"Hi." Und ein Herzerl. Kann ein Schultag besser beginnen als mit dieser Nachricht, noch dazu verfasst von genau dem Menschen, von dem man es sich wünscht? Sagen wir es zusammen: Nein!

Und das ist ja noch nicht alles: Komplimente, Geständnisse, Koketterie, Anspielungen, der Schulweg, heimliche Treffen in der Bibliothek, gemeinsames "Lernen" daheim, von Mum gibt's einen "Gut-gemacht-Kuss" für das Outing, und schon wieder liegen Nick und Charlie einander in den Armen. Schmusen ohne Ende – das Leben ist ein Traum!

Schwer verknallt: Joe Locke (li.) und Kit Connor als Charlie und Nick in der Netflix-Serie
Serie
Schwer verknallt: Joe Locke (links) und Kit Connor als Charlie und Nick in der Netflix-Serie "Heartstopper".
Teddy Cavendish/Netflix

Es sind Szenen wie diese Eröffnungssequenz, für die das Publikum "Heartstopper" verehrt. Gespickt mit Kitsch und großen Gefühlen zwischen gleichgeschlechtlichen Teenagern, landete die britische Autorin Alice Oseman mit dem gleichnamigen Webcomic, den Graphic Novels und nun auch der Serie einen Hit. Die zweite Staffel über junge LGBTIQ-Liebe ist auf Netflix abrufbar.

Ging es in der ersten Staffel noch um die aufkeimende Liebe zwischen Charlie Spring (Joe Locke), dem schlaksigen, introvertierten Schüler, und dem charismatischen Nick Nelson (Kit Connor), Kapitän des Rugbyteams der Bubenschule, geht "Heartstopper" jetzt in die nächste Runde. Dass es nicht beim Idyll zwischen den beiden bleiben kann, gibt die Seriendramaturgie vor, und es hat nicht ausschließlich mit einem mit dem Lineal knallenden Lehrer zu tun. Na gut, auch, aber nicht nur. Sondern vor allem mit dem Outing, zu dem Nick, blind vor Liebe, wild entschlossen ist, das aber nicht alle so gut aufnehmen wie Nicks Mum (lovely: Olivia Coleman).

Heartstopper: Season 2 | Official Trailer | Netflix
Nick, Charlie and the gang return as they journey through the next chapter of life, love and friendship. 🍂 SUBSCRIBE: http://bit.ly/29qBUt7 About Netflix: Netflix is one of the world's leading entertainment services with over 238 million paid memberships in
Netflix

Outings sind generell nicht ohne. "No hanky-panky" in den eigenen vier Wänden, erlegt etwa Charlies Vater den Frischverliebten auf. Dem Sohn fällt ob der neuen Regelung die Kinnlade und vielleicht noch mehr runter. Fortan wird nach Möglichkeiten gesucht, die Regelung zu umgehen. Jugend am Werk.

Während Fragen rund um das Queer-Sein im Mittelpunkt stehen, erforschen die Autoren Oseman und Euros Lyn, der auch Regie führte, die nicht enden wollenden Veränderungen des Daseins junger Mensch, noch dazu, wenn sie in Richtung schwul, lesbisch oder bi drängen. Warum sich vieles wiederholt und das trotzdem nicht langweilig wird, hängt mit den Detailreichtum zusammen, in dem sich die Geschlechterentwürfe finden dürfen und mit der grundpositiven Stimmung, in der das passiert.

Charlie und Nick in Paris

Die acht Episoden von "Heartstopper" dauern nur 30 Minuten oder weniger, und jede sieht aus wie ein Tagebucheintrag – romantische Tagträume und farbenfrohe Kritzeleien inklusive. Oseman erzählt vom Schulalltag mit all seinen Höhen und Tiefen, in denen sich Teenager kulturübergreifend befinden – als da wären: Abschlussball, erste Verabredungen, wichtige Prüfungen und erste Küsse, eine quietschbunte Klassenfahrt nach Paris, die Frage: Mag er/sie mich? Meint er/sie es ernst? Oder spielt er/sie mit mir? Und ist mir das vielleicht eh egal?

"Heartstopper" gefällt wegen des Schwungs, seiner leichten Erzählart, seines luftigen Humors und weil die Figuren ehrlich und ernsthaft auftreten dürfen und wahrscheinlich Identifikationspotenzial ohne Ende haben, dabei Jugendliche aber trotzdem nicht ausschließlich als mit queeren Problemen kämpfende Paralleleinheit gezeigt werden. Charlie und seine Leute erinnern daran, dass queer, schwul und trans zu sein nicht zwangsläufig eine schmerzhafte Erfahrung ist. (Doris Priesching, 3.8.2023)