Eine Menschenmenge steht auf einem Messestand des Autoherstellers Xpeng.
Volkswagen hat fünf Prozent der Anteile von Xpeng gekauft. Damit will sich der Konzern stärker in China verankern.
AFP/HECTOR RETAMAL

Als der chinesische Präsident Xi Jinping am vergangenen Freitag die 16-Millionen-Stadt Chengdu im Westen des Landes besuchte, wurden alle Tesla-Fahrzeuge aus jenen Gegenden verbannt, die der oberste Führer der Volksrepublik besuchte. Ausländische Elektrofahrzeuge wolle der Präsident der zweitgrößten Volkswirtschaft einfach nicht sehen, möchte man meinen. Doch das Tesla-Verbot in Xi-Nähe hat andere Gründe.

Schon seit längerem dürfen sich Tesla-Autos in China militärisch wichtigen Einrichtungen nicht nähern. Das Verbot wird nicht mit Strafzetteln umgesetzt, sondern geschieht automatisch: via "Geofencing". Ganz so wie bei Computerspielen älterer Generation, wo man seine Spielfigur einfach nicht über den Rand der bekannten Welt steuern konnte. Elektrofahrzeuge sind Datensammel- und -sendemaschinen – das ist der Grund, weshalb die amerikanischen Fahrzeuge vom chinesischen Präsidenten ferngehalten werden.

Das muss man wissen, um den jüngsten Einstieg des VW-Konzerns bei einem mittelmäßig erfolgreichen chinesischen Autobauer zu verstehen. 700 Millionen US-Dollar hat der deutsche Autobauer für nicht ganz fünf Prozent der Anteile von Xpeng hingeblättert. 120.000 Fahrzeuge verkaufte Xpeng im vergangenen Jahr in China. Marktführer BYD bringt es auf das Vierfache.

Chinesische Produzenten im Vormarsch

Zur Erinnerung: Die erste Automesse in diesem Frühjahr in Schanghai nach drei Jahren Pandemie war ein Schock für die meisten ausländischen Autohersteller. Nach bald drei Jahrzehnten, in denen VW, GM und Toyota von Absatzrekord zu Absatzrekord geeilt waren, brachen die Umsätze auf einmal ein. Zum ersten Mal zog ein chinesischer Hersteller an den Kings der Branche vorbei.

Das Unternehmen BYD aus Shenzhen baute seinen Marktanteil auf elf Prozent aus, während VW ein zweistelliges Verkaufsminus hinnehmen musste. Von den 430.000 zugelassenen Fahrzeugen waren nur 6.300 Elektroautos. Der neue Marktführer BYD dagegen verkauft ausschließlich Elektroautos. Letztere sind bei den Chinesen beliebter, da die E-Autos nahtlos mit Smartphones und den entsprechenden Apps interagieren. Chinesische Hersteller haben frühzeitig auf diesen Trend gesetzt, Peking hat den Trend mit Steuersubventionen unterstützt.

Bessere Marktposition und Datenzugang

"VWs Bilanz bei E-Fahrzeugen sieht schlecht aus, und natürlich ist der Einstieg bei Xpeng erst mal eine Möglichkeit, eine bessere Marktposition zu bekommen", sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Schanghai. "Man schafft mehr Nähe zum chinesischen Kunden." Zwei Elektrofahrzeuge wollen VW und Xpeng bis 2026 zusammen auf den Markt bringen. Das wird allerdings nicht leicht. Denn viele Experten gehen davon aus, dass sich der Markt längst in einer Bubble befindet. "Der Preiskrieg ist nach wie vor in vollem Gang", so Siebert weiter. "Bis auf Tesla und BYD dürfte aktuell kaum ein Hersteller Gewinn machen, und viele arbeiten zudem mit geringer Kapazitätsauslastung."

Langfristig aber geht es um mehr: Elektrofahrzeuge sammeln Daten, und diese Daten dürfen China nicht verlassen. Peking will eine Datenplattform mit eigenen Standards und Kompatibilität, die sich vom Rest der Welt unterscheidet. Anfang 2022 verabschiedete das Ministerium für Industrie und Information Richtlinien für das Internet of Vehicle (IoV), das eine ganze Reihe von Standards für vernetzte Fahrzeuge auf chinesischen Straßen setzt. Ab 2025 soll dann über die Hälfte aller Autos auf chinesischen Straßen aktiv in Echtzeit Daten senden, automatisch auf Verkehrsmeldungen reagieren und natürlich auch Personendaten und Regelverstöße erfassen. Der Markt für Fahrzeuge dieser Art soll bis dahin auf 140 Milliarden US-Dollar gewachsen sein.

"Teilung" des Internets?

Der Automobilmarkt ist dabei nicht der einzige Sektor, in dem Peking an eigenen Internet- und Datenstandards arbeitet. Experten befürchten in den kommenden Jahren eine "Teilung" des Internets. "Es geht hier um anwendungsbasierte Fragen des Internets. Peking ist viel daran gelegen, hier autonome Standards zu etablieren, nachdem man in den vergangenen 20 Jahren immer westlichen Digitalstandards hinterherhinkte“, sagt Kai von Carnap, Analyst bei Merics, dem Mercator Institute for China Studies in Berlin. Gleichzeitig ist sowohl in China als auch im Westen das Sicherheitsbewusstsein gestiegen. "Man möchte nicht, dass sensible Daten in die Hände des anderen geraten und zum Beispiel Autos Daten über strategische Knotenpunkte akquirieren.“

Um nicht das Schicksal der Tesla-Autos in Chengdu zu erleiden, baut VW also vor und richtet sich nach den chinesischen Standards aus. "Alle ausländischen Autohersteller in China müssen sich an dieser Plattform ausrichten", sagt Auto-Experte Siebert. "Das ist teuer, und Softwareingenieure sind aktuell hochbegehrt. Mit dem fünfprozentigen Einstieg bei Xpeng kauft sich VW also Zugang zu gut ausgebildetem Personal und einer Datenplattform." (Philipp Mattheis, 2.8.2023)