Italien wird das geostrategische Großprojekt Chinas, die Neue Seidenstraße, verlassen. Die italienische Ministerpräsidentin Georgia Meloni bekräftigte dies vergangene Woche, am Sonntag bestätigte es auch ihr Verteidigungsminister Guido Crosetto.

Italien war dem geostrategischen Großprojekt 2019 unter der Vorgängerregierung beigetreten. Der Pakt hätte sich 2024 automatisch verlängert. Überraschend kommt der Schritt nicht: Schon im Dezember hatte sich Meloni klar positioniert und den Beitritt ihres Landes als "großen Fehler" bezeichnet.

Die Neue Seidenstraße, auch bekannt als Belt and Road Initiative, war im September 2013 vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping ins Leben gerufen worden. Entlang der Neuen Seidenstraße begann Peking ab 2013 Milliardenkredite an Schwellenländer vor allem in Asien und Afrika zu vergeben. Auflage für den Zuschlag war, chinesische Staatsunternehmen mit dem Bau von Straßen, Häfen und Bahnstrecken zu beauftragen. Mindestens 900 Milliarden US-Dollar investierte Peking so in den vergangenen Jahren.

2019 war vieles noch anders

Italien war bisher der einzige G7-Staat, der sich zu dem Großprojekt bekannt hatte. 2019, als Rom das Memorandum unterzeichnete, war die Welt allerdings noch eine andere. Die Autonomie von Hongkong war noch nicht unter Bruch internationaler Verträge von Peking beendet worden. Die Spannungen um Taiwan schienen handhabbar, die desaströse Menschenrechtslage in der von Uiguren bewohnten Region Xinjiang war noch kaum bekannt. Und vor allem in Brüssel und Berlin sah man über die Asymmetrien in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit China gerne hinweg und gab allein US-Präsident Donald Trump die Schuld an den neuen geopolitischen Spannungen.

Guido Crosetto bestätigte Italiens Ausstieg.
Guido Crosetto bestätigte Italiens Ausstieg.
REUTERS/REMO CASILLI

Vier Jahre später haben sich nicht nur aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine und Chinas ambivalenter Positionierung in dem Konflikt die Zeichen verändert. Auch die Neue Seidenstraße ist in Verruf geraten. Zahlreiche Projekte haben sich als nutzlos oder überdimensioniert erwiesen. Durch die hohen Kredite befinden sich zahlreiche Staaten in Zahlungsschwierigkeiten. Peking weigert sich, sich mit internationalen Gläubigern an einen Tisch zu setzen und über eine Umschuldung zu verhandeln. Von einer Schuldenabhängigkeit ist die Rede.

"Kritische Infrastruktur"

In Europa begutachtet man chinesische Investitionen in "kritische Infrastruktur" wesentlich genauer als noch 2019. Der staatsnahe chinesische Konzern Huawei ist mittlerweile in vielen Staaten vom Ausbau der 5G-Netze ausgeschlossen. Die chinesischen Investitionen in der EU sind stark zurückgegangen: 2022 flossen knapp acht Milliarden Euro, 2016 waren es noch 37 Milliarden gewesen.

Für das Projekt ist der Austritt Italiens zwar ein Imageschaden, konkret aber verändert sich wenig. Der Fokus des Programms liegt nach wie vor auf den Staaten des Globalen Südens, wo es Peking vielerorts mit Erfolg gelungen ist, seinen Einfluss aufzubauen. Trotzdem sollen chinesische Diplomaten in den vergangenen Tagen nochmals in Italien massiv darum geworben haben, das Projekt nicht zu verlassen.

Insofern klingen auch die Töne in der chinesischen Staatspresse nach einer Mischung aus Bedauern und Warnen. Es sei kein Wunder, dass die "USA als globale Hegemonialmacht den Aufstieg anderer Staaten als Bedrohung wahrnehmen", schrieb die Parteizeitung Global Times am Montag. Aber Europa solle "die Welt nicht mehr mit den Augen von 1950 betrachten". (Philipp Mattheis, 1.8.2023)