Der Erste Bank Campus in Wien bei Nacht, die Fenster des geschwungenen Gebäudes sind hell erleuchtet.
Der Gewinn der Erste Group, deren Campus in Wien hier zu sehen ist, hat im ersten Halbjahr mehr als erwartet zugelegt.
Imago/Volker Preußer

Mit einem für einen Banker eher ungewöhnlichen Bild beschrieb der Vorstandschef der Erste Group am Montag den Zustand der österreichischenWirtschaft und ihrer Unternehmen. "Die Muckis sind gewachsen", meinte Willibald Cernko bei der Halbjahrespressekonferenz des Instituts zur wirtschaftlichen Kraft von Österreichs Betrieben. Ihre Resilienz sei gewachsen, "da sind schon Reserven drin", erklärte er, angesprochen auf pessimistische Konjunktureinschätzungen etwa von Industriellenvereinigung oder Wirtschaftskammer. Eine Eintrübung gebe es aber, so der Banker, die Investitionstätigkeit der Unternehmer gehe zurück, was sich in sinkender Kreditnachfrage bei denGeschäftskunden widerspiegle.

Alles in allem habe das erste Halbjahr für die Erste Group, zu deren Ergebnis auch das der Sparkassen beiträgt, aber ein "sehr, sehr gutes operatives Ergebnis gebracht", fasste er zusammen. Der Nettogewinn des Instituts, das in Österreich und zehn Ländern (Süd-)Osteuropas tätig ist, stieg um fast ein Drittel auf rund 1,5 Milliarden Euro, das Betriebsergebnis legte um 44,5 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro zu. Auch die Ausstattung mit hartem Kernkapital ist im Jahresvergleich gestiegen, auf 14,9 Prozent. Die Risikokosten sind gesunken, man sehe "so gut wie keine Ausfälle", erklärte Alexandra Habeler-Drabek, die im Vorstand fürs Risiko zuständig ist. Die Quote der Non-Performing-Loans (NPL; notleidende Kredite) landete erstmals in der Geschichte des Instituts unter zwei Prozent, genauer bei 1,97 Prozent.

Grund dafür, dass die Geschäfte brummen, sind steigende Zinsen, das gewachsene Kreditvolumen und gute Handelsgeschäfte: der Zinsüberschuss stieg um ein Viertel auf fast 3,6 Milliarden Euro und der Provisionsüberschuss auf 1,3 Milliarden Euro.

Fixzinsen federn Zinserhöhungen ab

Stichwort Zinserhöhungen: Rund ein Viertel der Erste-Mitarbeiter habe mit solchen beruflich erstmals zu tun, erklärte Cernko, und die Kunden hätten auf die (nun beendete) Nullzinspolitik der vergangenen Jahre durchaus reagiert: Man habe eine "massive Bewegung" in Richtung Veranlagung in Wertpapiere und Wertpapiersparpläne erlebt; deren Volumen sei um fast ein Fünftel auf rund 1,1 Milliarden Euro gestiegen.

Und 90 Prozent jener Privatkunden, die Kredite für die Wohnraumfinanzierung aufgenommen haben, hätten Fixzinsen vereinbart, "die kümmert es null, was da bei den Zinsen passiert", erklärte Cernko. Was ihn, der auch als Spartenobmann Banken und Versicherungen in der Wirtschaftskammer aktiv ist, nicht davon abhielt, erneut die Abschaffung der strengeren Regeln für die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten durch die KIM-Verordnung zu fordern. Man werde ein Modell wie jenes in Tschechien vorschlagen, wo die Leistbarkeit am 9,5-Fachen des Nettoeinkommens festgemacht werde. In der Ersten hat sich das Volumen der Wohnbaukredite binnen Jahresfrist um rund fünf Prozent erhöht, bei den Neuabschlüssen setzte es laut Cernko dagegen eine "harsche Korrektur um 60 Prozent", und zwar von rund fünf auf zwei Milliarden Euro.

Und bei den Unternehmenskunden sei derzeit eine schwächere Kreditnachfrage spürbar, sagte Firmenkunden-Vorstandsmitglied Ingo Bleier: Das Bestandsvolumen an Unternehmenskrediten sei seit Jahresbeginn um 3,5 Prozent gewachsen, im zweiten Halbjahr 2022 waren es aber noch 7,5 Prozent gewesen.

Nach unten wird es laut Cernko bei den Zinsen so schnell nicht gehen, diese Erwartungshaltung sei "deutlich zurückzunehmen". Die Sparzinsen, bei deren Erhöhung sich Banken ja meist viel mehr Zeit lassen, als bei jener der Kreditzinsen, werde die Erste nun anheben, auch das verkündete Cernko am Montag. Und den Aktionärinnen und Aktionären winkt – aus heutiger Sicht – eine fettere Dividende: 2,70 Euro je Aktie nach 1,90 Euro.

Die Grafik der Zahlen zu Zinsüberschuss, Aktienkurs und Betriebsergebnis
Der Nettogewinn legte um fast ein Drittel zu, das Betriebsergebnis um fast die Hälfte.
APA/Erste Group/Der Standard

Wachstum in Osteuropa

Was das weitere Wachstum betrifft, zeigt sich der Erste-Group-Chef optimistisch. Die Kernmärkte des Instituts dürften nach Ansicht der Bank heuer eine Rezession vermeiden und ein reales BIP-Wachstum erreichen. "Bereits im kommenden Jahr werden die Volkswirtschaften in CEE wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren", erklärte Cernko. Die Ergebnisse ermöglichten zudem "wichtige strategische Investitionen, um die Position der Erste Group als Innovations- und Marktführerin auszubauen", kündigte Finanzchef Stefan Dörfler in dem Pressegespräch an.

Dem folgte wenig später eine Aussendung, wonach die Erste Group einen Zukauf in Tschechien getätigt habe: Die tschechische Tochter Česká Spořitelna habe sich mit der französischen BNP Paribas auf den Kauf ihres Kreditportfolios in Tschechien geeinigt. Der Zukauf müsse noch von den Behörden genehmigt werden. Per Ende Mai habe das tschechische Kreditportfolio der französischen Bank unter der Marke "Hello Bank!" ein Volumen von umgerechnet rund 366 Mio. Euro betragen. Die Česká Spořitelna ist Marktführer in Tschechien. (gra, 31.7.2023)