Bruce Springsteen, Happel-Stadion
Bruce Springsteen rockte mit seiner E Street Band am 18. Juli vor rund 60.000 Fans.
APA/HANS KLAUS TECHT

Der Sommer ist vorbei – zumindest was die Open-Air-Großkonzerte im Wiener Ernst-Happel-Stadion angeht. Obwohl im August hier kein Gig mehr über die Bühne geht, zählt die heurige Konzertsaison "zu den besten in der Geschichte des Praterovals". Das bestätigt jenes Unternehmen der Stadt Wien, das das Stadion betreibt, dem STANDARD. Zu den insgesamt sieben Veranstaltungen von Pink, Harry Styles, Red Hot Chili Peppers, Bruce Springsteen und Rammstein kamen gleich 373.500 Besucher in Österreichs größte Sportarena.

Dass Großveranstaltungen seit dem Ende der Corona-Pandemie boomen, ist kein Geheimnis. Zahlreiche Weltstars sind mit Musiktourneen global unterwegs und feiern umjubelte Konzerte in Arenen und Hallen. Den diesjährigen Besucherrekord im Praterstadion, das im Eigentum der Stadt Wien steht, nur auf das Ende von Covid zurückzuführen wäre aber zu kurz gegriffen.

Denn der schleichende Wandel des Sportstadions zur prosperierenden Konzertarena hat schon knapp davor eingesetzt. Zwar war der Prater seit Anfang der 1980er-Jahre regelmäßig Schauplatz von Großkonzerten, die Anzahl der Gigs pro Jahr nahm zuletzt aber bemerkenswert zu: 2019 wurden bei sieben Konzerten 353.000 Fans begrüßt, 2022 gab es bei acht Gigs 344.000 Besucherinnen und Besucher.

Video: Beim ersten von zwei Konzerten im Wiener Ernst-Happel-Stadion gab es Protest. Für die Kritikerinnen hätte das Konzert abgesagt werden müssen, lautstark riefen sie die Fans auf, zu verschwinden
DER STANDARD

Diese Entwicklung hat auch mit einem kritischen Bericht des Stadtrechnungshofs aus dem Jahr 2015 zu tun. Damals wurde die Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft unter die Lupe genommen: Diese betreibt – als Tochterfirma der städtischen Wien Holding – das Happel-Stadion sowie das Stadion- und das Stadthallenbad. Die Prüferinnen und Prüfer empfahlen, dass die Gesellschaft im Eigentum der Stadt Anstrengungen unternehmen sollte, um mehr Konzerttourneen nach Wien zu holen. Damit könnten längerfristig planbare Einnahmen erzielt werden.

Rammstein, Happel-Stadion
Der Andrang zu den Rammstein-Konzerten war riesig: Zu den zwei Konzerten am vergangenen Mittwoch und Donnerstag kamen insgesamt 110.000 Besucherinnen und Besucher.
Helene Lea Manhartsberger

Auftrag "sehr ernst genommen"

Die Wiener Sportstätten hätten den Auftrag, "Konzerte zu forcieren, sehr ernst genommen", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme zum STANDARD. Es sei Faktum, dass Veranstalter großer Welttourneen "ein starkes Interesse am Happel-Stadion haben und hier gerne und oft Konzerte veranstalten".

Unbeliebt ist das Oval auch im kommenden Jahr nicht: Die US-Sängerin Taylor Swift macht hier 2024 dreimal im August Station, die britische Band Coldplay mit Frontman Chris Martin gleich an vier Tagen. Der heurige Besucherrekord ist damit schon jetzt schwer gefährdet: Hunderttausende Karten gingen bei den Vorverkäufen weg wie warme Semmeln, das Stadion ist praktisch siebenmal ausverkauft. Und noch ist für den Juli 2024 noch kein einziges Konzert im Happel terminisiert. Ein behördliches Jahreslimit für Konzerte im Stadion gibt es nicht.

Coldplay
Die britische Band Coldplay mit Sänger Chris Martin spielte am 5. Juli im Rahmen ihrer aktuellen Tournee in Kopenhagen. 2024 sind die Briten gleich viermal im Happel-Stadion zu Gast – alle Gigs sind bereits ausverkauft.
AFP/Ritzau Scanpix/MADS CLAUS RA

Deutliche Absage für Fußball-Nationalstadion

Der Sport im Happel-Stadion tritt hingegen kürzer – vor allem was größere Events betrifft. Die europaweit in elf Städten ausgetragene Fußball-EM 2021 machte einen großen Bogen um den Wiener Prater. Auch Endspiele von Klubfußballbewerben sind kein Thema. Das hat auch damit zu tun, dass das ordentlich in die Jahre gekommene Happel-Stadion (Eröffnung: 1931) einige moderne Anforderungen nicht mehr erfüllen kann. Im Happel gibt es auch eine Laufbahn. Auf dieser haben in den letzten zehn Jahren aber keine Leichtathletik-Meisterschaften mehr stattgefunden, wie die Stadt Wien bestätigt.

Forderungen nach einem Abriss und dem Neubau eines Nationalstadions, die der ÖFB erhoben hat, erteilte Wiens Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) eine deutliche Absage. Einerseits sei der Denkmalschutz für das Praterstadion ein großes Thema, andererseits seien die hohen Kosten für eine Fußballarena nur für ein paar ÖFB-Länderspiele pro Jahr nicht zu rechtfertigen. Laut den Wiener Sportstätten würden aktuell die Konzerte im Happel-Stadion "de facto die Sportveranstaltungen finanzieren".

Fußball, Happel-Stadion, ÖFB-Länderspiel
Im Juni besiegte das ÖFB-Team im Rahmen der EM-Qualifikation Schweden mit 2:0. Christoph Baumgartner (links) erzielte beide Tore. 46.300 Fans waren im Happel-Stadion zugegen.
der Plankenauer/Mag. Plankenauer

Hacker stellte aber eine Sanierung und Attraktivierung des Stadions in Aussicht. Zuletzt wurde vor der EM 2008 investiert. Welche Maßnahmen gesetzt werden, hängt von einer Substanzanalyse ab, die Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen. Über die weiteren Schritte soll mit dem ÖFB und Konzertveranstaltern sowie jenen diskutiert werden, die Sportevents wie den Tag des Sports, den Frauenlauf oder die Schulsportveranstaltung "Athletics Light" im und um das Happel-Stadion abhalten.

ÖFB lehnte Zusatztribünen für Länderspiel ab

Um die Tribünen bei Fußballspielen näher an das Spielfeld zu bringen, werden auch versenkbare oder mobile Tribünen als Variante überlegt. Fixe Tribünen statt der Laufbahn sind hingegen laut den Wiener Sportstätten "nicht denkbar, weil sie den Fassungsraum bei Konzerten reduzieren würden".

Mobile oder versenkbare Tribünen auf der Fläche der blauen Laufbahn sind für das Happel-Stadion ein Thema.
der Plankenauer/Mag. Plankenauer

Zuletzt unterbreiteten die Wiener Sportstätten laut Eigenaussagen im Auftrag von Stadtrat Hacker dem ÖFB den Vorschlag, schon für das kommende Länderspiel im Happel-Stadion am 13. Oktober gegen Belgien (EM-Qualifikation) Zusatztribünen aufzustellen. "Dies wurde vom ÖFB bedauerlicherweise abgelehnt." (David Krutzler, 31.7.2023)