 3,5 Tonnen und wären damit Lkw-mautpflichtig. Für sie braucht es Sonderregelungen, denn diese Zusatzkosten würden vor allem Handwerk und Gewerbe schwer belasten, sagt Klacska.

Umweltkosten steigen

Einfach ist auch die Position der grünen Verkehrsministerin, Leonore Gewessler, nicht. Sie muss aus ökologischer Sicht danach trachten, dass der Anteil an externen Kosten, die nicht der Verursacher Schwerverkehr trägt, sondern die Allgemeinheit, nicht ständig steigt. Und da besteht Handlungsbedarf. Denn die auf Basis des von der Europäischen Investitionsbank errechneten CO2-Kostensatzes anfallenden Umweltkosten steigen allein für CO2 gewaltig, von 375,4 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 548,2 Millionen Euro im Jahr 2025. Die Hälfte davon wird laut aktueller Berechnung des Umweltbundesamts, die dem STANDARD in Form einer Präsentationsunterlage vorliegt, nicht auf die Verursacher überwälzt (siehe Grafik).

Säulengrafik, die zeigt dass die externen Kosten des Schwerverkehrs von 2022 bis 2025 von 375 auf 548 Millionen Euro steigen.
Umweltkoten des Schwerverkehrs auf Autobahnen und Schnellstraßen in Österreich
Die Kosten für die CO2-Emissionen der Lkw im hochrangigen Straßennetz steigen aufgrund der Aufschläge rasant.
Umweltbundesamt, DER STANDARD

Selbst nach Abzug jener Kosten, die durch den im Oktober 2022 eingeführten CO2-Preis auf Treibstoffe von 55 Euro pro Tonne bereits auf die Verursacher überwälzt werden, steigen die noch nicht internalisierten Kosten weiter. Zugrunde gelegt wurden die Bezugswerte der neuen Eurovignetten-Richtlinie. Im Saldo, also nach Abzug des jährlich steigenden CO2-Preises, bleiben laut Berechnungen des Umweltbundesamts 2025 immer noch 164 Millionen Euro an externen Kosten, die nicht der Schwerverkehr trägt.

Die neue EU-Richtlinie bringt insgesamt eine Fülle von Neuerungen, die den Straßengüterverkehr mit Verbrennungskraftmaschinen Schritt für Schritt zurückdrängen werden. (Luise Ungerboeck, 28.7.2023)